Sascha Lobo trifft Lokaljournalist
GESELLSCHAFT | GEZWITSCHER ÜBER SOCIAL MEDIA (30.11.2010)
Von Caterina Metje | |
Auf dem Journalistentag in Recklinghausen trifft Internetpapst Sascha Lobo auf einen Redakteur der Münsterschen Zeitung. Der heißt Ralf Heimann und ist bekannt für seinen Tweet: In Neuenkirchen ist ein Kübel umgefallen. Sascha Lobo (l.) und Ralf Heimann (c) C. Metje Friendcasting ist eine Mischung aus Friends und Broadcasting. Der Begriff steht für den Trend, Freunden Texte im Internet zu empfehlen. Interessanterweise verlinken die meisten Leute Texte aus den Online-Ausgaben konventioneller Medien und nicht aus Blogs. Friendcasting ist kein digitales Cocooning: Twitter gibt treffsicherer als Google wieder, was gerade Thema ist. Twitter wird von Menschen gemacht, Google von einem Algorithmus. (Sascha Lobo) Friendcasting geht auch ohne Twitter und sogar ohne Internet, zum Beispiel, wenn der eine dem anderen beim Frühstück erzählt, was in der Zeitung steht, oder wenn der eine dem anderen im Chat erzählt, was gerade im Fernsehen kommt. (meine Meinung) Facebook ist die größte Internetseite der Welt und größer als die Nummern zwei bis 99 zusammengerechnet. (Sascha Lobo) Wir machen ja auch keine Fragestunde zum Thema „Wie viele Stunden am Tag sollte ein Journalist telefonieren?“ (Ralf Heimann) Facebook ist wie ein sich selbst aktualisierendes Telefonbuch, es erleichtert die Kontaktpflege in einer Zeit, in der manche Leute für regelmäßige Telefongespräche offenbar keinen gemeinsamen Termin mehr finden können. (Ralf Heimann) Die Kunden einer Zeitung hießen früher Leser, heute beteiligen sie sich auch selbst. (Ralf Heimann) Wenn ich in einen Zeitschriftenkiosk gehe und mir eine Heimwerkerzeitschrift raussuche und darin etwas über Treppenlifte zum Selberbauen finde, werde ich auch nicht sagen: „Zeitschriften sind vollkommener Quatsch.“ Wenn ich nur Blogs indischer Programmierer lese, werde ich auch nur was über IT Bangalore finden. (Sascha Lobo) Es gibt 500 Millionen Tweets. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich beim ersten Mal Mist erwische, liegt bei 104 Prozent. (Sascha Lobo) In der Welt der Interessantheit spielen Pressemitteilungen nur zu 0,0 Prozent eine Rolle. (Sascha Lobo) Um die Wichtigkeit von Tweets einschätzen zu können, muss man das mal mitgemacht haben. Ich werde Empfänger, um als Sender kompetent zu sein. Social Media ist laut BBC keine Spielerei, sondern ein Instrument, das man richtig beherrschen muss, sonst kann man seinen Job nicht erledigen. (Sascha Lobo) Man folgt nur denen, die man interessant findet. Idioten werden Sie löschen. Damit man als Twitterer gelesen wird, sind Interessantheit und Konsistenz wichtig. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind dagegen eher egal: Die Stiftung Warentest entbehrt nicht der Glaubwürdigkeit, dennoch werden nur Leute die Texte lesen, die sich dafür interessieren. (Sascha Lobo) In den meisten Foren des Journalistentages ging um es die ewige Frage des Journalismus: Wie und nach welchen Kriterien reduziere ich Komplexität, sortiere ich die Welt, wähle ich den Ausschnitt? Eine paar weitere Statements über Journalismus in Zeiten der Vernetzung: Jakob Augstein würde eher einen klugen Polit-Kommentator als einen fleißigen Investigativjournalisten einstellen. Wahrheit ist nicht das gleiche wie Wirklichkeit. Eine Zeitung hat es dann geschafft, wenn sie Politiker herabwürdigt und von ihnen abgekanzelt wird. Es kommt nicht drauf an, möglichst viele Follower zu haben, sondern die richtigen. Je mehr Leute sterben oder je näher ein Ereignis der Brieftasche des Wählers steht, desto eher ist es eine Nachricht. Twitter ist anders als Facebook nicht reziprok; ich kann jemandem folgen, der mir nicht folgt. Nur ein Prozent aller Internet-Nutzer in Deutschland haben einen Twitter-Account, von denen nutzen ihn nur fünf Prozent regelmäßig. Der durchschnittliche Journalist ist 18 Minuten im Monat eingeloggt. Und zum Abschluss nochmal meine Meinung: Twitter ist als Recherche-Instrument deutlich interessanter als fürs Selbstmarketing. |