"Weil sie auch nur Opfer sind"
KULTUR | INTERVIEW MIT BURHAN QURBANI (29.01.2015)
Von Jörg Rostek | |
"Wir sind jung. Wir sind stark." von Burhan Qurbani läuft aktuell in den Kinos der Republik. Unser Autor hat den Regisseur im "Cinema" in Münster getroffen. Er hat mit ihm über die Ereignisse 1992 in Rostock-Lichtenhagen, seinen Film und den bürgerlichen Rassismus von heute gesprochen. "Ich wollte mich von einer üblichen Darstellung von Neonazis und Rechtsradikalen und den üblichen Erklärungsmustern, wie rechte Gewalt entsteht, distanzieren." - Regisseur Burhan Qurbani (c) J. Rostek Um das Interview zu eröffnen, zeige ich Burhan Qurbani ein Flugblatt, das jüngst in Münster kursierte, zum Beispiel in den Briefkästen der Anwohner der sogenannten Bahlmannwiese. Die Bahlmannwiese ist eine Grünfläche und soll nach Plänen der Stadt mit einem Flüchtlingsheim bebaut werden. Das Flugblatt zeigt eine Gruppe vermeintlich syrischer Flüchtlinge, die auf den Betrachter zulaufen. Darunter steht in großen roten Lettern: "Rettet die Bahlmannwiese!" Der Flyer spielt auf den Bau eines Asylantenwohnheimes auf der sogenannten Bahlmannwiese in Münster an. Was denkst Du, wenn Du so etwas siehst? Burhan Qurbani: Solche Flugblatter kursieren auch in Dresden. Damit hat es auch in Rostock-Lichtenhagen angefangen. Solche Bilder sollen Angst verbreiten und den Betrachtern das Gefühl geben, sie würden von Fremden und Flüchtlingen überrollt. Das ist eine ganz seltsam feige Art, Stimmung zu machen. Ich finde so etwas schrecklich. "Bürgerliche Gegenreaktion" (c) J. Rostek Qurbani:Es gibt Rassismus, der aus der bürgerlichen Mitte kommt und der auch auf die Straße getragen wird. Kleinbürgerliche Ängste, Frustration und die Angst vor dem Abstieg bringt ihre hässlichen Töchter zur Welt und die heißen unter anderem Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Aber offensichtlich gibt es Gott sei Dank auch eine bürgerliche Gegenreaktion dazu. Kommen wir zu Deinem Film. In einer Szene spielt einer der Jugendlichen, Robbie, der besonders aufgekratzt und unberechenbar wirkt, im Wohnzimmer seines Freundes aus dem Stehgreif Klavier. Warum diese Szene? Qurbani: Ich wollte mich von einer üblichen Darstellung von Neonazis und Rechtsradikalen und den üblichen Erklärungsmustern, wie rechte Gewalt entsteht, distanzieren. Denn diese setzen oft in einem sozial schwachen Haushalt an, der dann zwangsläufig über den arbeitslosen Vater und der Säufermutter zu rechter Gewalt führt. Meine Kids sind schlau. Die kommen aus dem Bürgertum. Das sind Kaderkinder. Das sind dialektisch und rhetorisch geschulte Jugendliche. Die sind ideologisch erzogen worden, glauben aber nicht mehr an Ideologie. Wenn die aber so klug sind, warum fällt denen dann nichts Besseres ein als ein Wohnheim anzuzünden? Qurbani:Weil auch sie nur Opfer der Umstände sind. Wir wollten der Gewalt, die aus dem bürgerlichen Rassismus entwachsen ist, ein Gesicht geben. In Rostock-Lichtenhagen waren die Täterinnen und Täter eben nicht die Glatzen und die Springerstiefelträger, sondern das waren ganz normale Jungs und Mädchen. Es gibt eine Dynamik, die sich über einen ganzen Tag entfalten kann, die dazu führt, das auch normale Menschen gewalttätig werden und andere Menschen angreifen. Das ist unsere Botschaft und unser Beitrag zur aktuellen Diskussion. Sonst hätten wir auch "Die Kriegerin" nochmal drehen können und das wollten wir nicht. Ich versuche den politischen Kontext in den Hintergrund zu rücken und ihn als den Nährboden meiner Geschichten zu setzen, um dann menschliche Geschichten zu erzählen. Der menschlichste Moment in "Wir sind jung. Wir sind stark" ist dann, wenn die Jugendlichen vor