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Ich wär so gerne Millionär
WIRTSCHAFT | GELESEN Wir sind jung und brauchen das Geld (23.02.2011)
Von Michael Billig
Zwei Studenten wollen sich selbständig machen. Doch ihnen fehlt das Startkapital. Ein Buch dokumentiert nun ihre verzweifelten Versuche, die erste Million zu scheffeln.

dtv

"Take a picture" und bezahl - Florian Flechsig hat als Eisbär Knut versucht, Geld zu scheffeln. (c) dtv

Am Landwehrkanal im Berliner Stadtteil Kreuzberg hat alles begonnen. Dort aalten sie sich am Ufer und prosteten einander mit Bier zu. Sie sprachen über ihre Diplomarbeit und darüber, wie es nach dem Studium weitergeht. Erst mal mit Hartz IV durchschlagen, war ein Gedanke. Ein Großteil ihrer Kommilitonen würde sich selbständig machen, ihr Einkommen aber kaum über Hartz-IV-Niveau liegen. Ein Startkapital wäre viel wert. Warum nicht gleich eine dicke, fette Million, dachten sich die Diplomanden Yvonne Feller und Florian Flechsig. Die beiden Design-Studenten wollten reich werden - und zwar mit möglichst wenig Arbeitsaufwand.

Omi-VZ gründen

Ihr ambitioniertes Vorhaben hatten sie als Abschlussarbeit an der Universität der Künste in Berlin angemeldet. Sie hatten sechs Monate Zeit, um den Geldsegen herauf zu beschwören. Dabei traten Feller und Flechsig in einen Wettstreit. Wer zuerst die magische Millionen-Marke knackt, sollte auch die Knete des anderen absahnen dürfen. Im Internet machten sie ihr Projekt publik. Auf zwei Blogs dokumentierten sie Aktionen, mit denen sie das Geld beschaffen wollten. Heute, fast zwei Jahre später, schafft Flechsig in einem festen Arbeitsverhältnis und Feller ist selbständig. Ihr Selbstversuch ist jetzt unter dem Titel "Wir sind jung und brauchen das Geld" als Buch erschienen.
Darin enthalten sind dutzende, teils abstruse Ideen. Da ist etwa der Vorschlag, eine "Populistische Millionärs Partei" zu gründen. Die solle eine Inflation befördern und somit Millionen für alle bescheren. Eine andere Geschäftsidee ist abgekupfert von Portalen wie StudiVZ und facebook. Die beiden Grafikdesigner räumen einer Online-Community für alte Menschen in Zeiten des demografischen Wandels offenbar große Wachstumschancen ein und würden sie "OmiVZ" nennen. Ironie und Selbstironie sind in dem Buch nicht zu überlesen.
Yvonne Feller und Florian Flechsig starteten bei null. Sie verschleuderten unnützen Hausrat und spendeten Blut im Austausch gegen Bares. Mal versuchten sie auf kreative Weise Reichtum zu erlangen, mal spielten sie Glücksritter auf der Pferderennbahn und im Online-Casino. Nebenbei sparten sie Heizkosten und orientierten sich an der Sarrazinischen Speisekarte für Hartz-IV-Empfänger. Flechsig versuchte auch mal als Eisbär Knut, Berlin-Touristen ein paar Münzen zu entlocken. Er schlüpfte in ein Kostüm und ließ sich mit ihnen fotografien. Doch das alles brachte nur Peanuts ein.

Zocken an der Börse

Das meiste Geld kassierte Florian Flechsig, als er die Wände in seinem Wohnzimmer als Werbeflächen verhökerte und auf einer Internetseite öffentlich machte. Rund 1000 Euro brachte ihm diese Aktion ein und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seiner Kontrahentin. Doch auch er hatte nach vier Monaten noch nicht mal einen fünfstelligen Betrag auf seinem Konto vorzuweisen. Bis zur Million war es noch ein weiter Weg. Er wollte mehr riskieren und ging an die Börse, um mit Aktien zu handeln. Dafür brauchte er nicht mal das Haus zu verlassen. Vom Bett über die Kaffeemaschine führte sein Weg direkt zum Computer. Flechsig trat nur wochenends vor die Tür und auch nur, um für Nahrung und Kaffeenachschub zu sorgen. Ansonsten nutzte er die börsenfreie Zeit dazu, Wirtschaftsnachrichten, Aktienkurse und Analysen zu studieren. Anstrengend war es nicht, aber Augenringe waren unvermeidlich. Doch es lohnte sich. In der ersten Woche brachte es der Student auf einen satten Gewinn von 650 Euro. Zum Millionär würde er es in der verbleibenden Zeit zwar nicht bringen, aber zumindest das Duell gegen seine Kommilitonin gewinnen. Doch dann spekulierte Flechsig darauf, dass der Deutschen Aktien Index in den Keller rauscht. Das Gegenteil war der Fall. Mit einem Schlag war der Gewinn wieder futsch. So ging es Tag für Tag weiter. Nach sechs Wochen Zockerei war der Möchtegern-Millionär so gut wie pleite.

Feuchtfröhliche Abrechnung

Abgerechnet wurde am Tag der Diplomprüfung. Das verbliebene Geld, Yvonne 1836, Florian 981 Euro, ging für die aufwändige Präsentation der Abschlussarbeit drauf. Nach zweistündiger Prüfung war immerhin noch genug da, um mit Freunden fünf Flaschen Sekt in der Uni-Cafteria zu leeren. Alle sollen froh gewesen sein, dass es endlich vorbei war. Gelohnt - wenn auch nicht finanziell - hatte es sich allemal. Yvonne Feller und Florian Flechsig hatten das Diplom mit bestmöglicher Note abgeschlossen und noch einen Buchvertrag in der Tasche.
Für Studierende mit schmalem Geldbeutel zeigt das Buch die eine oder andere Strategie zum Überleben auf. Außerdem weist es auf Fallstricke hin, über die man bei der Jagd nach dem schnellen Euro stürzen kann. Eine Anleitung zum Reichwerden ist es nicht.

Yvonne Feller & Florian Flechsig: Wir sind jung und brauchen das Geld (mit Illustrationen), Deutscher Taschenbuch Verlag, 2011, 272 Seiten, 13,90 Euro, ISBN 978-3-423-24834-1

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