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Zum Tag der Arbeit
WIRTSCHAFT | BEMERKT (15.04.2005)
Von Heinz Kobald
Die Feiern zum 1. Mai 2005 in der Bundesrepublik werden abgesagt, mangels Beteilung vorhandener Arbeitnehmer in Deutschland. Nun werden wir den 1. Mai 2005 im Ausland feiern, dort, wo unsere Arbeitsplätze hin ausgewandert sind.

Wir sind allen Arbeitsplätzen zwar noch immer nicht so schnell nachgereist, wie das Kapital hingehen konnte, um sie überall in der Welt zu errichten. - Nur nicht in dem so bürokratisierten und steuerbelasteten Deutschland mit seinem zu hohen Lebensstandard - seinen Sozialfürsorge- und Rentengesetzen. Es ist nicht zum Lachen: Der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten in Deutschland, Herr Müntefering, hat jüngst die Wanderlust und -fähigkeit des lockeren und lockenden Kapitals entdeckt.

Wir mussten erst hier unsere Wohnungen und Häuser verkaufen, die Haushalte auflösen, nennt man das. Uns sozusagen erst reisefrei machen - gepäckleicht - und sprachgewandt. -
Englisch und Französisch sind nicht mehr die Weltsprachen auf dem Arbeitsmarkt. -
Wir haben vor unserer Abreise auch noch Schnellkurse in Russisch, Japanisch, Indisch und Koreanisch bei den Volkshochschulen durchgezogen.
Bewundernswert haben die VHS auf die neue Verschiebung der Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt reagiert.

Die Beamten werden es erst später bemerken, wenn sie für uns keine Kraftfahrzeugscheine mehr ausstellen müssen. Wenn sie in die Einkommensteuer-Akten in den Finanzämtern keine neuen Erklärungen abheften können. Sondern Ansichtskarten aus China. Nicht aus dem Urlaub. Sondern als Mitteilung der neuen Anschrift. Wenn Sie wollen, können Sie ja unsere Steuerakte an das Finanzamt Saigon-Ost übersenden. Ha, ha, ha.
Wer zuletzt lacht, der hat zu lange nachgedacht. Wo habe ich das gelesen?

Deutsch war unsere Sprache zuhause in dem kalten finsteren Land nördlich des Europäischen Alpenkammes. Darunter lag das helle und lichte Italien. Dort gab es ja nie viel Arbeit, sondern nur Urlaubsstrände - die sogenannten Teutonengrille. Auf Linie gesetzte Sonnenschirm-Alleen, unter denen sich die Urlauber aus dem satten Deutschland aufführten als wären sie dort zuhause.
Bella Italia ! Ari viderci Roma !

Warum wir nicht nach Polen, in die Tschechoslowakei, oder nach Ungarn gehen?
Weil diese Länder in der Nachbarschaft von Europa bald ihren Lebensstandard ebenso hoch gehoben haben werden. Das wird auch viel schneller gehen, weil ihnen der Lebensstandard in Deutschland entgegenrutschen wird.

Und dann sind wir Konkurrenten auf der selben Ebene mit den Einheimischen - und wir sind die Fremden geblieben. Jetzt sind wir die Gastarbeiter in den Ländern, aus denen sie früher zu uns gekommen sind.

Kann sein, dass wir dann wieder von dort weggehen müssen - so wie wir die Arbeitskräfte aus diesen Ländern nicht auf unsere Arbeitsmärkte gelassen haben, solange es bei uns noch Arbeit gegeben hat.
Dann wird in den Ländern im Osten von Europa die selbe Situation eingetreten sein wie bei uns jetzt.
Die Entwicklungen laufen in unserer Zeit schneller. Es dauert nicht mehr so lange wie der Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa.

Wegen der hohen Steuerbelastung in Deutschland lohnt es sich für die Internationalen Konzerne, die Gewinne bei uns abzuschreiben, wo sie zwar keine Arbeitsplätze damit finanzieren.
Aber so kommt wenigstens das Geld herein, für uns die Arbeitsplätze im Ausland zu schaffen. Es ist sozusagen die nationale Verpflichtung für deutsche Arbeitnehmer, die Arbeitsplätze in China anzunehmen, die mit den ersparten Steuergeldern in Deutschland in Nord-China finanziert werden.

