Ungeahnte Möglichkeiten für Aktivtourismus
REISE | IM GESPRÄCH ÜBER LAOS (15.03.2006)
Von Oliver Tappe | |
Jan Düker (36) unternahm mit 19 seine erste Asienreise. Bei der Schweriner Volkszeitung absolvierte er ein Volontariat. Heute arbeitet er als Reisebuchautor mit Schwerpunkt Laos. Was wir von ihm über seinen Beruf und das Land wissen wollten: iley: Jan, Du arbeitest zurzeit mit Annette Monreal an der Neuauflage Eures Laos-Reiseführers. Hat sich die erste Ausgabe schon so überholt? Düker: In Teilen schon. Nun sind die Stefan Loose Travel Handbücher auch besonders detailliert: Wir listen Preise, Öffnungs- und Fahrzeiten, eine Fülle von Unterkünften, Restaurants und anderen Einrichtungen - es ist klar, dass diese Angaben schnell veralten. Deshalb werden die Titel ja auch alle zwei Jahre aktualisiert. Seit der letzten Recherche haben sich vor allem die Tourismuszentren Luang Prabang, Vientiane, Vang Vieng und Luang Namtha sehr verändert: Busbahnhöfe wurden verlegt, Märkte geschlossen, andere geöffnet, es gibt neue Hotels, neue Lokale, neue Straßen. In manchen Landesteilen gibt es ganz neue Reiseziele. Wenn man sich anschaut, was sich schon in Berlin innerhalb eines Jahres tut, kann man sich vorstellen, wie schnell sich Laos verändert. iley: Laos ist nicht gerade der Nabel der Fremdenverkehrswelt. Warum ausgerechnet ein Reiseführer zu diesem Land? Düker: Wenn ich die Frage richtig verstehe, hieße das im Umkehrschluss, dass nur Ziele wie Mallorca, die Türkei oder Thailand einen Reiseführer verdienten. Doch gerade in Ländern, deren touristische Infrastruktur noch alles andere als perfekt ist, braucht man einen Reiseführer, der einem vor Ort weiterhilft. Ich erinnere mich daran, dass sich Touristen noch Ende der 90er Jahre an den laotischen Provinzgrenzen an- und abmelden mussten. Wer das verpasste, weil er es nicht wusste, konnte nach einer langen Busfahrt zum letzten Checkpoint zurückgeschickt werden - auch wenn das hieß, 150 Kilometer zurückzufahren. Auch andere Informationen, ob historische oder kulturelle, waren bis vor kurzem nur schwer zu bekommen. Beschriftungen in Museen waren ausschließlich auf Laotisch, es gab kaum Infos zu religiösen Stätten, zur gesellschaftlichen Etikette oder zu kulturellen Besonderheiten. Geschweige denn zu Verkehrsmitteln und Unterkünften. iley: Wie wird man vom Reisenden zum Reisebuchautor? Düker:Diese Frage wird mir auch privat hin und wieder gestellt. Es gibt keinen Königsweg. Auf jeden Fall gehören neben einer Affinität zum Reisen und Schreiben Durchhaltevermögen und Glück dazu. Den diffusen Wunsch, Reisen und Schreiben zu verbinden, entwickelte ich auf meiner ersten Asienreise mit 19 Jahren. Doch bis daraus ein Beruf wurde, vergingen zwölf Jahre, in denen ich etliche weitere Reisen, ein Geschichtsstudium und eine journalistische Ausbildung hinter mich brachte. Pures Glück war es dann, dass im Loose-Programm noch ein Laos-Titel fehlte. Als ich anfragte, wurde dafür gerade ein Autor gesucht. iley: Wie viel Liebe zum Land braucht es, um einen Reiseführer schreiben zu können? Und andererseits: Wie viel Kritik an Land und Leuten verträgt ein Reiseführer? Düker: Das ist wahrscheinlich wie bei jedem Job: Man kann ihn lustlos oder mit Liebe ausüben. Ich merke es beim Lesen eines Reiseführers immer recht schnell, ob ein Autor das Land und seine Menschen mag oder nicht. Natürlich gehört auch Kritik in einen Reiseführer. Und zwar auf allen Ebenen. Aber sie muss fair bleiben. Ein Reiseführer sollte nicht überheblich sein oder sich wie eine Reisewarnung oder ein Pamphlet lesen. Der Mekong ist die Lebensader des laotischen Volkes. Hier eine Anlegestelle in Luang Prabang. (c) Marcus Häußler Düker: Je mehr sich Laos öffnet, je mehr Angebote es für Touristen gibt, desto mehr Reisende werden kommen. Natürlich sind dem Tourismus in Laos Grenzen gesetzt, denn es ist ein Land ohne Strand. Drei Viertel der Fläche bestehen aus Bergen und Dschungel. Doch gerade diese Landschaft bietet ungeahnte Möglichkeiten für Aktivtourismus: Trekking, Rafting, Rad fahren, Tierbeobachtung. Wer