Randale wegen 9000 Pfund Studiengebühren
GESELLSCHAFT | GROSSBRITANNIEN (11.11.2010)
Von iley Redaktion | |
Studenten in Großbritannien sollen bis zu 9000 Pfund Studiengebühren zahlen. Zehntausende haben gegen diesen Plan der Regierung in London demonstriert. Der Marburger Student Moritz Schmidt ist angesichts der heftigen Proteste überrascht. Er kennt die Briten und meint im Interview mit iley: Sonst geht es gesitteter zu. Wie hast Du von den Protesten in London erfahren? Moritz Schmidt: Ich interessiere mich schon seit ein paar Jahren für die Proteste gegen die zunehmende Privatisierung von Bildung auf der ganzen Welt und versuche im Rahmen der unabhängigen Plattform "International Student Movement" zu einem aktiveren Informationsfluss, Austausch und einer besseren Vernetzung der einzelnen Gruppen weltweit beizutragen. Da habe ich viele Kontakt aufgebaut und bin gut vernetzt. Dann kannst Du uns sagen, gegen was sich die Proteste auf der Insel konkret richten. Wie so oft bei Protesten haben sich auch in London mehrere Gruppen eingebracht. Es ging vielen darum, ihren Unmut über die angekündigten Kürzungen im öffentlichen Hochschulbereich von bis zu 80 Prozent und über die angedrohte Verdreifachung der Studiengebühren zum Ausdruck zu bringen. Es gab auch einige tausend Anwesende, die sich grundsätzlich für freie Bildung ausgesprochen haben oder das Wirtschaftssystem in Frage stellen. Eine Verdreifachung der Studiengebühren - wie hoch ist die Campus-Maut auf der Insel derzeit und wer ist davonbetroffen? Es gibt für öffentliche Einrichtungen zurzeit noch eine Begrenzung, pro Jahr bis zu 3000 Pfund Studiengebühren zu erheben. Davon sind so gut wie alle betroffen. Es heißt, die Geistes- und Sozialwissenschaften seien besonders betroffen. Es wird angestrebt, dass sich Fakultäten nur noch durch den Erwerb von Drittmitteln über Wasser halten. Fachbereiche, die nicht im Interesse potentieller finanzkräftiger Mittelgeber stehen, sind somit weitaus stärker von den Kürzungen betroffen und von der Schließung bedroht. Kritische Wissenschaft ist selten finanziell profitabel. 50.000 Menschen haben am MIttwoch in London protestiert. Es war die größte Demo seit mehr als zehnJahren in der englischen Hauptstadt (c) Adam Insam / UPSU Erst hieß es, es gebe keinen Protest. Jetzt waren 50.000 Menschen auf der Straße. Hat Dich die große Anzahl überrascht? Ich bin zwar nicht in Großbritannien, aber ich weiß, dass ungefähr 25.000 Menschen erwartet wurden. Dementsprechend scheint die Problematik mehr Menschen zu beschäftigen, als viele vorher vermuteten. Die Entschlossenheit der Proteste hat mich positiv überrascht. Dies ist eher untypisch für die Protestkultur, wie ich sie bisher in Großbritannien beobachtet habe. Häufig geht es gesitteter zu und es wird sich auf Petitionen und Apelle beschränkt. Diesmal wurde die Parteizentrale der Konservativen gewaltsam attackiert. Warum richtet sich der Protest speziell gegen die Tories? Einerseits sind die Tories maßgeblich an der Regierung beteiligt und werden somit von vielen, auch wenn ich das zu kurz gegriffen halte, für die Kürzungen der öffentlichen Mittel und Erhöhung von Studiengebühren verantwortlich gemacht. Andererseits könnte es auch sein, dass einfach nur ein Angriffspunkt gesucht wurde. Es war nur wenig Staatsmacht vor Ort und da kann es sein, dass sich die Protestierenden spontan auf das Gebäude geeinigt haben. Wie geht es in Großbritannien nun weiter? Seit heute werden an der Universität von Manchester mehrere Teile der Hochschule von Studierenden besetzt gehalten. Und in den nächsten Tagen wird es Treffen an Hochschulen in ganz Großbritannien geben, bei welchen genau diese Frage besprochen wird. Einige Gruppen überlegen bereits im Rahmen der "Global Wave of Action for Education" sich am 17.November an weltweiten Protesten zu beteiligen. Für den 24. November is außerdem ein Aktionstag angedacht. Vor ungefähr einem Jahr hat es Österreich eine Protestwelle der Studierende gegeben. Die schwappte dann über die Alpen nach Deutschland herüber. Ist wieder damit zu rechnen? Das ist schwer vorherzusagen. Es hängt stark von dem Bewusstsein für die Notwendigkeit des gemeinsamen Agierens auf globaler Ebene ab. Die Protestwelle letzten Jahres ist nicht zufällig entstanden. Es war sowieso ein Protesttag seitens des "Bundesweiten Bildungsstreik" geplant. Somit waren viele Aktive schon auf Proteste eingestellt und haben die Dynamik in Österreich genutzt, um auch vor Ort Menschen zu mobilisieren. Das ist aktuell nicht der Fall. Aber bei der "Global Wave of Action for Education" finden weltweit Proteste statt. Die nächsten massiven Proteste für freie Bildung werden in den nächsten Tagen auf den Philippinen erwartet. Zu Eurem Kampf für "freie Bildung" – Geht es da auf den Philippinen nicht um ganz andere Dinge als beispielsweise jetzt in Großbritannien? Eigentlich nicht. Die Symptome sind sich sehr ähnlich. Letztendlich geht es um den freien Zugang zu Bildung für alle. Es gibt die internationale gemeinsame Erklärung, welche inhaltliche Grundlage der "Global Wave" ist. Unterzeichner sind Gruppen aus aller Welt. Vielen Dank für die Antworten! Die Fragen stellte Michael Billig. |