Schuss vor den eigenen Bug
POLITIK | PIRATENPARTEI (18.02.2012)
Von Michael Billig | |
Eine Meuterei ist es nicht. Aber immerhin eine Aktion, die nicht mit dem Bundesvorstand der Piratenpartei abgesprochen wurde: In einer "Erklärung der 42" sorgen sich einige Piraten, darunter der ehemalige Bundeschef Jens Seipenbusch, um die Gründungsidee ihrer Partei. Offenbar befürchten die Unterzeichner der Erklärung, dass die Kernthemen ihrer Partei im politischen Tagesgeschäft untergehen: "Die Erweiterung des piratigen Politikfeldes ist richtig und gut, solange sie umfassend und mit Sachverstand ausgearbeitet ist und sich nicht auf Schlagwörter und unreflektierten Aktionismus beschränkt." Zweifel an ihrer Politik hatten die Piraten bislang nicht. Warum auch? Umfragen zufolge hat die Partei gute Chancen, bei der nächsten Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu meistern und das deutsche Parlament zu entern. Vordenkerrolle einnehmen Dass sich die Piratenpartei auch mit Themen jenseits des Internets beschäftigt, lehnen Seipenbusch und Co. nicht ab. Sie fürchten aber um das einzigartige Profil der Partei: "Die Piratenpartei ist die einzige Partei, die sowohl die technischen, als auch die sozialen Aspekte der digitalen Revolution nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht hat. Dieses Alleinstellungsmerkmal müssen wir Piraten pflegen, konkretisieren und ausbauen." Ihre Begründung: "Der technologische Fortschritt bringt Chancen und Risiken mit sich, darunter die Gefahr eines Orwellschen Überwachungsstaats. Die Technik soll uns emanzipieren und nicht uns beherrschen. Es ist daher wichtig, dass die Piraten auf diesem Gebiet weiterhin eine Vordenkerrolle in der Politik einnehmen." Kritik am Patentrecht Konkret fordern die Unterzeichner, die sich selbst als "Gruppe 42" bezeichnen, ein Umdenken im Urheberrecht: "Öffentlich finanzierte Werke und Information sind jedem Menschen zu jeder Nutzung freizugeben." Weiter müsse das Patentrecht, das "großflächig missbraucht" werde, auf den Prüfstand. "Nicht nur werden Patente wie Waffen benutzt, um Marktmacht und Monopole zu sichern, auch werden die Patentgegenstände (z.B. Software, Gene, Geschäftsmodelle) immer fragwürdiger." Gebührenfreie Bildung, der Kampf gegen Überwachung und Zensur, mehr Mitbestimmung (durch das Internet) und die Internationalisierung der Piratenpartei zählen die Unterzeichner, zu denen neben Seipenbusch etwa auch der Chef der schweizerischen Piratenpartei Denis Simonet gehört, zu ihren Zielen. Sicher wird in den nächsten Stunden, Tagen und Wochen im Netz eifrig über den Vorstoß diskutiert. Dass der Aufwärtstrend der Piraten stoppt, davon ist momentan nicht auszugehen. Bislang eilten sie von Erfolg zu Erfolg. Vorläufiger Höhepunkt war die Berliner Senatswahl im September vergangenen Jahres. Die Piraten erhielten rund neun Prozent der Wählerstimmen und zogen ins Abgeordnetenhaus ein. Mittlerweile zählt die Partei über 20.000 Mitglieder. Die "Erklärung der 42" ist zumindest parteiintern ein Schuss vor den Bug. |