Verzichten und frei sein
GESELLSCHAFT | GENUSS UND BESITZ (13.03.2013)
Von Boje Maaßen | |
Wer verzichtet schon gerne? Kleine Kinder sowieso nicht, Erwachsene fühlen sich eingeschränkt, und auch der Autor dieser Zeilen tut sich mit dem Verzicht schwer. Aber wäre es manchmal nicht besser, zu verzichten? Leben wir im Überfluss? Auf was kann man verzichten? (c) iley.de Die Wartung dieses Überflusses an Dingen und die Sorge um sie sind nicht nur anstrengend, sondern behindern auch ihre Aneignung. Deshalb auf das Sehen beliebig vieler Sendungen im Fernsehen verzichten und sich stattdessen auf eine oder zwei konzentrieren, damit auch etwas "hängen bleibt". Die Alternative heißt also, nicht viele Dinge zu besitzen, sondern sich viel anzueignen - nicht Quantität, sondern Qualität. Im Verzicht stecken auch Momente der Freiheit, verbesserte Möglichkeiten zum geistigen Wachstum und zur Erhöhung von Zufriedenheit. Grundsätzlich jeglichen Verzicht abzulehnen, ist ein Zeichen von kindlichem Verhalten, Denkfaulheit, vielleicht auch Angst sowie Ich-Schwäche und letztlich auch der Verzicht, eigene Interessen zu verwirklichen. Die tiefste Begründung für den Verzicht ist das Leben selbst, denn im Leben findet ständig und unabwendbar Verzicht in Form von Auswählen oder Zerstören statt: Man muss den Garten umgraben, bevor man Kartoffeln pflanzt, man muss das Grundstück erst roden, bevor man das Haus baut, man muss sich beim Kauf eines Hundes für einen einzigen aus dem Welpenwurf entscheiden, man muss auf einen Urlaub im Bayerischen Wald verzichten, wenn man stattdessen nach Spanien fährt. Verallgemeinert: Jede Handlung, soll sie gelingen, verlangt auch Verzicht im weitesten Sinne. Weil das so ist, müssen wir mit der Möglichkeit des Verzichts souverän umgehen, ihn je nach Situation überlegt bejahen oder ablehnen. |