Ich bin Deutschland
KULTUR | KURZGESCHICHTE (15.05.2006)
Von Serkan Demiral | |
Der Schweiß bahnte sich seinen Weg über meine gebräunte Stirn, durchbrach die feuchte Absperrung meiner Augenbrauen, um vom nervösen Klackern meiner Plastiklatschen begleitet von meiner Nasenspitze im freien Fall auf meine Shorts zu tropfen. Es ist heiß an diesem sommerlichen Juliabend in der türkischen Mittelmeerstadt Mersin, wo ich jedes Jahr meine Ferien verbringe. Aber noch hitziger ist das Fußballspiel, das langatmig über den Bildschirm flackert. Finale. Deutschland gegen Argentinien. Die Erdnüsse sind in periodischen Ohnmachtsanfällen aufgegessen, es blieben nur noch die Fingerkuppen. Mein salziger Atem wird schwer wie Blei. "Wann is et denn endlich so weit" frage ich mich in Abständen, die immer kürzer wurden und sich zu einem tranceartigen Mantra entwickeln. Und da ?, jah!? oder??. Jawoll! Der Schiri folgt im lässigen Trab seinem Arm, der auf den Elfmeterpunkt des argentinischen Strafraums zeigt. Gewirr, Aufregung, Protest! Der Schiri übt sich Kopfschüttelnd in der Kunst der Pantomime. Brehme legt sich den Ball zurecht, läuft an und ? Tor! Tor!!! 1 zu 0 für Deutschland! Das Spiel ist aber noch nicht zu Ende. Mit flimmernden Blicken checke ich die verbleibende Spielzeit. Nur noch 5, mit der Verlängerung vielleicht 7 Minuten. Die längsten meines Lebens. Der Schweiß rennt mir nunmehr in Kältewellen über den Rücken und kühlt meinen glühenden Körper. "Kommt schon, das schafft ihr, Jungs" rufe ich gen Flimmerkasten, der reglos vor mir steht. Bange Momente. Mein Leben zieht an mir vorbei. "Oh lieber Gott, mach das es wahr wird?. Bitte! ?. Jetzt pfeif doch ab, Mann! Wat wartest du denn noch" bricht aus mir heraus. Und dann. Schlusspfiff. "Juchu! Deutschland?..Wir sind Weltmeister!" Mein Geschrei prallt an die kahlen Wänden des Zimmers und zischt durch das Fenster auf die belebte Straße. Jeder weiß Bescheid. Und da klingelt es schon an der Tür. Ich renne, bin außer Atem, will nur noch jemanden umarmen, so fest es geht. Ich reiße die Tür auf und mir springt ein "Was ist passiert, Was schreist du so?" meines Nachbarn Mehmet entgegen. "Memo, wir sind Weltmeister!" schluchze ich aus mir heraus. "Wer? Wir? Wobei?". "Na, beim Fußball. Guckst du kein Fernsehen?". Memo denkt nach "Ach so, du meinst Finale, ich versteh?". Ich machen einen großen Satz zu ihm rüber: "Ja, klar; 1:0. Was ein Spiel. Komm her Bruder, ich muss dich drücken". "Fass mich nicht an! Du?. du?.. du? Deutschländer". |