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National University of Laos FC vs. Ministry of Interior FC
SPORT | GROUNDBERICHT (15.06.2008)
Von Oliver Tappe
Die Quecksilbersäule erreicht 35 Grad im Schatten, auf den Stehplätzen im gleißenden Sonnenlicht lassen sich Spiegeleier braten. Nicht gerade optimales Fußballwetter. Dennoch werden an diesem Sonntag die Spiele ausgetragen – im einzigen Stadion der gesamten laotischen 1. Liga gleich mehrere nacheinander. Das ist praktisch. Es kommen eh alle Teams aus einer Stadt.

Heute stehen sich National University of Laos FC und Ministry of Interior FC gegenüber. Den Einmarsch der Teams begleitet blecherne Triumphmusik. Kaum 50 Schlachtenbummler kauern unter dem schützenden Dach der kleinen Sitzplatztribüne. Der Rest des Nationalstadions ist verwaist. Sonnenbaden ist unter Laoten alles andere als ein Volkssport, schon gar nicht zur heißesten Jahreszeit kurz vor dem Monsun.

Beamte, Soldaten und Journalisten gegeneinander

Die Zahl der Zuschauer steigt bis zum Anpfiff auf 200, was aber bei weitem keine Platzprobleme bedeutet. Im Laufe des Tages werden sie auch noch andere Mannschaften zu sehen bekommen. Bei der 1. Liga in Laos handelt sich um eine bessere Betriebssportliga mit so wohlklingenden Namen wie Army FC, Lao Journalists’ Association FC, Ministry of Communications und Transport, Post and Construction FC (CTPC) – alles Teams aus der Hauptstadt Vientiane.

Tappe

Balljungen im Nationalstadion von Vientiane. (c) Tappe

Das Spiel zwischen dem Innenministerium und der Universität ist sehr einseitig, bereits nach 20 Minuten steht es 2:0. Während auf der Tartanbahn einige Bühnenarbeiter noch die Stahlrohrkonstruktion des gestrigen Lao-Pop-Konzerts abbauen, rollt mit sauberem Kurzpassspiel vorgetragen Angriff auf Angriff in den Strafraum der Studenten. Aufgrund der beruhigenden Führung lassen die Inneren inzwischen jedoch die letzte Konsequenz vermissen. Bezeichnend eine Szene in der 37. Minute: Der flinke Mittelstürmer trifft frei vorm Tor nur die Lattenunterkante, den Nachschuss donnert er unbedrängt und schlampig in die nicht vorhandenen Wolken.

Schnapper des Innenministeriums beschäftigungslos

Kurz vor dem Pauspfiff dann aber doch das überfällige 3:0 durch einen lässigen Lupfer über den Torwart. Wie schon in vielen Spielsituationen zuvor mussten die Zuschauer hier den Eindruck gewinnen, dass die konzentrierte Abwehrarbeit an der Uni offensichtlich im Lehrplan fehlt. Doch auch in der Offensive mangelt es den Studenten an Durchsetzungsvermögen: Angriffe verpuffen bereits im Spielaufbau, so dass der Torwart des Innenministeriums weitgehend beschäftigungslos in der Sonne dahinvegetiert. Im Gegensatz zu den Balljungen und dem schläfrigen Pressefotograf hat er keinen so dekorativen, vom Hauptsponsor bereitgestellten Beerlao-Sonnenschirm.

Laos ist ein so genanntes Fußball-Entwicklungsland, aber ohne echte Chancen auf Entwicklung. In diesem Jahr ist es auf Platz 190 der FIFA-Weltrangliste abgerutscht, nur noch die Fußballer vom Dominica und der Amerikanischen Jungferninseln sind schlechter. Laos' erfolgreichster Schütze aller Zeiten ist Visay Phaphouvanin mit bescheidenen zehn Länderspiel-Toren. Noch nie hat die laotische Nationalelf ein großes internationales Turnier erreicht. Bis in die 1990er Jahre hinein hat man der politischen Isolierung geschuldet nicht einmal an der Qualifikation für Asien- und Weltmeisterschaften teilgenommen. Für die Turniere 2002 und 2006 kam Laos nicht über die 1. Gruppenphase hinaus. In sieben Qualifikationsspielen für die Sommermärchen-WM in Deutschland gelangen den Laoten immerhin drei Tore, allerdings bei 36 Gegentoren. Ein 0:0 gegen Sri Lanka war das beste Resultat. Südafrika 2010 hat man erst gar nicht in Angriff genommen.

Unmotivierter Stadionsprecher

In der zweiten Hälfte zwischen dem Ministerium und der Hochschule ändert sich nicht viel. Ein schneller Gegenstoß führt in der 50. Minute zum 4:0. Zehn Minuten später die erste wirkliche Torchance der Studenten: Nach einer schönen Einzelaktion streicht ein scharf geschossener Ball knapp am Aluminium vorbei. Für Aufregung oder Begeisterung ist es jedoch zu heiß. Die Zuschauer verfolgen apathisch das Geschehen. Auch der sonst zu Späßen aufgelegte Stadionsprecher, der vor allem bei verschossenen Elfmetern gerne einen Spruch raushaut, gibt lediglich unmotiviert die Torschützen durch.

Auf der Tartanbahn absolvieren die Protagonisten des anschließenden Spiels gemächlich ein abgespecktes Aufwärmprogramm. Derweil fallen die nächsten Tore wie reife Äpfel. In der 77. Minute wieder ein Lupfer über den ratlosen Torhüter nach feinem 40-Meter-Diagonalpass, in der 85. Minute ein eiskalt und humorlos abgeschlossener Konter durch den in Auflösungserscheinungen begriffenen Defensivverbund der Studenten. In der 88. Minute macht ein weiterer schneller Konter mit dem 7:0 das Desaster für die Universität komplett. Mit dem selben Ergebnis war die Nationalmannschaft von Laos in ihrem allerersten Länderspiel unterlegen gewesen - am 21. Dezember 1961 in Rangun (Birma) gegen Südvietnam.

Nach Spielschluss trotten die Spieler einträchtig vom verdorrten Feld, setzen sich mit ein paar Wasserkannen in den Schatten und verfolgen abgekämpft die nächste Partie: Vientiane Capital gegen CTPC, deren voller Mannschaftsname nicht auf die Anzeigetafel passen würde...
   






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