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Zapfenstreich für den Sandkastenreformer
POLITIK | ZU GUTTENBERG (10.03.2011)
Von Frank Fehlberg
Zu Guttenberg ist nicht mehr Verteidigungsminister. Sein Rücktritt offenbarte, dass seine Selbsttäuschung und damit die Täuschung der Bürger nicht endet. Er ist nicht zurückgetreten, so seine Botschaft, sondern ihm ist im Kampfgeschehen in den Rücken getreten worden. Nun wurde der Selbstdarsteller mit dem Großen Zapfenstreich für seine Dreistigkeit „geehrt“.

Ronald Hild

Guttenbergs Nachfolger bei der Arbeit. (c) Ronald Hild

Mit der zeremoniellen Verabschiedung aus dem Amt hat Karl Theodor zu Guttenberg seine demokratieschädigende Hochstapelei auf die Spitze getrieben. Sein Fall hört sich an wie eine mittlere Berlusconieske: einem medienpräsenten und beliebten Politiker werden Verstöße gegen Redlichkeit und Recht vorgeworfen. Er streitet ab und bleibt, wird von „meinungsmächtigen“ Freunden in der Journaille blind gestützt.
Die Vorwürfe werden konkreter, der Politiker bringt – darin nicht ungeübt – ein Bauernopfer: seinen unrechtmäßigen Doktor-Titel. Schließlich wird die Empörung immer lauter und auch rechtliche Schritte scheinen unvermeidlich: Der Politiker entschließt sich zum Rücktritt, inszeniert diesen jedoch nach allen Regeln der Kunst als unverschuldeten Abgang eines rechtschaffenen großen Staatsmannes, der immer nur an seine Pflicht dachte – und lässt sich die Türen für eine einstige Rückkehr offen.
Diesen Eindruck bestätigt schließlich ein traditionelles Ehrenzeremoniell, das dem „Gefallenen“ auf Staatskosten zuteil wird. Sind wir in Italien? Nein, dieses Schauspiel stammt nicht aus der Mailänder Scala, sondern aus dem Bendlerblock in Berlin.

Gruppenreisen nach Afghanistan

Viele Landsleute, die von der Berichterstattung der Guttenberg-Claqueure noch nicht geblendet wurden, fragen sich, welcher Umstand seine militärische Verabschiedung „mit allen Ehren“ rechtfertigte. – Es findet sich auch keiner.
Seine wohldurchdachten Gruppenreisen für interessierte „Journalisten“ an die Front in Afghanistan waren nicht so uneigennützig und aufklärerisch motiviert, wie sie bei Teilen der deutschen Truppe ankamen. Vielmehr zeigten sie eine neue Qualität der Einsatz-Propaganda: der herausragende Einzelpolitiker als Einzel- und Vorkämpfer der Bundeswehr, realistisch in der Einschätzung, mitfühlend im Kriegsgeschehen, konsequent in der Pflichterfüllung. Doch diese Heldenfigur hat es nie gegeben.
Als der Minister a.D. in seiner unfassbar realitätsfremden Rücktrittsrede mit ihr seinen ganz und gar unehrenhaften Rückzug deckte, zeigte sich, dass er über den Umgang mit der Soldatenehre tunlichst keinen belehren sollte. Diese Kritik an der offensichtlich vorgespielten Guttenberg’schen Befindlichkeitsmasche ist nur der erste Schritt zur tiefergehenden Reflexion seiner Amtszeit als Verteidigungsminister.
Inzwischen wird nicht nur seine zusammenkopierte Dissertation zerpflückt, sondern auch seine viel und vor allem von ihm selbst gelobte Bundeswehrreform. Sein Amtsnachfolger Thomas de Maizière will das „bestellte Haus“, von dem zu Guttenberg bei seinem Rücktritt völlig verfehlt mit der „Adel verpflichtet“-Attitüde sprach, nicht ungeprüft übernehmen. Eine Sofortmaßnahme offenbarte dabei seine Zweifel an der Arbeit des Vorgängers: er entließ den verbeamteten Staatssekretär Walther Otremba, der bisher für zu Guttenberg maßgeblich die Reform entwarf.

