Wilhelms-Uni: Übergehen und abkürzen statt umbenennen
GESELLSCHAFT | HOCHSCHULE IN WESTFALEN (16.02.2009)
Von Michael Billig | |
Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster hat ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer Geschichte. Den 150. Geburtstag ihres Stifters und Namensgebers, Wilhelm II. (letzter deutscher Kaiser), wird die Uni heute (27.1.) geflissentlich übergehen. Wilhelm II. ist höchst umstritten. Renommierte Historiker wie der Brite John G.C. Röhl werfen ihm Antisemitismus, Kriegstreiberei und Demokratiefeindlichkeit vor. Deshalb hatte es auch mehrere Anläufe gegeben, die viertgrößte Hochschule Deutschlands, die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster umzutaufen. Alle scheiterten an der jeweiligen Uni-Leitung. Tradition wird in Münster, einst Hauptstadt der preußischen Provinz Westfalen, groß geschrieben. Der Kaiser ist offenbar aus leitenden Köpfen der Garnisons- und Universitätsstadt nicht mehr wegzudenken. Wilhelm war, das sagt auch Röhl, nicht nur Militarist, sondern auch ein Förderer der Wissenschaften. In Münster erhoffte man sich noch vor dem Eintritt ins 20. Jahrhundert die Neugründung der Universität durch Seine Majestät. Erst 1907 war es soweit: Der Kaiser kam in die Domstadt, zog zwar einen Besuch der Kavallerie dem der Uni vor, aber sei es drum, wenigstens setzte er seinen „Wilhelm“ unter die Kabinettsordre. In den Rang der Universitäten war die vormals theologische und philosophische Akademie aber schon fünf Jahre früher durch die Gründung einer weiteren, einer rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät erhoben worden. Als der Kaiser 1918 abdanken musste, hielt ihm die Universitätsleitung die Treue. Das bezeugt ein seiner Zeit internes Papier: „Rektor und Senat legen das einmütige Bekenntnis ab, dass die monarchische Gesinnung, die sie in so manchen feierlichen Treuegelöbnis ihrem allerhöchsten Begründer ausgedrückt haben, durch den Gang der politischen Ereignisse nicht erschüttert werden kann.“ Zwar hätte man sich auf die neuen Umstände einzustellen, doch solle der Name der Universität unbedingt beibehalten werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die britische Siegermacht, die den „Wilhelm“ aus den Universitätsnamen strich. Doch schon ab 1952 tauchte er wieder auf den Briefköpfen der Uni auf. Für den Münsteraner Soziologen Christian Sigrist nur ein Symptom einer restaurativen Kulturpolitik. Dass der NS-Rassenforscher Otmar Freiherr von Verschuer nach Kriegsende, woanders abgelehnt, ausgerechnet in Münster eine Anstellung fand und sogar Leiter des Instituts für Humangenetik wurde, sei ebenso symptomatisch. Was Sigrist in Sachen „Wilhelm“ kritisiert, traf lange Zeit auf das allgemeine Verständnis der Hochschule zu, mit ihrer Geschichte umzugehen: „Sie setzt auf fehlendes Bewusstsein und Nicht-Wissen.“ Erst nach Medienberichten im Jahr 2007 fiel der amtierenden Rektorin auf, dass viele Fragen zur Zeit des Nationalsozialismus und zur Nachkriegszeit an der Wilhelms-Universität noch unbeantwortet sind. Seit dem gibt es eine Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte. Das Schloss strahlt Tradition aus. Es ist der Sitz von Verwaltung und Rektorat der WWU. (c) Uni Münster Die Universitätszeitung hatte im Zuge der Debatte Umfrageergebnisse veröffentlicht, wonach ein Großteil der Studierenden einer Namensänderung ablehnend gegenüber stünde, sich der akademische Nachwuchs über den Namen der Universität sowieso nicht identifizieren würde. Der AStA jedoch spricht bewusst nur noch von der „Uni Münster“. Dazu soll es sogar einen Beschluss des Studierendenparlaments geben. Und selbst die Universitätsleitung begnügt sich größtenteils mit der Abkürzung „WWU“ und verkauft diese als Marke, um im ausgerufenen Wettbewerb um die klügsten Köpfe und größten Töpfe mitzumischen. „In diesem Wettbewerb werden wir nur bestehen, wenn wir unverwechselbar sind“, lässt sich die Rektorin der WWU Münster in einer Broschüre zum Corporate Design der Uni zitieren. Ob Vor- oder Nachteil – die Westfälische Wilhelms-Universität trägt – glaubt man John G.C. Röhl - das personifizierte Alleinstellungsmerkmal schon in ihrem Namen. Wilhelm II. sei jemand gewesen, der vor lauter Geltungssucht nur so strotzte: „Er musste immer bewundert werden und er war gekränkt, wenn diese Bewunderung ausblieb.“ Wie die Uni unter Rektorin Prof. Ursula Nelles zu ihrem Namenspatron steht, wird sich heute zeigen. Bislang hieß es dazu aus der Pressestelle schlicht: „Nichts geplant.“ |