weiß, vielleicht ist Laos irgendwann das Wanderziel Südostasiens. Ich verstehe die Frage auch so: Ist es für die Entwicklung von Laos gut, dass es bislang vom Massentourismus verschont geblieben ist? Sicher, denn dadurch hat das Land Zeit, sich über die Chancen und Risiken des Tourismus klar zu werden. Und es kann den Prozess steuern, wie es seit kurzem in einigen Naturschutzgebieten geschieht. iley: Laos wurde während des Vietnamkriegs von den USA schwer bombardiert, Blindgänger fordern bis heute ihre Opfer. Wie geht gerade die betroffene Landbevölkerung mit diesem traumatischen Erbe um? Düker: Schwer zu sagen. Viele Laoten müssen ja nicht nur mit den schrecklichen Erlebnissen fertig werden, sondern auch mit dem Risiko, jederzeit beim Urbarmachen eines Feldes auf nicht explodierte Sprengkörper zu stoßen. Was mich immer wieder erstaunt, ist der Pragmatismus der Leute: Da werden Bombenhälften zu Zäunen, Blumenkästen oder Futtertrögen umfunktioniert. Und einen ausgeprägten Hass auf die USA konnte ich bislang auch nicht feststellen. In letzter Zeit passieren leider wieder häufiger Unfälle mit Blindgängern, da infolge der Stahlnachfrage in China die Altmetallpreise in die Höhe geschnellt sind. Dadurch sammeln wieder mehr Leute Altmetall - mit fatalen Folgen. iley: Was bedeutet diese Situation für die Reisenden? Düker: Wir haben uns für die erste Auflage sehr mit diesem Thema beschäftigt. Die vielen Experten, die wir dazu befragt haben, sehen für Touristen keine große Gefahr. Anders als in Kambodscha gibt es in Laos nur wenige Minenfelder. Wer im wahrsten Sinne des Wortes auf den ausgetretenen Pfaden bleibt, in Zweifelsfällen lokalen Rat einholt und die Finger von vermeintlich sicherem Bombenschrott lässt, sollte keine Probleme haben. Wichtige Touristenplätze sind geräumt. iley: Ein paar Fragen zu Deinen Reiserecherchen: Von verlausten Absteigen zu Luxushotels und zurück - Überfordert das nicht irgendwann das Urteilsvermögen? Düker: Der Kontrast schärft eher das Urteilsvermögen. Schwer wird es beim dreißigsten gleich aussehenden Gästehaus. Da denkt man dann: Moment, hier war ich doch schon. Mit der Zeit habe ich einen Blick dafür entwickelt, welches die Haken einer Unterkunft sein können. Außerdem gibt es einen geistigen Fragenkatalog, den ich abhake: Matratzen, Fenster, Moskitonetze, Elektrik und so weiter. Daraus ergibt sich dann das Urteil. Natürlich fließt auch ein, ob ich die Unterkunft sympathisch fand oder nicht. iley: Wie findest du die Balance zwischen dem Geben nützlicher Hinweise und der Möglichkeit angenehmer oder unangenehmer Überraschungen, die ja den Reiz des Reisens ausmachen? Düker: Das entscheide ich aus dem Bauch. Ich glaube ohnehin, dass Reiseführer nur bedingt vor Überraschungen - ob guten oder schlechten - bewahren können. Das ist ja das Wesen von Überraschungen: Sie sind nur schwer vorherzusehen, selbst banale. Wenn ich etwa schreibe: "Im Juni ist es im Süden sehr heiß und feucht", ist man nicht annähernd auf dieses Sauna-Erlebnis vorbereitet. iley: Konkrete Warnungen, sogar explizite No-Go-Areas? Düker: Wenn das Auswärtige Amt Reisewarnungen ausgibt oder wir vor Ort feststellen, dass es irgendwo gefährlich ist, schreiben wir das. Zum Beispiel: die Straße 13 zwischen Vientiane und Luang Prabang. Kurz vor Drucklegung der ersten Auflage wurden entlang der Strecke mehrere Anschläge auf Busse verübt. Es gab mehr als zwanzig Tote, darunter auch Touristen. Die Hintergründe waren unklar. Natürlich haben wir eine Warnung ins Buch aufgenommen. Nun ist schon seit längerem nichts mehr passiert, so dass wir die Warnung abschwächen können. Ein Hinweis, vor Ort die Ohren offen zu halten, wird aber stehen bleiben. Ansonsten gibt es außer der Sonderzone Xaisomboun, einem militärischen Sperrgebiet, in das sowieso kein Tourist reisen darf, keine No-Go-Areas. Da beschränken sich Warnungen eher auf bestimmte Verkehrsmittel und Ähnliches. iley: Möglicherweise rauben Warnungen dem Reisenden spannende Erfahrungen... Düker: Reisende müssen die Warnungen ja nicht berücksichtigen. Und