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Liebe über den Tod hinaus
GESELLSCHAFT | ERSTER FRIEDHOF FÜR LESBEN (22.04.2014)
Von Nico Drimecker
Auf einem Friedhof in Berlin werden künftig nur lesbische Frauen bestattet. Ein Aprilscherz, dachten einige. Das sei Exklusion, meinten andere. Unser Autor hat sich selbst ein Bild gemacht und die offizielle Eröffnung besucht.

Drimecker

Kein Aprilscherz, sondern ein Zeichen: In Berlin gibt es jetzt den ersten deutschen Friedhof für Lesben. Die Initiatorinnen pflanzten zur Eröffnung einen Baum. (c) Drimecker

Die Sonne bricht durch die Blätter der hohen Bäume auf den fast verwilderten Georgen-Parochial-Friedhof in Berlin Prenzlauer Berg. Um 11 Uhr ist die offizielle Eröffnung, und ich komme erst eine Viertelstunde vorher. Ich schaue nur kurz auf den Tisch mit den Info-Zetteln für Journalisten, als mich eine Frau begrüßt, sich vorstellt, fragt, woher ich komme und ob ich Fragen habe. Erster Schritt zur Integration: check!

Gegen Isolation im Alter

Was im Prenzlauer Berg geschaffen worden ist, ist ein für eine bestimmte Gemeinschaft reservierter Raum - zumindest der unter der Erde. Ansonsten ist das rund 400 Quadratmeter große Areal mit spiralenförmigen Wegen, einer geschwungenen Sitzbank, einer Eiche und einem symbolisch neu gepflanzten Bäumchen "ein Ort, der keine Zäune hat", sagt Astrid Osterland (68) von der Sappho-Frauenstiftung. Die Siftung engagiert sich gegen Isolation im Alter. Zum Alter gehört auch der Tod. Deshalb haben die Sappho-Frauen den Lesbenfriedhof geschaffen.
Osterland weiß nicht genau, ob es in Europa schon einen Friedhof nur für frauenliebende Frauen gibt. In Deutschland sei er einmalig. Lesben, sagt Osterland, seien noch immer weitgehend unsichtbar. Die lesbische Lebensweise solle über den Tod hinaus sichtbar sein. Darum werde irgendwann auch ein Schild aufgestellt, das diesen Ort der Ewigen Ruhe als lesbischen Friedhof ausweist.

Kritik und Spott

"Exklusion am Grabe" titelt die Berliner Zeitung. Die rechtskonservative Zeitung Junge Freiheit zitiert einen Berliner CDU-Politiker: "Das ist nicht meine Vorstellung von Integration und Akzeptanz. Wer sich als Teil der Gesellschaft versteht, sollte sich auch im Tode nicht isolieren." Für den Lesben-Friedhof hagelt es Kritik und Spott. Die Welt schreibt: "Berlin fühlt sich oft an wie ein Aprilscherz".
Drimecker

Caia Haas: "Wir wollen mit denen bestattet werden, die wir geliebt haben." (c) Drimecker

Etwa 50 Besucher sind bei der Einweihung dabei, ein Drittel Journalisten. "Wir reagieren mit dem Friedhof auf die Ausgrenzung, die aus der Gesellschaft kommt", so Osterland zu einer Reporterin, die sie auf den Exklusionsvorwurf ansprach.
Zwei Stunden dauert die Eröffnung. Reden und Gedichte werden vorgetragen, ein Frauenchor singt Lieder. Eine lockere, zuweilen amüsante Veranstaltung. Auch Caia Haas spricht. Sie steht auf einer geschwungenen Bank und richtet sich an die Gäste. "Wir wollen mit denen bestattet werden, die wir kannten und die wir geliebt haben", sagt sie. Ihre Partnerin ist bereits verstorben und irgendwo auf dem Georgen-Parochial-Friedhof bestattet.

80 Grabstellen

Wer wie Haas die Partnerin verliert, ist zunächst allein. Wenn die Verstorbene auf einem der 219 Berliner Friedhöfe begraben wird, ist die Chance gering, dort auf Gleichgesinnte zu treffen. So kam der Wunsch nach einem Lesbenfriedhof auf. Aber warum eigentlich erst jetzt? "Wir haben gedacht, wir bleiben forever young", scherzt Osterland.
Viereinhalb Jahre hat es von der Idee bis zur Realisierung gedauert. Viel Arbeit mit Paragrafen, erzählt Hilde Heringer (65). Sie führte das erste Gespräch mit dem Friedhofsverwalter Jürgen Bratzke und dem zuständigen evangelischen Pfarrer Jürgen Quandt. Aufgeregt war sie vorher, und am Ende war sei es doch ziemlich unkompliziert gewesen. Die Sappho-Stiftung hat das Areal zunächst für 30 Jahre angemietet. Auf 80 Plätzen werden in Erd- oder Urnenbestattung nur Frauen beigesetzt, die Frauen liebten. Für sechs Grabstellen gebe es bereits Anfragen, auch von Astrid Osterland. Caia Haas dagegen weiß noch nicht, wo sie bestattet werden möchte. Neben ihrer Partnerin ist ein Platz reserviert. Noch lebt sie aber, sagt sie, also mal sehen.

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