'Hopp Schwitz'
SPORT | UNTER VIER AUGEN (15.07.2006)
Von Tim Köhler | |
Während der WM06 entdeckten die Deutschen das gemeinsame Fußballschauen: Public Viewing. Die Spiele wurden öffentlich auf großen Leinwänden übertragen. Wir wollten wissen, wie das in der Schweiz, dem Gastgeber der EM08 aussah und haben mit Alexander Laier, einem deutschen Schweizer, gesprochen. iley: Sie wohnen und arbeiten in der Schweiz. Haben sich die Schweizer auch zum Public Viewing der WM 06 verabredet? Laier: Ich bin bereits seit fast fünf Monaten in Zürich. So wie viele Deutsche in der Heimat war auch ich auf der Suche nach einem geeigneten öffentlichen Platz, um die Spiele zu sehen. Allerdings gestaltete sich diese Suche anfangs ein wenig schwer, da hier in Zürich zwar einige kleine Open-Air Plätze geöffnet wurden und auch sehr viele Bars und Kneipen die Spiele mittels Flachbildschirmen und Beamern an die Massen brachten. Die Suche nach einer richtig großen Veranstaltung jedoch war vorerst erfolglos. Es wurden zwar einige Lokalitäten bereits im Vorfeld durch diverse kostenlose Tageszeitungen propagiert, aber leider waren diese zum großen Teil eine Enttäuschung. Die Quantität und Qualität der Fans lies zu Beginn der WM 06 noch sehr zu wünschen übrig. Jedoch verwendeten schon sehr viele Veranstalter HDTV, wodurch die Spiele in einer sehr guten Qualität gezeigt werden konnten. Aufgenommen in Zürich (c) Alexander Laier Laier: Nach einigen Gesprächen mit Kollegen und Freunden wurde schnell klar, dass die Schweizer durchaus an Fußball interessiert waren. Aber ganz anders wie im Gastgeberland wurden hier erst nach und nach die öffentlichen Plätze von Fans verschiedenster Herkunft bevölkert. Das kann allerdings auch daran liegen, dass es versäumt wurde die Lokalitäten rechtzeitig publik zu machen. Immerhin war es die erste WM in der das sogenannte "Public Viewing" so richtig populär wurde. iley: Welche Medien hätten die Schweizer Ihrer Meinung nach verwenden sollen? Laier: Dies ist keine Frage der richtigen Medien. Die kostenlosen Zeitschriften 20Minuten und heute erreichen bereits einen sehr großen Teil der Schweizer und erfahren eine sehr große Akzeptanz. Der Zeitpunkt ist ein wohl größerer Faktor. Hier ist aber die Schuld wohl eher bei den Veranstaltern zu suchen, da diese das "Public Viewing" unterschätzt haben. Das sagen auch die Zeitungsberichte nach der WM. Dort wird die Frage gestellt ob die Schweiz nicht einen Fehler bei den öffentlichen Veranstaltungen gemacht hat und ob es sinnvoll sei, sich bei der EM 08 ein Beispiel an der Organisation dieser Vorführungen in Deutschland zu nehmen. iley: Schweiz und Österreich sind der Austragungsort der Europameisterschaft 2008. Denken Sie, dass die deutsche Spiel-Organisation beispielhaft ist? Laier: Nun hierzu muss man sagen, dass es während WM zu kleineren Problemen hier in Zürich kam. Nach dem Public Viewing strömten viele Fans auf die Straße um zu feiern. Autokorsos fuhren hupend durch die Straßen. Dies führte dazu, dass die Tramstationen um das Veranstaltungsgelände nicht mehr angefahren werden konnten. Die Taxifahrer mieden zum Teil die Fanmeilen und weigerten sich dort Fahrgäste abzuholen. In der Langstraße versperrten einige Tausend Fans die Fahrbahn und feierten bis tief in die Nacht. All das gab den Organisatoren der EM 08 und der Stadt Zürich zu denken. Denn in zwei Jahren muss mit viel mehr Fans gerechnet werden, da auch Zürich selbst drei der Spiele ausrichtet. Daher bin ich der Meinung das die Schweiz, aber auch Österreich von dem Organisationstalent der Deutschen lernen kann und sollte. iley: Wurde in Deutschland zur WM 06 durch Public Viewing eine neue Form des Fernsehens geboren? Laier: Zum Achtelfinale Deutschland gegen Schweden war