einige tun es auch nicht. Hin und wieder hören wir aber auch: Warum habt ihr davor oder davor nicht gewarnt? In Vang Vieng und auf den Viertausend Inseln im Süden werden seit kurzem alle möglichen Gerichte auf Wunsch mit Drogen serviert, meist mit Marihuana. Auf der Karte steht dann der Zusatz "Special" oder "Happy". Wer das nicht weiß und Hunger hat, schießt sich ungewollt in den Orbit und ist gar nicht mehr happy. Das ist einer Leserin passiert, die sich anschließend bitter beklagte, dass wir davor nicht gewarnt hätten. Nun gab es das bei unserer letzten Recherchereise noch nicht. Aber in der nächsten Auflage wird es drinstehen. iley: Komplexes Thema: Netten Leuten Touristenknete zuschanzen oder nervende Touristenströme umleiten? Düker: Da überschätzt Du unseren Einfluss. Zum einen beträgt unsere Auflage nicht mehrere Zehntausend wie bei einigen englischsprachigen Reiseführern. Zum anderen ist die Mundpropaganda unter Reisenden häufig das Entscheidende. Es spricht sich ziemlich schnell herum, welcher Ort oder Laden sich lohnt - selbst wenn ein Reiserführer versucht gegenzusteuern. iley: Provokant gefragt: Lässt du Geheimtipps geheim bleiben, vielleicht sogar als Refugien nur für dich und ausgewählte Günstlinge? Düker: Eigentlich nicht, jedenfalls nicht bewusst. Und bei der großen Anzahl an Laos-Reiseführern stünde jeder wirklich gute Geheimtipp morgen im Buch der Konkurrenz. Ich bin ja nicht der einzige, der professionell durch Laos reist. iley: Dein spektakulärstes Rechercheerlebnis? Düker: Auch wenn's langweilig ist: Spektakulär waren meine Recherche-Erlebnisse bislang nicht. Beeindruckend fand ich einen Trip mit britischen Minenräumern durch die Provinz Savannakhet; die handgroße haarige Spinne in der Gemeinschaftsdusche auf Don Det; das wütende Schnauben einer wilden Elefantenkuh keine fünfzig Schritte von mir entfernt im Naturschutzgebiet Phou Khoa Khouay; und eine Irrfahrt mit dem Moped durch die menschenleere Pampa des Phou Hin Boun Nationalparks. Da dachte ich wirklich: Hier finde ich nie wieder raus. Hab ich dann zum Glück aber doch. iley: Außerhalb der größeren Städte kommt man mit Englisch nicht weit. Wie hast du das Sprachproblem gelöst? Düker: Mit einem rudimentären Laotisch-Wortschatz. Grammatikalisch waren meine Fragen eine Katastrophe, aber verstanden wurde ich doch. Außerdem sprechen auch in abgelegenen Gegenden mehr Laoten Englisch, als man denkt. Und seit die Chance besteht, in der Tourismusbranche Geld zu verdienen, nimmt die Zahl derer, die Englisch lernen, zu. iley: Warst Du immer inkognito, oder hast Du Dir als Gastronomiekritiker auch mal einen "auf's Haus" genehmigen lassen? Düker: Um einen guten Reiseführer zu schreiben, muss man die Angebote realistisch beurteilen können. Das geht nur, wenn man behandelt wird wie alle anderen auch. Insofern war ich immer inkognito unterwegs. Allerdings ist es natürlich komisch, wenn ein Reisender in ein Gästehaus kommt, sich Adresse, Telefonnummer und Zimmerzahl notiert, mehrere Zimmer anschaut und dann wieder abdampft. Einige haben schnell gemerkt, dass ich in der Tourismusbranche arbeite. iley: Hast du die Beerlao-Brauerei besichtigt? Düker: Ja, klar. Es hat mich schon privat interessiert, wo dieses fantastische Bier gebraut wird. iley: Welches ist dein Lieblingsort in Laos? Düker: Ich habe zu viel vom Land gesehen, als dass ich nur einen Lieblingsort haben könnte. Da ich mich im Süden besonders gut auskenne, liegen die meisten meiner Lieblingsorte dort. Außer die alte Königsstadt Luang Prabang, die man einfach lieben muss, mag ich sehr das Umland von Thakhek. Die Karstkegel erinnern mich an die Landschaft in Südchina - einfach traumhaft. Und auf die Viertausend Inseln im Mekong nahe der kambodschanischen Grenze freue ich mich auch jedes Mal. Diese einzigartige Wasserwelt, diese fast schon weltentrückte Ruhe... iley: Wo gibt es das beste Laap (laotische Nationalspeise)? Düker: Ich werde mich hüten, diese Frage zu beantworten. Das muss jeder für sich selbst herausfinden. iley: In diesem Sinne, danke für das Gespräch. |