Der beobachtete Beobachter
| Er sitzt in der Bahn
Still, stumm,
Die Jacke bis über den Mund gezogen.
Verschränkt, die Arme vor der Brust
Regungslos
Nur die Augen sind wach
Schauen, Schematisches Suchen, Fixieren
Nichts entgeht ihm
Die beiden Halbstarken, blödeln,
bespucken sich mit Perlen aus Süßigkeitenautomaten
Kinder – dick der eine, Torte genannt von dem anderen
Schlank, mit schiefen Zähnen.
Die Augen wandern
Eine Frau, in einem Buch lesend,
Versunken
Die Lippen formen die Worte
Die Hand ruht auf ihrer Tasche, wie zum Schutz
Vor dem Blaumann vielleicht?
Sein Träger schnäuzt lautstark, graue Flecken auf der Hose
Und im Gesicht – er kommt von der Arbeit.
Ein Blick nach rechts
Zu der Brünetten, kurzer Rock
Studentin offensichtlich
Telefonierend, errötend,
Das Lächeln verschwindet
Auflegen – neu wählen, mit der Freundin reden
Worte wie ein Schwall
Tolle Beine
Einatmen – Ausatmen
Die Augen finden wieder die Kinder
Ein Tauschgeschäft – Basecap gegen 3 Aufkleber
Zufriedenheit auf beiden Seiten
Zufriedenheit erfasst auch den Beobachter
Nichts entgeht ihm, sieht alles
Urteilt, versucht zu deuten
Gibt nichts von sich preis
Ein Lächeln unter der Jacke
Unsichtbar für andere
Ein Blick auf die Beine,
Den Arbeiter, die Frau blättert um
Daneben ein Augenpaar
Auf ihn gerichtet
Durchdringend
Er hat das Gefühl alles von sich Preis zu geben.
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Von Ronald Hild
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