So schmeckt der Sommer
WIRTSCHAFT | RESTAURANT AUS ABFALL (10.08.2014)
Von Michael Billig | |
Es gibt nur zwei warme Gerichte auf der Speisekarte. Die Gäste sitzen unter LKW-Planen und auf alten Stühlen. Der einzige Tisch im Restaurant war mal ein Bauzaun. Appetit auf mehr? Hat seinen Platz gefunden - das temporäre Restaurant "Lücke" in Weimar. (c) M. Billig Schon der Anblick ist ein Leckerbissen. Das Restaurant befindet sich in der Marienstraße in Weimar, passgenau eingeschoben unter einem Baum und zwischen zwei stattlichen Gebäuden. Dem Standort verdankt es seinen Namen: "Lücke". Sein Inhaber beweist Sinn für Humor. Doch das schmucke Restaurant aus Holz und Glas ist mehr als ein lustiger Lückenfüller. Es ist ein Appell, mit den Ressourcen unseres Planeten sorgsam umzugehen und nicht gleich alles wegzuschmeißen. Das Baumaterial etwa, aus dem die "Lücke" besteht, war zum großen Teil schon für den Müll bestimmt. Hannes Schmidt zeigt uns an einem Montag - Montag ist Ruhetag - sein Restaurant. Los geht's im Gastraum. "Lücke"-Chef Hannes Schmidt wollte den Dingen eine neue Bestimmung geben. Die Reaktionen auf sein Vorhaben fielen unterschiedlich aus. Die einen waren begeistert und suchten gleich in ihrem Hausrat nach nützlichen Sachen für das Restaurant. Sämtliche Stühle, die um den einzigen Tisch im Gastraum stehen, sind nur geliehen. Eine Produktdesignerin stellt ihr handgefertigtes Geschirr zur Verfügung. Andere lächelten süffisant, wenn ihnen Schmidt von seinen Restaurant-Plänen erzählte. Sie blieben skeptisch. Nicht selten bekam der 29-Jährige bei seiner Suche nach Baumaterial zu hören: "Wir haben nichts, woraus man ein Haus bauen könnte." Doch Schmidt wurde fündig, auf Schrottplätzen und Baustellen, in Abrisshäusern und in Lagerhallen. Mitte Juni feierte das Restaurant Eröffnung. Mehr als ein Jahr hat Student Hannes Schmidt darauf hin gearbeitet. Schmidt studiert Architektur an der Bauhaus-Universität in Weimar. Und er kocht gern. Die "Lücke" ist seine Abschlussarbeit. Ohne helfende Hände und ganz ohne Investitionen ging es aber nicht. Mit Philipp Bader übernahm beispielsweise ein Freund in der zweieinhalb Monate andauernden Bauphase die Leitung auf der Baustelle. Schmidt holte unterdessen bei Behörden die Genehmigungen für die "Lücke" ein. Außer viel Zeit steckte er insgesamt rund 10.000 Euro in sein Restaurant. Den größten Batzen hat die Kücheneinrichtung vertilgt. Auch die ist "nur" gebraucht. Der größte Glücksmoment in der Küche Hannes Schmidt kennt sich in der Küche aus. Vor seinem Studium in Weimar arbeitete er ein Jahr lang als Hilfskoch in Hamburg. Zuletzt jobbte der Student bei einem Caterer. Für die "Lücke" hat er seine Erfahrungen mit einem Praktikum in einer Restaurant-Küche noch einmal aufgefrischt. Gäste lassen es sich schmecken. Ob sie wissen, dass sie in einem Restaurant aus Müll sitzen? (c) M. Billig Zwei warme Hauptspeisen, eine mit und eine ohne Fleisch. Mittags gibt es nur vegetarisch. Salat und Desserts stehen noch auf der Speisekarte. Das wars. Was dem Baumeister Schmidt wichtig ist, gilt für ihn als Koch genauso: Bloß keine Verschwendung! Dafür wird jedes Gericht frisch zubereitet. Die allermeisten Zutaten stammen aus der Region um Weimar. Kräuter und Gemüsesorten wie Rote Beete, Mangold und Kohl baut Hannes Schmidt vor dem Restaurant selbst an. Speisen im Kräutergarten Die "Lücke" ist nur für kurze Zeit. Am 31. August öffnet sie zum letzten Mal ihre Türen. Danach baut Hannes Schmidt sein Restaurant wieder ab. Am liebsten würde er es nächsten Sommer in einer anderen Stadt wieder aufbauen. Klappt das nicht, gehen die geliehenen Sachen zurück an ihre Eigentümer und alles andere will Schmidt verkaufen. Er sagt: "Perfekt wäre, wenn es in einen Kreislauf kommt." Die "Lücke" ist noch bis zum 31. August 2014 geöffnet. (c) M. Billig |