ich auf einem Fan-Fest in München und es war einfach nur berauschend. Die Stimmung bei einer solchen öffentlichen Veranstaltung ist für alle Fußballfans die keine Karte bekommen haben, eine echte Alternative. Ich bekam eine richtige Gänsehaut als zehntausende im Chor die einschlägig bekannten Fußballlieder und -hymnen sangen. Ein solches Feeling kann der Fußballabend daheim mit Freunden oder die Stammkneipe um die Ecke nicht erreichen. Daher bin ich der Meinung, dass diese Art der Veranstaltung eine große Zukunft hat. iley: Waren die Emotionen in der Schweiz vergleichbar mit denen in Deutschland? Laier: Nachdem ich das größte Fan-Fest der Stadt Zürich (am Bellevue) gefunden hatte, konnte man mit ansehen das sich von Spiel zu Spiel immer mehr Fans dort eingefunden haben. Je mehr es wurden desto mehr gingen auch die stillsten unter ihnen aus sich heraus und zeigten ihre Begeisterung. Man lies sich einfach mitreißen. Somit kann man von der Atmosphäre die Veranstaltung am Bellevue in Zürich durchaus mit denen aus Deutschland vergleichen. Zwar waren es Zahlenmäßig bei weitem nicht so viele Fans, am Ende der WM wurden dort insgesamt 175.000 Fans gezählt, aber dafür waren Fans der unterschiedlichsten Nationen dort um ihre Mannschaft anzufeuern. Auf Grund dieser Erfahrung kann ich sagen, dass die südländischen Fans, wie zum Beispiel Brasilianer oder Italiener, durch ihre Emotionen und ihre Leidenschaft zeigten, dass auch wenige Fans eine riesige Stimmung machen können. Aber auch wir Deutschen hier in der Schweiz haben uns bei den Spielen der eigenen Mannschaft nicht gerade versteckt. iley: Das Fieber in Deutschland hielt sogar nach dem verpassten Einzug der Deutschen Nationalmannschaft in das Finale weiter an. Wie haben die Schweizer nach dem verlorenen Spiel gegen die Ukraine im Achtelfinale reagiert? Laier: Die Eidgenossen kamen in Scharen zu jedem Spiel der Schweizer Nati (Nati = Nationalmannschaft, gebräuchliche Abkürzung in der Schweiz, Anm. der Redaktion). Was ja auch verständlich ist. Während des Spieles gegen die Ukraine waren viele in Gewinnerlaune und feuerten ihr Team mit ganzem Herzen und lauter Kehle an. Jedoch verstummten die Fangesänge "Hopp Schwitz" nach dem ersten verpassten Tor während des Penalty-Shootouts zunehmend. Nachdem die Ukraine den Sieg davon trug waren sehr viele Fans mehr als betrübt. Sie gingen schweigend aus den Kneipen und Bars nach Hause. Mir kam es vor als wäre die Stimmung der Schweizer noch einige Tage danach sehr traurig. Aber die meisten fassten sich schnell wieder und fanden sich mit der Heimreise ihrer Mannschaft ab. Denn diese wurde dann auch gleich von vielen Fans herzlich am Flughafen begrüßt. Doch die WM war noch nicht vorbei und viele Schweizer ließen es sich nicht nehmen die restlichen Spiele mit Interesse und Begeisterung zu verfolgen. iley: Werden Sie sich die Spiele zur EM08 live im Stadion anschauen oder konnte Sie das Public Viewing in der Schweiz doch für einen erneuten Besuch 2008 gewinnen? Laier: Ich werde natürlich versuchen eine Karte zu ergattern. Wenn möglich für eines der Spiele in Zürich. Aber wenn ich wider erwarten keine bekomme, so bin ich auf alle Fälle bei dem Public Viewing anzutreffen. Die Stimmung und die Menschen zur WM06 waren einfach phantastisch. iley: Wem werden Sie die Daumen drücken? Laier: Selbstverständlich werde ich der Deutschen Nationalmannschaft viel Erfolg wünschen. Hoffentlich nehmen sie ihre beeindruckenden spielerischen Leistungen aus dieser Weltmeisterschaft mit und überzeugen in zwei Jahren, wie zur EM 1996 in England. iley: Vielen Dank für das Gespräch. Alexander Laier (25) ist in Thüringen aufgewachsen und arbeitet momentan in Zürich bei Quartal Financial Solutions als Software-Engineer |