Militärrituale an der Uni Münster willkommen
GESELLSCHAFT | AUS EINER GARNISIONSSTADT (08.09.2011)
Von Jörg Rostek | |
In Münster hält die Bundeswehr an der Uni öffentlich eine Serenade ab. Manche Münsteraner sind empört, darunter unser Autor. Er berichtet von dem Versuch seiner Hochschulgruppe, Militärrituale auf universitärem Gelände zu verhindern. Protest gegen Militäreinsätze und gegen die Bundeswehr vor dem Schloss in Münster. (c) iley.de Auch sei der Ort der Darstellung höchst brisant. Die "Geschichtsvergessenheit und Remilitarisierung der deutschen Gesellschaft" sei mittlerweile so weit vorangeschritten, dass "es kein Tabu mehr ist, militaristische Veranstaltungen in kaum verändertem Stil genau dort abzuhalten, wo es einst das Nazimilitär" getan habe. Vuvuzelas zur Marschmusik So kam es, dass die Musiker der Bundeswehr am Tag der Veranstaltung hörbare Konkurrenz erdulden mussten: 250 Aktivisten lärmten mit den von der WM 2010 bekannten Vuvuzelas, trommelten, pfiffen und buhten. Auch die bekannte Rebel Clowns Army war anwesend und karrikierte das Militärritual, so dass es der Bundeswehr sichtlich schwerfiel, es ordnungsgemäß durchzuführen. Als Reaktion stellte die Polizei dem Gebäude der Studierendenvertretung (AStA), aus deren Gebäude Friedensmusik schallte, den Saft ab. Feldjäger verwiesen Aktivisten vom Unigelände, um ihr „Hausrecht“ durchzusetzen. Es kam zu Handgemengen, Rangeleien und schließlich zu leichten Verletzungen. Weil das Rektorat der Uni Münster der Bundeswehr für die Serenade das Hausrecht für den Schlossplatz übertragen hatte, beschloss unsere Hochschulgruppe, eine Initiative zu starten, um zukünftige Militärrituale vor dem Spätbarockschloss schon im Vorfeld zu unterbinden. Sie reichte eine Resolution in das Studierendenparlament ein. In dem Antrag hieß es: "Die Universität Münster sollte als Ort der Bildung und Wissenschaft ihre Neutralität bewahren und sich dem Frieden verpflichtet fühlen. Sie sollte nicht mit den von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten, zweifelhaften Bundeswehreinsätzen im Ausland in Verbindung gebracht werden können. Somit stellt das Schlossensemble für derartige Veranstaltungen den vollkommen falschen Rahmen dar. Dies sollte auch dem zuständigen Regierungspräsidenten in Münster und der Landesregierung NRW bewusst sein." Studierendenparlament beschließt Resolution Nachdem der Antrag vom Parlament angenommen worden war, löste er ein starkes Medienecho aus. Unter anderem deshalb, weil der Kreisverband der CDU Münster den Parlamentariern vorwarf, in der Resolution einen Nazivergleich zwischen Bundeswehr und Wehrmacht gezogen zu haben. Sie nannte dies einen "handfesten Skandal". Die Studierenden würden die Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten diskriminieren und aus der Gesellschaft ausgrenzen. Außerdem müsse man anerkennen, dass "das Lufttransportkommando in den mehr als 40 Jahren seines Bestehens humanitäre Hilfe geleistet" habe. Die Studierenden wiesen die Kritik weit von sich. "Wir gehen davon aus, dass sich die Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten ihrer Verantwortung, Streitkräfte in einem demokratischen Gemeinwesen zu sein, bewusst sind", schrieben sie in einem Offenen Brief. Doch wie reagierte die Uni? Auf Presseanfragen teilte die Öffentlicheitsabteilung der Uni Münster mit, dass sie weiterhin "von Fall zu Fall entscheiden werde, ob sie der Bundeswehr Plätze und Räume bereitstelle. Die Resolution der Studierenden habe man "zur Kenntnis genommen". Da das Hausrecht der Universität dem Rektorat obliegt und der Senat dieses Exekutivorgan als Legislative kontrollieren und beeinflussen kann, entschieden sich die Studierenden dafür, mit Hilfe der studentischen Senatoren und dem AStA-Vorsitzenden die Resolution im Senat höchstselbst zur Abstimmung zu stellen. Vergeblich. Die Resolution wurde zwar vom Senat "zur Kenntnis genommen", wie sich der Senatsvorsitzende ausdrückte, aber nicht besprochen geschweige denn abgestimmt. Auch die studentischen Vertreter hielten es nicht für nötig, auf die Resolution einzugehen oder gar eine Diskussion anzuregen. "Die Bundeswehr will Leitbilder und -vorstellungen in ihrem Sinne beeinflussen." Markus Euskirchen, Autor des Buches "Militärrituale", erklärt, warum er Militärrituale wie Serenaden auf Hochschulgelände problematisch findet: "Die Bundeswehr bekommt derzeit mit der Aussetzung der Wehrpflicht ein Nachwuchs- und Rekrutierungsproblem. Daher geht es ihr zur Zeit um die Verbreiterung ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung und um die weitere Normalisierung militärischer Verhältnisse (Befehl-Gehorsam, militärisches Geschlechtermodell, Töten/Sterben für Höheres) im gesellschaftlichen Ansehen. In diesem Zusammenhang drängen sie in die Hochschulen: Dort gibt es die jungen, auf gute Ausbildung orientierten, potentiellen Rekruten und Rekrutinnen und von dort aus trägt die akademische Debatte zur Herausbildung der gesellschaftlichen Leitbilder und -vorstellungen bei. Diese will die Bundeswehr durch ihr Auftreten in der universitären Öffentlichkeit in ihrem Sinne beeinflussen. Im Gegenzug halluzinieren sich Hochschulmanager die Bundeswehr zum möglichen Drittmittelgeber zurecht, mit dem es sich gut zu halten gilt." Bestärkt von Euskirchens Worten wagte unsere Hochschulgruppe einen zweiten Anlauf. Sie verfasste einen neuen Antrag, um den AStA-Vorsitzenden "zum Jagen zu tragen", wie sich ein Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft ausdrückte. Am 6. Juni 2011 stimmte das Studierendenparlament für den Antrag und beauftragte seine Exekutive, den AStA, damit die Resolution in ein abstimmungsfähiges Schriftstück zu verwandeln und dem Senat noch einmal vorzulegen. Der Senat sollte Farbe bekennen. Die Debatte fand am 13. Juli 2011, über ein Jahr nach der Serenade auf dem Schlossplatz, statt. Die Mehrheit der ProfessorInnen schwieg allerdings zu dem Antrag. Diejenigen, die sich zu Wort meldeten, konnten nicht nachvollziehen, warum der Bundeswehr ein negativer Sonderstatus an der Uni Münster zuerkannt werden sollte, denn sie sei "eine Organisation wie jede andere". Die Mehrheit der ProfessorInnen stimmte gegen den Antrag der Studierenden. Die studentischen Senatsmitglieder und Teile des Mittelbaus enthielten sich der Stimme. "Bundeswehr willkommen" titelte eine Lokalzeitung. Unsere Hochschulgruppe war empört. "Wilhelm hätte es gefreut" höhnte sie. Kaiser Wilhelm II, Militarist und letzter deutscher Kaiser, ist der Namensgeber der Universität Münster. |