'Versetzt' besetzt
POLITIK | VOR ORT (16.02.2009)
Von Jörg Rostek | |
Aufstehen, Kaffee trinken, Zeitung und E-Mails lesen. Manchmal sind unverhofft Geldspenden im Briefkasten. Dann wird in der Küche gefrühstückt. Durch das Balkonfenster fällt der Blick auf eine Schneelandschaft: So beginnt ein Morgen in der besetzten Grevener Straße 53 in Münster. Es begann Silvester 99 Die Besetzerinnen und Besetzer des unkommerziellen Kulturzentrums "Versetzt" geben nicht auf. Seit Silvester fordern sie erneut die Verhinderung des Abrisses des Gebäudes, ein soziales Zentrum für Münster und den Erhalt preiswerten Wohnraums. Die Forderung nach einem sozialen Zentrum besteht bereits seit über acht Jahren. In der Silvesternacht 1999/2000 besetzten rund 50 Menschen "Die Häuser denen, die drin leben". Demo vor dem Rathaus in Münster. (c) J. Rostek Jeden Abend kamen annähernd 350 Menschen. Alle Veranstaltungen waren kostenlos und wurden größtenteils durch einen Soli-Beitrag finanziert. Nachdem von der Stadt Münster das Versprechen gegeben worden war, einen alternativen Raum für die BesetzerInnen zu finden, wurde die "Uppe" von der Polizei geräumt. Kurz darauf wurde den AktivistInnen das Haus Nr. 53 in der Grevener Straße angeboten und das "Versetzt" gegründet. Bis heute ist das Versprechen nach einem sozialen Zentrum nicht eingelöst. Die "Uppe" steht nicht mehr. Statt dessen klafft dort eine Baulücke. Die in Aussicht gestellten Sozialwohnungen, die dort entstehen sollten, gibt es immer noch nicht. Bis heute mahnt ein alljährliches Volleyball-Turnier, dass auf dem "Uppe-Gelände" stattfindet, die Stadt. Heimstatt für Viele Da der Stadtrat zu Münster mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen hat, die Grevener Straße abzureißen, sind zahlreiche soziale und kulturelle Projekte bedroht. Nicht nur das Kulturcafé "Versetzt" und der Verein "Ask" würden ihre Heimstatt verlieren, sondern auch der entwicklungspolitische Bildungsverein "Zwischenzeit e.V.", zwei antifaschistische Gruppen, eine Umweltgruppe, eine Rechtshilfegruppe, eine Volxküche (was warmes Essen gegen Spende bedeutet) und eine Freitagskneipe (Getränke zum Unkostenpreis). Darüber hinaus hätten weitere Gruppen und Organisationen, wie beispielsweise die Studierendenvertretung "AStA Uni Münster" und weitere ehrenamtlich arbeitende Initiativen einen Veranstaltungsort weniger. Verhandlungen laufen Am 7. Januar 2009 sprachen die Mitglieder des 2005 gegründeten gemeinnützigen Vereins "Autonomie, Soziokultur und Kommunikation" (Ask), der zum Jahreswechsel der Stadt den Haustürschlüssel abgeben musste und somit offiziell obdachlos ist, mit VertreterInnen der Münsterschen Kommunalpolitik über zukünftige Unterbringungsmöglichkeiten. Bereits vor Wochen hat "Ask" ein Konzept für alternative ausfinanzierte Räumlichkeiten vorgelegt. Das Geld zur Finanzierung eines sozialen Zentrums soll maßgeblich durch Gastronomiebetrieb, Mieteinnahmen, Spenden und kulturelle Veranstaltungen eingenommen werden. Die Stadt, so versichert "Ask", müsse sich kaum an den Kosten beteiligen. Die Solidarität wächst Mittlerweile haben sich die Parteien Bündnis90/Die Grünen und Die Linke mit den BesetzerInnen solidarisiert. Auch die SPD teilt die Meinung, dass die Häuserzeile Grevener Straße erhalten werden sollte. Der Deutsche Gewerkschaft Bund hat die Stadt aufgefordert, ihre sozialpolitische Verantwortung wahrzunehmen. Auch die hochschulpolitische Liste unabhängige Fachschaften-Forum hat den BesetzerInnen Glück gewünscht. Es ist damit zu rechnen, dass der AStA der Uni Münster bald nachzieht. Über 20 Gruppen und Vereine haben zugesagt, ein soziales Zentrum, wenn es denn entstünde, zu nutzen. Doch noch heißt es für die BesetzerInnen: Aufstehen, Kaffee trinken, Zeitung und E-Mails lesen. Und hoffen, dass sich der Bagger nicht noch weiter durch die Grevener Straße frisst. |