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Erasmania - ein Trend?
GESELLSCHAFT | MITGEMACHT (15.10.2006)
Von Julia Schüler
Die Marburger Studentin Jule (21) sitzt an ihrem Schreibtisch und betrachtet einen Fotohalter, der die Gesichter ihrer fünf liebsten Freundinnen hält. Nicht zum ersten Mal stellt sie fest, dass drei davon sich gerade mit dem bekanntesten Studienaustauschprogramm Erasmus in Frankreich, Norwegen und Schweden aufhalten.

European Commission, Directorate General for Education and Culture

(c) European Commission, Directorate General for Education and Culture

Das war nicht besonders ungewöhnlich; sie selbst war vor nicht allzu langer Zeit von einem Studiensemester in Schweden zurückgekehrt und einige ihrer Kommilitonen studierten dieses Semester nicht in Marburg. Nicht neu waren auch die Fragen, die ihr jetzt in den Sinn kamen: War es schon früher so beliebt gewesen, mit Erasmus im europäischen Ausland zu studieren? Oder entwickelt sich da ein Trend, eine so genannte "Erasmania", womöglich im Jahre 2002 ausgelöst durch diesen Film "L'auberge espagnole - ein Jahr in Barcelona"?
Warum gehen anscheinend immer mehr Studierende für ein oder zwei Semester ins Ausland, insbesondere ins Europäische? Dient der Student aus Paris, dessen Auslandsjahr in Barcelona nicht nur seine Spanischkenntnisse aufbessert, sondern sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen scheint, tatsächlich als Vorbild?

Sie beschließt, den Fragen endlich einmal auf den Grund zu gehen. Es dauert nicht lange, bis ihr die Internetseite der Europäischen Kommission überraschenderweise verrät, dass es bereits im Jahre 1987 die ersten 2000 Erasmusstudenten gab. "Von wegen neumodischer Trend", denkt Jule kopfschüttelnd - das Programm wird nächsten Sommer genau 20 Jahre alt. Ihre Verwunderung wächst, als sie außerdem feststellt, dass die Anzahl der Erasmusstudenten seitdem fast immer kontinuierlich gestiegen ist: 2002, als "L'auberge espagnole" auf den Markt kam, waren es 105 000, im vergangenen Jahr 120 000. Sie haben entweder in einem der 25 EU-Mitgliedsstaaten oder in Island, Liechtenstein, Norwegen, Bulgarien, Rumänien oder in der Türkei gelebt. Der Unterschied wirkt im Vergleich zu den Vorjahren nicht besonders hervorstechend. "Vielleicht", spekuliert Jule, "hat der Film motiviert oder bestätigt, aber eine Ursache für die 'Erasmania' war er bestimmt nicht".

Einen kleinen Teil des Studiums ins Ausland zu verlagern, scheint dennoch immer gängiger zu werden. Xavier, der Pariser Filmheld, wollte in Barcelona aus beruflichen Gründen nur Spanisch lernen und das schien ja ganz spielerisch zu funktionieren, inmitten all den Partys und Liebesdramen, die er da erlebt hatte. Jule steht auf, geht zu ihrem Bücherregal und zieht ihr selbst gebasteltes Fotoalbum hervor, in das sie Fotos von ihrem Erasmusaufenthalt geklebt hat. Sie erinnert sich, dass sie vor allem fließend Schwedisch sprechen und natürlich möglichst viele Einheimische und alles damit zusammenhängende Kulturelle näher kennen lernen wollte. Natürlich trafen die meisten Dinge nicht so ein, wie sie es sich gewünscht hatte. Anstelle von schwedischen Studenten hatte sie es tagtäglich (un)gewollt mit zahlreichen anderen Erasmusstudierenden zu tun. Diese waren zum Großteil aus Deutschland, Österreich, Italien, Spanien und Frankreich angereist. Die wenigsten davon schienen so motiviert, Schwedisch lernen zu wollen wie sie; lieber Englisch und viele neue Leute, mit denen dann auch exzessiv gefeiert wurde. Ohne Zweifel hatte sie in Linköping und mit ihrer Mitbewohnerin aus Finnland die bisher besten Parties erlebt.

Eigentlich fassten die Worte der ErasmusStudentNetwork-Vorsitzenden, Teresia Almgren, die allgemeine Motivation der Erasmusstudenten am besten zusammen: "You have had time to meet lots of new friends, travel, learn Swedish (?, Anm.d.Verf.) and go to many, many parties.?

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