Hindenburg spaltet die Stadt
POLITIK | KULTURKAMPF IN MÜNSTER (02.07.2012)
Von iley Redaktion | |
Im westfälischen Münster läuft ein seit Jahren zwischen Politikern, Historikern und Bürgern geführter Streit über die historische Rolle des früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg jetzt auf einen Bürgerentscheid hinaus. Er ist nicht schön, einfach nur grau. Er dient die meiste Zeit als Parkplatz. Seine prominente Lage zwischen Schloss und Innenstadt zieht alle paar Monate auch Schausteller an. Immerhin: Er gilt als einer der größten Freiplätze Europas. Doch wie soll er künftig heißen? Darüber ist in Münster ein Kulturkampf entbrannt. Traditionalisten und Rechte treffen auf Modernisierer und Linke. Der Platz, um den es geht, heißt heute Schlossplatz. Noch vor ein paar Wochen hieß er Hindenburgplatz, benannt nach dem Steigbügelhalter Hitlers. Wenn es schlecht läuft, wird er bald wieder so heißen: Der Rat der Stadt Münster hat jüngst eine Rücknahme der im März beschlossenen Umbenennung des Hindenburgplatzes in Schlossplatz abgelehnt. Damit kommt es am 16. September zu einem Bürgerentscheid über den zukünftigen Namen des Platzes. Begründet wurde die Entscheidung für die Umbenennung mit der Rolle Hindenburgs. Dieser habe 1932 ohne Not die letzte demokratische Regierung abgesetzt und Hitler zum Reichskanzler ernannt, weil er diesen gewollt habe. Hindenburg stehe außerdem für Besatzungspolitik und Hegemoniestreben während des 1. Weltkrieges, habe die "Dolchstoßlegende" propagiert und nationalsozialistischer Morde gerechtfertigt und legitimiert. Seit 1929/30 habe Hindenburg aktiv an der autoritären Verformung der parlamentarisch demokratischen Verfassungsordnung mitgewirkt und schließlich auf deren Zerstörung hingearbeitet. Expertenkommission Eine vom Ältestenrat des Rates eingesetzte Expertenkommission "Straßennamen" war 2011 zur Einschätzung gelangt, dass der Name Hindenburgplatz aufgrund der Rolle des Reichspräsidenten in der Geschichte nicht mehr zu halten sei. In einer Bürgerbefragung der Stadt waren rund 48 Prozent der Ansicht, dass es heute keinen Anlass mehr gebe, Hindenburg mit einem Platz zu ehren. Diese Umfrage sah sich allerdings heftiger Kritik ausgesetzt, weil sie gewünschte Antwort vorgegeben habe. Als Namenspatron umstritten: Paul von Hindenburg (1847-1934) (c) Wikipedia Die Bürgerinitiative "Pro Hindenburgplatz" hatte gegen die Umbenennung des Platzes ein Bürgerbegehren gestartet, das seit Ende März mehr als 15.000 Münsteraner unterschrieben hatten. Verschiedene repräsentative Umfragen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass eine große Mehrheit der Münsteraner am Namen Hindenburgplatz festhalten wollten, so die Initiative. Der Hindenburgplatz habe seinen Namen seit 85 Jahren getragen und sei als zentraler Ort der Stadt weit über Münster hinaus bekannt. Viele Münsteraner verbänden mit ihm ein Stück Heimat. Mit der Beibehaltung des alten Namens solle Erinnerungskultur bewahrt werden, statt die Geschichte einfach auszulöschen. Die drohende Rückbennung in Hindenburgplatz hat auch seine Gegner mobilisiert. Sie befürchten eine "Blamage ersten Ranges", wenn der Platz wieder nach dem einstigen Reichspräsidenten benannt werden sollte. Die Initiative "Schlossplatz!" wirbt für die Beibehaltung des neuen Namens. Die rund 280.000 Einwohner Münsters erwartet in den nächsten Wochen eine Kampagnenschlacht. Der Ausgang scheint völlig offen. Generalfeldmarschall als Namensgeber In Deutschland gibt es eine Reihe, nach Hindenburg benannter Straßen, Bauwerke und Einrichtungen. Die meisten wurden nach dem 2. Weltkrieg umgetauft. Heute existieren noch die Hindenburgbrücke, die in Hamburg über die Alster führt, der Hindenburgplatz in Hildesheim und der Hindenburgdamm, der die Insel Sylt mit dem Festland verbindet. In einigen deutschen Städten sind außerdem Parkanlagen nach Hindenburg benannt und im baden-württembergischen Bad Säckingen trägt eine Grundschule den Namen des Generalfeldmarschalls. Vor drei Jahren hat ein Gymnasium in Trier den Namen Hindenburg abgelegt. |