Wir ziehen demnächst in die Mongolei.
Unser Nachbar übernimmt eine Beratungsstelle bei der neuen Regierung in Kirgisien.

Ja, wenn die Deutschen aufwachen, dann aber - Welt nimm dich in Acht.

Wir sind schwerfällig geworden, wollten keine Rußfilter in unsere Dieselmotoren einbauen - wollten uns auf Mindestlöhnen ausruhen. -

Aber jetzt greifen wir an. Köhler ? Wer ist das ?

Wenn es in Deutschland keine Arbeitsplätze mehr gibt, dann ist doch die Bevölkerungsdichte auch lockerer.
Der Straßenbau kann sich verlangsamen ohne zu neuen Staus zu führen.
Schulen und Krankenhäuser können sich von ihren Belastungen mit zu viel Kindern und zu vielen Kranken erholen. In den Altenheimen werden ohnehin bald die Roboter arbeiten, die wir in Japan und Korea herstellen. Wir können leider nicht alle für die Pflege unserer Alten hier bleiben. China hat z.B. selbst genug Alte, für die es keine Jungen zur Pflege gibt.

Das wiederum entlastet z.B. die Bayerische Kultusministerin vor der Einstellung weiterer Lehrer.
Da war sie schneller als man es ihr zu getraut hätte. Das war auch dringend notwendig, denn ihr Grad der Beliebtheit ist gerade auf minus 45 gesunken. Eine Verdoppelung innerhalb einer Jahrefrist.
Also auch ihr wird durch die Verlagerung der Arbeitsplätze in das Ausland geholfen werden.

Die Lehrer haben außerdem zu ihren großen Ferien im A 9-Modell noch ein Schuljahr weniger zu unterrichten
Alles geht schneller, die Lernenden sollen ein Jahr früher in den Beruf solange es noch die Arbeitsplätze da in Bayern gibt.
Wer weiß, ein Jahr ist heute eine lange Zeitspanne.
Sylvester fällt immer mehr auf Peter und Paul im Juni. Oder auf das Sommer-Sonnenwende-Feuer.

Wenn auch die Feuer im Rheinland erlöschen, wir tragen die glühenden Kohlen auf unseren Köpfen bis nach China. Dort wird Energie gebraucht.
Ungeheuer viel sogar, so daß das Wasser in den Flüssen schon knapp wird, was für die Stromerzeugung durch die Turbinen geleitet wird.
Der Fortschritt wird so oft beschimpft.
Wenn das viele Wasser aus den Flüssen entnommen wird, Energie daraus erzeugt wird, dann bleiben auch die Überschwemmungen aus.
Wertvolle landwirtschaftliche Anbauflächen werden nicht mehr verwüstet.
Ein Erfolg der Industrialisierung und der Ausdehnung der Energiewirtschaft.

Hier in China sehen wir, wie positiv die Industrialisierung in die Abläufe der Natur regelnd einzugreifen vermag.
Den Journalisten, die nur das Schwarze anblöken, denen kann man nicht trauen.

Am 15. Mai feiern wir dann gemeinsam unseren 1. Mai zuhause.
Da reisen sie an aus Amerika, Brasilien, Peking, Kalkutta ... eben von überall, wo jetzt unsere Arbeitsplätze sind.
Wir machen aus dem internationalen Arbeiterfest ein Familienfest mit 14 Tagen Verzögerung.
Letztes Jahr hatte unsere Stammkneipe in Oberschwielenhausen von früher ein Schild an die Türe gehängt.
Besuchen sie uns in Sydney ! - Als Erklärung stand darunter, wir mußten unser Lokal wegen mangelnder Ober und Köche in Deutschland ins Ausland verlegen.
Bitte kontaktieren Sie uns vor Ihrem Besuch - wir möchten nicht, dass sie einen Flug nach Sydney umsonst buchen, weil wir nach Saigon umgezogen sind.

Wir müssen uns den Wanderströmen der Arbeitskräfte anpassen. Jede Völkerwanderung hat die Sesshaften überrollt.

Zum ersten mal erleben wir den 1. Mai in einer ganz neuen Form von Internationalität. -

"Habemus laborem!"

   








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