Journalismus-Abbau an der Leipziger Uni
GESELLSCHAFT | HINTER DEN KULISSEN (03.02.2011)
Von Torsten Wieland | |
Am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Uni Leipzig ist ein heftiger Streit entbrannt. Es geht um die Verteilung von Ressourcen. Die traditionsreiche Journalistik wird zusammengeschrumpft. Mitarbeiter und frühere Absolventen sind alarmiert. Der Journalismus in der Abwärtspirale - das Treppenhaus im Leipziger Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Foto: T. Wieland Eine Professur mehr für die PR Aus dem Beschlusspapier ergeben sich zwei Hauptkonfliktpunkte, die in eine Grundsatzdiskussion münden. Erstens: Nachdem die Abteilung Journalistik bereits von anderthalb Jahren eine Professur einbüßte, soll nun eine weitere folgen – und mit ihr fünf von sechs Stellen wissenschaftlicher Mitarbeiter. Zweitens: Die Abteilung von Prof. Jürgen Bentele und Prof. Ansger Zerfaß "Kommunikationsmanagement/PR" erhält dagegen eine zusätzliche Professur, eine für „Gesundheits- oder Umweltkommunikation“. Pikant dabei: Bentele ist der Dekan der übergeordneten Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie und Zerfaß mittlerweile der geschäftsführende Institutsdirektor. Sie begründen die Umverteilung damit, dass die Forschung des Instituts bislang zu wenig in das Gesamtprofil der Universität Leipzig integriert und im Hinblick auf die internationale Ausrichtung und Drittmitteleinwerbung ausbaufähig sei. Die Vertreter der Journalistik hingegen sehen eine Verschiebung der Gewichte zugunsten von Kommunikationsmanagement und PR, einer Disziplin, die aus ihrer Sicht vor allem aus Drittmittelgründen an Partikularinteressen ausgerichtet ist. Hoch aufstrebend - das Leipziger Institut befindet sich in der Burgstraße, eine der ältesten Straßen der Stadt. (c) T. Wieland Dies bringt Absolventen der Leipziger Journalistik auf die Palme. ZDF-Sportjournalistin Silke Otto und Spiegel-Reporter Alexander Osang gehören zu den 85 Unterzeichnern eines offenen Briefes an Ins^titut und Hochschule. Darin fordern sie die Rücknahme der Beschlüsse. Sie befürchten eine Austrocknung der Leipziger Journalistenausbildung. Soweit die Fakten. Wer macht hier Lobbyarbeit? In Zeiten knapper Kassen an den Universitäten, die nicht in den Genuss des finanziellen Füllhorns kommen, der mit einem Exzellenztitel verbunden ist, könnte man meinen, dass Opfer von allen – wohlgemerkt von allen - Bereichen einer Universität erbracht werden müssen. Aber im vorliegenden Fall ist die Sache vielschichtiger. Handelt es sich doch hierbei um eine Ausbildungsstätte für Journalisten, die geschröpft werden soll. Und Journalisten sind nicht irgendein Berufsstand. Journalisten haben eine bedeutende Aufgabe in einer Demokratie. Unabhängiger Journalismus agiert in einer Demokratie als vierte Gewalt – als ein Korrektiv, dass Informationen nicht nur vermittelt, sondern vor allem auch kritisch hinterfragt und einordnet. Und, der Qualitätsjournalismus in unserem Land ist auf bedenkliche Weise abnehmend. Professor Zerfaß weißt daraufhin, dass die Leipziger Journalistik keine Journalistenschule und eine Neuaufstellung der gesamten Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig unvermeidlich sei. Beides ist wohl richtig. Aber was da im Moment an der Leipziger Universität geschieht mutet mehr nach einer Machtübernahme der PR an, als nach einer fairen Austarierung aller Interessen. Die Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Journalistik wurden erst drei Tage vor dem Beschluss des Institutsrats informiert. Zerfaß, hatte zuvor in einer Mail vom Oktober 2010 das Professorium auf Verschwiegenheit verpflichtet. In einer „Richtigstellung“ vom 21. Januar 2011 fordert der Institutrat „Entscheidungen im Sinne des Ganzen (...) auf der Grundlage von Argumenten, nicht von öffentlichen Kampagnen und Lobbyingaktivitäten zu treffen.“ Journalistik-Professor Machill sieht „Lobbyingaktivitäten“ eher bei seinen Kollegen von der PR. In einem Radiointerview wirft er vor allem auch eine gesellschaftliche Frage auf: "Wohin werden eigentlich die Ressourcen gegeben? Gehen sie mehr in Richtung zielgerichtete Kommunikation und Lobby-Arbeit? Oder gehen sie in Richtung unabhängigen Journalismus, der genau diese Lobby-Arbeiten und zielgerichteten Kommunikationen aufdecken soll und für Zuschauer und Zuhörer transparent machen soll? Und das ist genau die falsche Entwicklung, die jetzt bei uns am Institut stattfindet." Am 25. Januar tagte der Fakultätsrat – auch hier ohne Journalistik-Vertreter, um über die Beschlüsse des Institutsrates der Leipziger Kommunikations- und Medienwissenschaften zu beraten. Eine Entscheidung wurde noch nicht veröffentlicht. Bei einer Annahme der Beschlüsse werden diese an das Rektorat weitergeleitet. Am Ende wird die neue Rektorin Beate Schücking entscheiden. Sie beginnt ihre Arbeit in Leipzig im März und muss nun gleich eine so gesellschaftlich relevante Entscheidung verantworten. Wünschen wir ihr einen klaren Kopf dafür, fernab von „Lobbyingaktivitäten“ und Drittmittelwünschen. |