Neue Ministerin, altes Leid
POLITIK | NORDRHEIN-WESTFALEN (15.07.2010)
Von Michael Billig | |
Die nordrhein-westfälische Landesregierung steht, Studiengebühren hingegen sollen fallen. Svenja Schulze heißt die neue Wissenschaftsministerin in NRW. Sie will die Campus-Maut abschaffen. Studierende überbrachten vorsichtshalber ein Protestpaket. Patrick Schnepper, Jan S. Weber und Christina Schrandt sitzen in einem Café in der Düsseldorfer Innenstadt. Die beiden jungen Männer sind Studierendenvertreter des Asta der Universität Köln. Schrandt ist Geschäftsführerin des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS). Das Trio hat zu einer Pressekonferenz geladen. Außer mir nimmt noch ein Kollege von der Nachrichten-Agentur ddp diesen Termin wahr. Das Thema ist klar: Wenn es nach diesen Studis geht, soll die Campus-Maut in NRW abgeschafft werden – und zwar am besten sofort. Zur Unterstützung ihrer Forderung haben ABS und die Asten eine Postkartenaktion durchgeführt. Das Ergebnis liegt in einem Karton vor uns auf dem Tisch: 5000 unterschriebene Postkarten, die dazu aufrufen, die "linke Mehrheit zu nutzen und Studiengebühren abzuschaffen". Adressiert ist die Botschaft an drei Fraktionen im Düsseldorfer Landtag. Zwei Stunden später stapeln sich die Postkarten auf einem kleinen Tisch im Parlament. Schnepper, Weber und Schrandt haben sich mit den hochschulpolitischen Sprechern von Grünen, SPD und Linken zu einer Übergabe verabredet. Unterdessen hat die tags zuvor gekürte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in dem nur wenige hundert Meter entfernten Glasbau Staatskanzlei ihre Ministerriege offiziell vorgestellt. Ministerin früher Asta-Chefin Svenja Schulze (r.) heißt die neue Wissenschaftsministerin. Das Thema Studiengebühren fällt in ihr Ressort. Die 41-Jährige kommt aus Münster und saß bereits zwei Legislaturperioden für die Sozialdemokraten im nordhrein-westfälischen Landtag. Sie sagt, dass sie über die Bildungspolitik überhaupt erst in die SPD gekommen sei. Sie war mal Landesschülersprecherin und Vorsitzende der Jungsozialisten in NRW. 1990/91 war sie in einer ähnlichen Position wie es die Studenten Schnepper und Weber heute sind. Damals hat Schulze sich als Asta-Chefin der Ruhr-Universität Bochum für die Interessen der Studierenden stark gemacht. Nur, dass es damals noch keine Studiengebühren gegeben hat. Umso diebischer freut sich die neue Wissenschaftsministerin nun, die Campus-Maut aufs Abstellgleis zu führen. Die Frage ist nur: Wann? Und ob die Minderheitsregierung bis dahin hält, wie Patrick Schnepper sagt. "Das ist eine gefährliche Sache", pflichtet ihm Kommilitone Weber bei. Geplant ist der Gebühren-Ausstieg fürs Wintersemester 2011/12. Früher sei es nicht möglich, wie die inzwischen eingetroffenen hochschulpolitischen Sprecher von SPD und Grünen betonen. Der Grund: Sie wollen den Hochschulen das Geld, von insgesamt rund 250 Millionen Euro im Jahr ist die Rede, aus der öffentlichen Hand spendieren. Im diesjährigen Haushalt gebe es dafür keine Chance, erst 2011 könne man diesen Posten unterbringen. 2011 ja, aber bitte schon zum Sommersemester, sagt Özlem Demirel, die hochschulpolitische Sprecherin der Linken. Ihre Partei hat es in Fraktionsstärke in den Düsseldorfer Landtag geschafft, überraschend selbstbewusst tritt Demirel später bei der Parlamentsdebatte auf. Für FDP und CDU ist das Ganze eine Farce, ob Minderheitsregierung, "SED-Nachfolge-Partei" oder Studiengebühren – die schwarz-gelben Wahlverlierer ziehen in ihrer Kritik alle Register. "Lachen Sie nur", wendet sich Svenja Schulze in ihrem ersten Redebeitrag als neue Wissenschaftsministerin an die neue Opposition. "Wir stehen für ein sozial gerechtes Bildungssystem. Wir werden Studiengebühren abschaffen." Pikanterweise gehört sie zu der Partei, die 2003 mit der Einführung von Langzeitstudienbeiträgen dem Gebührenmodell erst Tür und Tor geöffnet hat. Wissenschaftsministerin damals: Hannelore Kraft. Studierende übergeben die Unterschriften gegen Studiengebühren (auf Postkarten) an die hochschulpolitischen Sprecher der drei Parteien. (c) M. Billig |