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Zapfenstreich für politische Leichtmatrosen
POLITIK | KOMMENTAR ZUR CAUSA WULFF (07.03.2012)
Von Frank Fehlberg
"Endgültig gescheitert" - so muss das Buch des nächsten "ehrenvoll" verabschiedeten Hofnarren des Regierungsbetriebs um Kanzlerin Angela Merkel heißen. Die Affäre um Christian Wulff macht einige Missstände in der deutschen Politik deutlich, darf jedoch eine Überreaktion nicht zur Folge haben: die Forderung nach der Abschaffung des Bundespräsidentenamtes.

Der Albtraum will nicht enden. Wieder will ein gevierteilter Halbstarker der Staatspolitik auch noch in allen Ehren entlassen werden. Die Soldaten des hierfür zuständigen Wachbataillons der Bundeswehr sind nicht um ihre unhaltbare Stellung im Verabschiedungskrieg gegen den Feind im Inneren zu beneiden. Als nächsten gestandenen "Staatsmann" müssen sie den gescheiterten Bundespräsidenten Christian Wulff vom Hof musizieren. Dabei sind sie sicherlich noch vom letzten angeblichen Medienopfer der deutschen Republik, Karl-Theodor zu Guttenberg, traumatisiert. Im Gegensatz zu diesem Hochglanz- Polit-Clown, der die Manege mit großem Trara verlassen durfte, hat Wulff jedoch keine Aussicht auf Wiederverwendung in der Zirkusnummer der großen Raubtiere.

Während selbst die noch lebenden Alt-Bundespräsidenten ihrem zukünftigen Klubmitglied beim Zapfenstreich die Gefolgschaft kündigen, trauern - diesmal hoffentlich schon weniger - Unbelehrbare einem weiteren überbeanspruchten Boulevard-Gesicht hinterher. Wulff hatte im Vergleich zu Guttenberg immerhin den Vorteil, dass niemand irgendeine politische Leistung von ihm erwartet hat, als er sein Amt antrat. Er sollte stillhalten und lächeln, das hat er gemacht. Das Wenige, was dem bisher jüngsten Bundespräsidenten im Amt an staatsmännischer Eigenleistung entfuhr, machte er mit seiner Laufbahn als Grinseaugust unter zweifelhaften hannoverschen Kumpanen zunichte. Zur Ehre gereicht ihm weder der Zapfenstreich noch der Ehrensold, auf die er beide trotz Rechtsanspruchs besser verzichten sollte. Wiederholt kommen wir nach zu Guttenberg der Aushöhlung des politischen Ehrbegriffs näher und sind zu einer zynischen Bestandsaufnahme der politischen Gegenwart versucht.

Der Präsident ist tot, es lebe der Präsident!

Hier sind nicht die Zeit und der Ort, eine Ode an den staatspolitischen Idealismus anzustimmen. Eine Analyse der Wulff'schen Verfehlungen ist tausendfach geliefert worden. Den vom medialen Lynchmob mit Ausdauer und Wonne recherchierten Details der Causa "Mitnahmegewinne eines ansonsten doch Anständigen" ist schwerlich etwas hinzuzufügen. Die Auswirkungen der Taten und Unterlassungen von soziopathisch anmutenden Amokläufern wie Wulff und zu Guttenberg allerdings werden unsere Republik noch lange verfolgen. Sie rumoren vorerst in sicher geglaubter Endlagertiefe, doch wenn die Zeit gekommen ist, werden wir uns erinnern, wer die Demokratie dieses Landes an maßgeblicher Stelle, nämlich in Amt und Würden, zum Schatten ihrer selbst mit abgewirtschaftet hat.

Schon jetzt fordern einige voreilige mediale Revolverhelden ohne jede demokratietheoretische Ladehemmung die Abschaffung des Bundespräsidentenamtes. So weit sind wir also gekommen. Doch denjenigen, die dem Staat und der entfremdeten politischen Klasse diese radikal-chirurgische Abtrennung eines infizierten Körperteils empfehlen, fehlt die politische Vorstellungskraft. Kann es in der deutschen Politik ein schöneres Amt geben als dasjenige des Bundespräsidenten? Nur muss mal wieder einer daher kommen, der uns allen zeigt, was man in der komfortablen Position des überparteilichen deutschen Staatsoberhauptes bewegen kann. In der persönlichen Ausgestaltung des Amtes ist zwischen Frühstücksdirektor und Führungsfigur alles möglich. Lassen wir uns nicht von Flitzepiepen und Hochstaplern verdrießen und den Sinn dafür nehmen, was möglich und vor allem notwendig ist.

Joachim Gauck ist bereits jetzt umstritten - bezeichnender Weise wegen seiner persönlichen Meinungsneigungen, nicht aufgrund ekelhafter Boulevardpräsenz und anstößiger Urlaubsorganisation. Hoffen wir, dass seine bevorstehende Wahl in der Bundesversammlung bei aller polarisierenden Debattenfreude ein Schritt in bessere Tage der deutschen Demokratie ist.
   





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