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Hausfotograf der deutschen Sozialdemokratie
POLITIK | KARL PINKAU (19.12.2013)
Von Frank Fehlberg
Karl Pinkau war um 1900 der Hausfotograf der deutschen Sozialdemokratie. Doch er lichtete nicht nur Parteigrößen und Arbeiterfamilien ab. Seine jahrzehntelange politische Arbeit kann als Beispiel einer Volksparteikarriere zur Jahrhundertwende gelten.

Wikipedia

Karl Pinkau porträtierte die Sozialdemokratie mit seinen Fotos. (c) Wikipedia

Bereits mit 18 Jahren in die SAP eingetreten, absolvierte der Sohn eines Thonberger Eisenbahnarbeiters bis 1879 eine Lehre zum Lithografen. Nach seiner Militärzeit 1880 bis 1882 im Infanterieregiment Nr. 106 "Prinz Georg" engagierte er sich in der illegalen Parteiarbeit. Nachdem 1872 in Leipzig der Hochverratsprozess gegen August Bebel und Wilhelm Liebknecht geführt und 1878 das "Sozialistengesetz" erlassen wurde, war die Stadt ein "heißes Pflaster" für die sozialdemokratischen Arbeiter geworden.

Karl Pinkau wurde 1886 wegen "Verbreitung verbotener sozialdemokratischer Schriften" zu vier Monaten Haft verurteilt. Er hatte eine Kiste mit Exemplaren von Bebels "Die Frau und der Sozialismus" in Empfang genommen und weiterversandt. Durch die außerdem angeordnete Ausweisung aus Leipzig siedelte er, wie Bebel und Liebknecht vor ihm, in das nahegelegene Borsdorf über. Pinkau später über die Zeit der Ausweisungen: "Jeden Sonntag kamen eine Anzahl Genossen aus Leipzig nach Borsdorf, um Liebknecht zu besuchen, oder um alle möglichen Parteifragen zu besprechen." Seine enge Anlehnung an Liebknecht zeigte sich in Briefen an diesen, in denen Pinkau um Material bat, um etwa Eisenbahnbeamten und Arbeitern zu zeigen, "wie unsere Partei ihre Interessen vertritt".

Anlässlich seiner Teilnahme bei der Gründung der Zweiten Sozialistischen Internationale am 14. Juli 1889 in Paris entstand ein erstes Foto. Pinkau lichtete die "Föderiertenmauer" auf dem Friedhof Père Lachaise ab, die an die Gefallenen der Pariser Kommune 1871 erinnerte. Als "sozialdemokratischer Agitator" polizeibekannt, widmete sich Pinkau nach 1890 - das "Sozialistengesetz" war abgelaufen - offiziell der lokalen Politik. Im Juni 1890 wurde er zum Vorsitzenden eines Gewerkschaftskartells gewählt. Sein Mandat in der II. Kammer des Sächsischen Landtags legte er aus Protest gegen die Einführung des Dreiklassenwahlrechts 1896 nieder. 1895 hatte er an Liebknecht geschrieben: "Wir sind jetzt in das Leipziger Stadtverordnetenkollegium eingezogen. […] Nun, schlechter als im Landtage kann es nicht werden. Wir haben viel, viel Arbeit […]".

Bereits 1893 hatte sich Pinkau mit einem Partner als Fotograf selbstständig gemacht. Er stellte sich mit dieser beruflichen Neuausrichtung auch in den Dienst der Partei und vertrieb etwa Aufnahmen von Kundgebungen und Reproduktionen von fremden Porträts u.a. von Ferdinand Lassalle, Karl Marx, Friedrich Engels und Karl Liebknecht. In seinem Atelier in Leipzig ließen sich persönlich u.a. abbilden: Wilhelm Liebknecht, August Bebel, Bruno Schönlank (LVZ-Chefredakteur 1894-1901), Julius Motteler (ab 1901 Leiter Verlag und Druckerei LVZ), Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Karl Kautsky, Hugo Haase, Georg Ledebour, Paul Singer (SPD-Vorsitzender neben Bebel 1892-1911) und der Gewerkschafter Carl Legien.

Sozialdemokraten und andere Prominente

Doch nicht nur Prominente der Sozialdemokratie besuchten Pinkaus Atelier. "Für einen organisierten Arbeiter war es Ehrensache, sich und die Seinen bei der Firma Pinkau & Gehler abkonterfeien zu lassen", erinnerte sich ein Arbeiter. So findet sich eine Aufnahme des sechsjährigen Walter Ulbricht, späterer Kommunist und Staatschef der DDR. Seine Eltern waren aktive Sozialdemokraten. Auch den russischen Revolutionär Josif S. Blumenfeld lichtete Pinkau ab. Den Setzer der von Wladimir I. Lenin geführten und zunächst in Leipzig gedruckten Zeitschrift "Iskra" ("Der Funke") hatte er 1900/01 vorübergehend bei sich untergebracht. Über Pinkaus Wohnadresse lief ein Teil der geheimen Korrespondenz der russischen Oppositionellen.

1905 zog Pinkau mit Familie und Atelier in die Tauchaer Straße um, die heutige Rosa-Luxemburg-Straße. In der Nachbarschaft des damaligen Sitzes der LVZ sollte das Atelier von seiner Tochter noch bis 1986 weitergeführt werden. Nicht zuletzt sein Bekanntheitsgrad dürfte dazu beigetragen haben, dass Pinkau 1906 zunächst als Nachrücker kurz und ab 1912 dauerhaft in den Reichstag gewählt worden ist. Seine Herkunft hat er auch in diesem Hohen Haus nicht vergessen. 1913 setzte er sich für Arbeiter im lithografischen Gewerbe ein, die durch Lohnkonkurrenz von Staatsdienern im Nebenerwerb in ihrer ohnehin durch technische Neuerungen prekären Lage noch zusätzlich unter Druck geraten waren. Während des Ersten Weltkrieges und in der Novemberrevolution 1918 stand er auf der Seite der Parteimehrheit. Am 26. August 1922 starb Karl Pinkau infolge einer Magenoperation.

Daten: * 1. Juni 1859, † 26. August 1922, Lithograf und Fotograf, Mitglied des Reichstages (1906, 1912-1922), Mitglied des Sächsischen Landtages 1893/94 u. 1895/96, SAP/SPD (1877-1922)

   




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