Über den 'akademischen Kapitalismus'
KULTUR | LEKTÜRE von Richard Münch (07.02.2010)
Von Jörg Rostek | |
Wie der 'akademische Kapitalismus' entstand und was er für Forschung und Lehre bedeutet, erklärt der Soziologe Richard Münch in seinem eindrucksvollen Buch "Globale Eliten, lokale Autoritäten - Bildung und Gesellschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey und Co". In den Bildungseinrichtungen macht sich der Kapitalismus breit. Längst sind Schulen und Hochschulen keine staatlich geschützte Sphäre mehr. Zunehmend regeln Angebot und Nachfrage die Verteilung von Forschung und Lehre. Bildung ist nicht mehr allgemeines Gut, sondern eine Ware, die einen Preis hat und die es zu verwerten gilt. Richard Münch lehrt an der Universität Bamberg. (c) www In dem 2009 erschienen Buch von Reinhard Münch geht es nicht nur um die theoretischen Grundlagen des Umbaus der Bildungseinrichtungen und die Veränderungen im Einzelnen, sondern auch mit welchen Mitteln der Kampf zwischen konservativen Traditionalisten und neoliberalen Revolutionären geführt wird. Münch folgt der Transformation der Institutionen zurück zu ihrem Ursprung. Er zeigt die Tricks der Reformer auf, mit denen sie Sachzwänge konstruieren, widerlegt ihre Versprechungen und beschreibt die negativen Folgen einer historisch Entwicklung. Dabei ist es Münchs Betrachtung von lokalen und globalen Akteuren, welche sein Buch lesenswert machen. Er holt die Frage, wie die Globalisierung das Leben der Menschen beeinflusst, wie die Lebensverhältnisse weltweit vereinheitlicht werden in die Debatte zurück. Münch beleuchtet das politische Spiel zwischen Hochschulen, Verbänden, Studierendenorganisationen, Rektorenkonferenzen und OECD soziologisch und er erklärt, warum der Umbau der Bildungseinrichtungen in den vergangenen Jahren derart an Fahrt gewinnen konnte. Ökonomischer Rationalismus eingekehrt Grundlegend für Münch ist die These, dass das ökonomische Denk-, Organisations-. und Handlungsschema keineswegs durch Leistung und Effizienz überzeugt. Es seien eher die traditionellen Strukturen, welche von der globalen Politikebene aus angegriffen und als ineffizient dargestellt würden. Da die herrschende "ökonomische Weltkultur", der Weltgeist von "McKinsey und Co." festlege, nach welchen Kriterien Effizienz gemessen werde, könne sie tief greifende Veränderungen bewirken. Durch Steuerungsinstrumente wie die Neue Institutionenökonomik, erhalte der ökonomische Rationalismus Zugang. Anhand der Politikinstrumente wie Bologna-Prozess, Exzellenzinitiative, Wettbewerbsprinzip und Studiengebühren macht Münch deutlich, welche Nebenwirkungen sich zeigten: Wissen werde monopolisiert, Kulturwissenschaften dienstbar gemacht, Bildungsangebote homogenisiert und die soziale Selektion ausgebaut. Verhältnisse wie im Profifußball Mittlerweile, so Münch, sehe die deutsche Bildungslandschaft aus wie die Englische Premier League: Bewertet und in einer Bundesligatabelle aufgereiht müssten sich die Hochschulen einem Wettbewerb stellen, der nur von den Kapitalstarken gewonnen werden könne. Den Elitehochschulen sei es möglich, Spitzenpersonal zwecks Publikationsakkumulation von anderen Hochschulen (Fußballclubs) abzuwerben, ihren Konkurrenten Spielregeln vorzudiktieren und so ihre Machtstellung weiter bis ins Unerreichbare auszubauen. So entstünden Kartellstrukturen, deren Ziel nicht wissenschaftliche Erkenntnis und Vielfalt sei, sondern die Steigerung von Profit und Marktmacht. Durch ihr hohes Kapital und den damit einhergehenden Mangel an Chancengerechtigkeit sei es auch bald deutschen zu Unternehmen gewordenen Hochschulen möglich, innerstaatlich ihren Renditevorteil dazu zu benutzen, kleinere Hochschulen auszustechen und zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen. Politische Kämpfe in hybriden Institutionen Die globalen Eliten, welche die Umgestaltungskriterien vorgeben, seien zwar bisher unangreifbar und hätten Definitionsmacht, die lokalen Akteure seien allerdings gut vernetzt, seien alteingesessene Lobbyverbände und verstünden es, mit weiteren Interessengruppen Allianzen einzugehen. So entstünden Bildungseinrichtungen, Hybride, die zwei Seelen in einer Brust hätten, Schulen und Hochschulen, welche Merkmale neoliberaler und traditioneller Denkweise aufwiesen. In diesen würden Anhänger beider Denkrichtungen die politische Auseinandersetzung weiterführen. Laut Münch würden zwar einzelne Scharmüzel mal von Neoliberalisten, mal von Konservativen gewonnen, der politische Kampf sei aber noch lange nicht vorbei. Richard Münch: Globale Eliten, lokale Autoritäten - Bildung und Gesellschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey und Co, Suhrkamp, 13 Euro |