Räumung des seit acht Jahren besetzten Hauses in Erfurt rückt näher
GESELLSCHAFT | NACHGEFRAGT (16.02.2009)
Von iley Redaktion | |
Ein Haus auf dem Gelände der ehemaligen Firma Topf & Söhne wird seit dem 12. April 2001 besetzt. Nun soll der geschichtsträchtige Ort einem Einkaufszentrum sowie Wohn- und Geschäftsräumen weichen. Ein großer Teil des Geländes wurde bereits eben gemacht, in den nächsten Tagen läuft die vom neuen Eigentümer gesetzte Räumungsfrist ab. Wie ist die aktuelle Lage? Iley hat bei den BesetzerInnen nachgefragt. Bald steht die Räumung des von euch besetzten Hauses an. Wie habt ihr euch vorbereitet? Wir wissen gerade nicht, wann die Räumung unseres Projekts stattfinden wird. Momentan wurde uns vom Besitzer eine Räumungsfrist bis zum 15.2. gesetzt, wir vermuten jedoch, dass bis zur Durchsetzung der Räumung noch einige Zeit vergehen könnte. Um euch rechtzeitig über eine stattfindende Räumung zu informieren haben wir einen SMS-Verteiler eingerichtet, in den ihr euch per Mail an squat.ef@gmx.net eintragen könnt - gerne könnt ihr dazu auch unseren PGP-Schlüssel verwenden. Außerdem wird es in den Tagen um die Räumung ein Infotelefon geben (0162/5919379), welches euch auf dem laufenden hält. Den Ermittlungsauschuss könnt ihr unter 0174/8964345 erreichen. Wir hoffen natürlich auf vielfältige Unterstützung und Aktionen gegen die Räumung und wollen dabei den verschiedenen Aktionsformen gleichberechtigt Platz einräumen. Ihr habt in den Medien einige Aufmerksamkeit genossen (Solidarisierung von Bernd das Brot, Brand, Demos, ...). Konntet ihr dadurch mehr Zulauf im Besetzten Haus verzeichnen? Die Medienaufmerksamkeit hilft unserer Ansicht nach hauptsächlich dabei, Leute die sonst eher überhaupt nichts von Projekten wie dem unseren erfahren, dafür zu interessieren. Das sind aber oft nicht die Leute, die hier vorbeikommen und bei der Organisation im Projekt helfen. Die Medienaufmerksamkeit hilft aber schon dabei, die Entscheidung für eine Räumung zu erschweren, denn ein Projekt zu räumen, dass niemand kennt ist leichter als ein Projekt zu beseitigen, das mittlerweile in der Region doch relativ bekannt ist. Außerdem wurde in Teilen der Medien auch über unsere inhaltliche Arbeit (z.B. zu Topf & Söhne) berichtet und das kann für das Projekt ja nur gut sein. Beim Brand am 4.2.09 wurde ein Raum eines Gebäudes am Rande des besetzten Teils zerstört (c) de.indymedia.org Die Kripo hat einen falsch angeschlossenen Ofen als Brandursache ermittelt und wir sehen keine Veranlassung das anzuzweifeln. Wir sind darüber natürlich alles andere als begeistert, sind aber erstmal froh dass bei dem Brand niemand verletzt wurde. Im Übrigen ist bei dem Brand nicht "das besetzte Haus" abgebrannt, wie fälschlicherweise in manchen Zeitungen zu lesen war, sondern es ist ein Raum eines Gebäudes am Rande des besetzten Teils ausgebrannt. Die Veranstaltungsräume sind davon nicht betroffen. Laut Gerüchten habt ihr ein von der Stadt vorgeschlagenes Alternativ-Haus abgelehnt. Was waren die Gründe? Das von der Stadt angebotene Alternativobjekt ist wesentlich kleiner als das momentan besetzte Gelände. Es bietet Wohnraum für höchstens ein Drittel der hier lebenden Menschen, von genug Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Parties ganz abgesehen. Außerdem war die Bedingung einen Verein zu gründen an dieses Alternativ-Objekt gebunden, d.h. wir hätten das Gelände quasi als Verein mieten müssen. Eine Vereinsgründung steht im Widerspruch zu unserem Bemühen unser Projekt möglichst hierarchiefrei zu organiseren. Deshalb haben wir entschieden, dass ein solcher Schritt für das angebotene unzureichende Objekt nicht annehmbar war. Wie wir im Nachhinein erfahren haben, hatten die Anwohner_innen des Objekts außerdem schon angekündigt eine Initiative gegen die Nutzung durch uns zu gründen. In ziemlich jeder Stadt gibt es ein besetztes Haus. Welche Aufgaben übernimmt ein solches Projekt eurer Meinung nach? Leider ist mittlerweile ganz das Gegenteil der Fall. Fast in jeder größeren Stadt gibt es ehemals besetzte Häuser wäre eigentlich richtiger - die aktuell besetzten Projekte, d.h. Projekte die keine Miete zahlen und keine Verträge haben, lassen sich leider mittlerweile recht schnell zählen. Die Ziele und Aufgaben dieser Projekte sind relativ unterschiedlich, der Besetzt-Status sagt ja erstmal noch nichts über die Ziele der Nutzer_innen aus. So gibt es Projekte die hauptsächlich günstigen Wohnraum bieten, Projekte die kulturelle Veranstaltungen organisieren und Projekte die einen politischen Anspruch haben. Bei den meisten besetzten Projekten ist es wohl eine Mischung aus diesen drei Aspekten. In unserem Projekt geht es um Wohnraum - hier wohnen ca. 30 Menschen und es gibt einen Wagenplatz. Wir organisieren kulturelle Veranstaltungen, wie Konzerte und Parties mit dem Anspruch, möglichst keine Leute wegen mangelnder finanzieller Mittel davon auszuschließen. Neben diesen Aspekten liegt uns jedoch der politische Anspruch des Projekts sehr am Herzen - wir versuchen die Geschichte des Topf & Söhne- Geländes bekannter zu machen und bemühen uns auch generell Kritik an gesellschaftlichen Strukturen wie Sexismus, Kapitalismus, Rassismus nach außen zu tragen und zu vermitteln. Aufgrund dieses Anspruchs ist dieses Projekt aber auch ein Ort an dem Nazis nicht geduldet werden und Menschen unterstützt werden, die von sexistischen oder rassistischen Übergriffen bedroht sind. [Die Fragen wurden am 12. Februar 2009 per E-Mail beantwortet.] |