dem Sonnenblumenhaus von einem Reporter interviewt werden. Endlich interessiert sich mal jemand für sie. Endlich werden sie einmal gefragt und dürfen ihre Meinung sagen. Wie schwierig ist es, einen politisierten Film zu machen? Qurbani: Es ist schwierig, weil man Gefahr läuft, zu didaktisch zu sein und mit dem erhobenen Zeigefinger zu kommen. Das ist auch ein Grund, warum wir in dem Film Jugendliche zeigen, die nicht politisiert sind. Sie verlieben sich zum ersten Mal, sind verwirrt, suchen nach Freundschaft, verlieren Freundschaft und suchen Aufmerksamkeit. Und dann nehmen sie an einem Ereignis teil, das durch und durch politisiert ist. Die Ebene der Politiker in dem Film ist deutlich als Politik erkennbar; aber auch da geht es eher um die Ursachen des Wegschauens: politische Feigheit, Opportunismus, um die Unfähigkeit im Angesicht des Schreckens zu handeln. Die Kaderkinder Stefan (Jonas Nay) und Jennie (Saskia Rosendahl): "Sie verlieben sich zum ersten Mal, sind verwirrt, suchen nach Freundschaft, verlieren Freundschaft und suchen Aufmerksamkeit." (c) Zorro Film Gibt es Regeln, die man einhalten muss, wenn man politische Zusammenhänge in einem Film vermitteln will? Auch in "Krieger ohne Feind" gehst Du ja bereits auf das Thema Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus von Jugendlichen ein. Qurbani: Das war eine Mockumentary, also eine Fake-Doku. Darin haben wir gezeigt, dass Gutmenschentum allein nicht reicht, um mit gefährdeten Jugendlichen umgehen zu können. Es ist ein utopischer Gedanke, dass man rassistische Jugendliche nur mit einem schwarzen Chorleiter zusammenbringen muss, damit sie den richtigen Pfad finden. Im Grunde ist das ein Kommentar auf die verfehlten Versuche von Resozialisierung und die Hilflosigkeit, die wir gegenüber jungen Rechten haben. Denn die Rechten sind in ihrer Organisation viel schlauer als die lokale oder kommunale Politik. Wie beurteilst Du die aktuelle Auseinandersetzung mit politischen Extremen in den deutschen Medien? Auf der einen Seite werden fremdenfeinliche Bürgerinnen und Bürger und Rechtsextreme gezeigt; auf der anderen Seite radikalen Islamisten in Szene gesetzt. Wie ist Dein Blick als Regisseur darauf? Qurbani: Als die ersten Spaziergänge der Pegida-Leute stattfanden, haben die Medien sofort draufgeknüppelt. Das hat diese Leute bestätigt. Jetzt versucht man sich der Sache anders anzunähern. Aber bisher ist ein gesundes Gleichgewicht zwischen Kritik und Dialog noch nicht gefunden. Es ist auch nicht einfach mit Menschen einen Dialog zu führen, die sich dem Dialog verweigern. Die Kritik im Film ist, dass die Politik sich rausgehalten hat und sich die Medien auf die Ereignisse von Rostock draufgeschmissen haben. Die Journalistinnen und Journalisten fanden das toll und haben, als das Haus brannte, draufgefilmt. Die haben in Rostock-Lichtenhagen sogar Licht gemacht, damit die Leute auch sehen, wie es passiert. Damals haben die Politiker sich weggeduckt, weggeschaut aus Kalkül und die Medien haben draufgeschaut, haben sich weder für die Opfer noch für die Täterinnen und Täter interessiert. Und worum geht es heute? Qurbani: Heute hoffe ich, dass man aus solchen Ereignissen lernt und andere Kommunikationswegs sucht. Es gibt keinen Königsweg im Umgang mit Pegida, aber man sollte immer wieder versuchen, sich hinzustellen und erklären, was ein Rechtsstaat ist und wie das Zusammenleben funktioniert. Man sollte die Frustration der Menschen ernst nehmen, ohne gleichzeitig Kleinbei zu geben oder sie in ihrem bürgerlichen Rassismus zu bestätigen. Denn Rassismus ist unproduktiv und löst keine gesellschaftlichen Probleme. Im Gegenteil. Vielen Dank für das Gespräch! |