Verteidigungsministerium ist „bestelltes Haus“ – von wegen

Otremba ist sozusagen ein beamtetes Urgestein auf Regierungsebene. Zu Guttenberg lernte den einflussreichen Finanzexperten während seines Zwischenspiels als Wirtschaftsminister kennen und holte ihn bald nach seinem Amtswechsel in das Verteidigungsministerium.
Otremba schrieb einst seine Doktorarbeit über „Marktzugangsbeschränkungen als Problem der Wettbewerbspolitik“. Diese ist aus heutiger Sicht wohl nicht viel hilfreicher als die verkorkste Dissertation des fränkischen Freiherrn. Außer bei Finanzminister Oskar Lafontaine (damals noch SPD) hatte Otremba (seither CDU) bezeichnender Weise keine Probleme mit den Finanz- und Wirtschaftsministern, die unter ihm dienten.
In der Finanzkrise war er maßgeblich am „Bankenrettungsschirm“ beteiligt. Er gehörte zur Riege der blassen aber mächtigen Männer im Hintergrund, die im Krisenjahr 2009 alles für die „Finanzmarkstabilität“ taten und hunderte Milliarden Euro für die Banken organisierten, für deren Überfütterung sie vorher mit einer hinreichenden Liberalisierung eben jenes Finanzmarktes gesorgt hatten.
Einer von ihnen, Jens Weidmann, soll bald neuer Bundesbankchef werden. Ein anderer, Jörg Asmussen (SPD), zeigt – wie Otremba – eine unheimliche finanzpolitische Anpassungsfähigkeit über alle gewählten Regierungen hinweg. Das mag daran liegen, dass sich die Politik unter SPD und CDU nicht wesentlich geändert hat.

Was die wirtschaftspolitischen Entscheidungen und ihre Träger im Hintergrund mit dem Verteidigungsministerium und der Guttenberg-Reform zu tun haben? Otremba war ein treuer Gefährte des Freiherrn, der sich vor allem als Vertreter einer betriebswirtschaftlich begründeten Wehrreform einen Namen und bei der Truppe unbeliebt gemacht hatte.
Es ist zu vermuten, dass er einer der zentralen Köpfe der Pläne war, die der Minister vor der angeleinten Pressemeute in gewohnter Manier als die eigenen ausgab. Heute schon beinahe vergessen ist die von zu Guttenberg eingesetzte sogenannte Weise-Komission aus dem letzten Jahr, deren Vorschläge zur Wehrreform Walther Otremba prüfen und einer angemessenen Umsetzung zuführen sollte. Unter der Führung des „Vorstandsvorsitzenden“ der „Bundesagentur“ für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, entwarfen nicht etwa gewählte Politiker die Bundeswehrreform, sondern überwiegend Vertreter wirtschafts- und finanzpolitischer Kreise. Neben Weise und dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) auch so versierte Kenner wie Jürgen Kluge, ehemaliger Manager der Wirtschaftsberatung McKinsey.

Bundeswehrreform durch Wirtschaftsberater

Was sollte bei der Begutachtung der Bundeswehr durch solch ein Gremium herauskommen? Empfehlungen, die man erwartet: Personalabbau, Auslagerung von Verantwortlichkeiten, Abbau von „Wettbewerbsbeschränkungen“ – Maßnahmen zur Erhöhung der „wirtschaftlichen Effizienz“ eben, die solche Experten jedem x-beliebigen Unternehmen unterschieben würden.
Eines steht fest: keine Reform, der sich ein Staatsmann von Ehre und Charakter rühmen würde. Wie stellte aber zu Guttenberg „seine“ Bundeswehrreform bei seinem großen Abgang dar:
„Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt. Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit verlangt: Mit Blick auf die größte Bundeswehrreform in ihrer Geschichte, die ich angestoßen habe und mit Blick auf eine gestärkte Bundeswehr mit großartigen Truppen im Einsatz, die mir engstens ans Herz gewachsen sind.“
Sein „Anstoß“ zur Erneuerung verlief nach Art des altgedienten Kalauers: „Wenn ich mal nicht weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis.“ Da half auch seine ständig bemühte Nähe zu den Soldaten nicht weiter, die er als uneinsichtiger Dauer-Hochstapler ohnehin höchstselbst desavouierte.

Die Ergebnisse der freiherrlichen Tendenz, andere für sich denken zu lassen, um dann die Lorbeeren kassieren zu können, sind für die Bundeswehr verheerend. Nicht nur die sicherheitspolitische Lage spielt für die zukünftige Ausrichtung der Truppe eine Rolle. Noch weniger die finanzielle Lage des Staates, die sich durch das Verschulden derjenigen erheblich verschlimmerte, deren Ratschläge jetzt bei der Behandlung der Folgen helfen sollen.
Auch demokratietheoretische Überlegungen stünden den Bundeswehrreformern gut zu Gesicht. Gilt nicht mehr das Primat der Politik bei solch eminenten Fragen wie der Bundeswehrreform, dann sieht es düster für die deutsche Zukunft aus. Thomas de Maizière muss es besser machen, um den Zapfenstreich, der ihn dereinst erwartet, auch zu verdienen. Die Latte hängt nach dem letzten adligen Amtsinhaber und bei dem halb eingerissenen Haus, das er hinterlässt, höher als je zuvor.
   








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