Der Realo
POLITIK | KONRAD HAENISCH (19.12.2013)
Von Frank Fehlberg | |
Konrad Haenisch war wegen "sozialistischer Geheimbündelei" vom Gymnasium geflogen. Vom Parteilinken und Kriegsgegner wandelte er sich 1914 zum Verteidiger des Burgfriedens aller Klassen. Seine Parteikarriere hatte er bei der Leipziger Volkszeitung begonnen. Konrad Haenisch brachte es bis zum preußischen Kultusminister. (c) Wikimedia An der Universität Leipzig besuchte er Vorlesungen über Geschichte und Volkswirtschaft, sein parteipolitisches Engagement verband er zeitlebens mit einem regen Interesse am kulturellen Leben. Auf das Volontariat bei der LVZ folgte ab 1898 eine Reihe von Mitarbeiten bei sozialistischen Zeitungen in Ludwigshafen/Pfalz, Dresden und Dortmund. Hier wurde er aufgrund seiner politischen Pressearbeit zu neun Monaten Haft verurteilt. Haenisch zog es wieder nach Sachsen, wo er von 1905 bis 1907 unter dem Chefredakteur und Parteihistoriker Franz Mehring Gegen die innerparteilichen Befürworter eines gesellschaftlichen Reformweges um Eduard Bernstein bezog er gemeinsam mit Rosa Luxemburg die marxistisch-revolutionäre Position. 1911 wurde er vom Parteivorstand als Leiter der zentralen Flugblatt- und Agitationsstelle eingesetzt. Schließlich wurde er 1913 in das Abgeordnetenhaus des Preußischen Landtages gewählt, dem er bis 1924 angehörte. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 orientierte er sich an den Parteilinken von Mehring bis Karl Liebknecht und sprach sich zunächst gegen die Zustimmung der SPD für die Kriegskredite aus. Gegen die "Knutenherrschaft" des Zaren Anders als etwa Liebknecht änderte Haenisch jedoch unter dem Eindruck des "Augusterlebnisses" seine Meinung. Vor allem den Umstand, dass das Deutsche Reich "von Osten her", von Russland als Hauptfeind angegriffen worden war, führte er als Grund dafür an. Als Hort des "Despotismus" und der "Knutenherrschaft" des Zaren sei Russland schon immer "politisch und kulturell" der "Feind" der "mitteleuropäischen Sozialisten" gewesen. Haenisch argumentierte als kundiger Marxist, wenn er "wie alle großen Sozialisten der Vergangenheit, Karl Marx und Friedrich Engels nicht weniger als Wilhelm Liebknecht und August Bebel", den Feind der deutschen Arbeiterbewegung im Reich des Zaren sah. Als Mitglied der "Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe" trat der ehemalige Antirevisionist nun für einen positiven sozialdemokratischen Staatsgedanken ein, wie ihn Parteigründer Ferdinand Lassalle vertreten habe. Paul Lensch, sein langjähriger Parteifreund aus Leipzig und ehemaliger LVZ-Chefredakteur, prägte den Begriff "Kriegssozialismus", mit dem er den Weltkrieg als Weltrevolution verstand und damit die Neuorientierung ebenfalls marxistisch begründen wollte. Kurt Schumacher, der erste Vorsitzende der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg, gestand Haenischs Buch "Die deutsche Sozialdemokratie in und nach dem Weltkriege" von 1916 zu, "die populärste Leistung des ‚Neumarxismus‘" zu sein. Schumacher selbst wurde 1920 bei dem in der Gruppe um Haenisch einflussreichen Soziologen Johann Plenge über den "Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie" promoviert. In der Novemberrevolution 1918 wurde Konrad Haenisch Kultusminister in Preußen. Bis 1921 stieß er Reformen im Schulwesen an, welche die alten Strukturen etwa durch Abschaffung der kirchlichen Schulaufsicht und durch Schüler- und Elternmitbestimmung lösen sollten. Als Regierungspräsident in Wiesbaden ab 1923 setzte er sich für die deutsch-französische Versöhnung ein. 1924 gründete er das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold mit, das die demokratischen Kräfte zur Verteidigung der Weimarer Republik sammeln sollte. Daten: * 14. März 1876, † 28. April 1925, Publizist, Preußischer Kultusminister 1918-1921, Mitglied des Preußischen Landtages (1913-1924), SPD (1894-1925) |