Vergangenheitsbewältigung zwischen Pinochet und Jara
POLITIK | CHILE AKTUELL (15.09.2005)
Von Jörg Rostek | |
Der 11. September 1973. Militärputsch in Chile. Das ist keine graue Vergangenheit sondern aktuelle Geschichte mit vielen Nebenwirkungen und einem nicht zu unterschätzenden innerpolitischen Konfliktpotenzial. Aufgenommen am 14. 03. 2004 in San Pedro de Atacama, Chile. (c) Daniel Derpmann Die 58 Verfassungsänderungen sollen am 17. September dieses Jahres in Kraft treten. Trotzdem brodelt es in Chile. Der Oberste Gerichtshof Chiles hat erst vor kurzem einen Antrag von Pinochets Ehefrau abgelehnt, der bewirken sollte, das sie, ihr Mann sowie ihr gemeinsamer Sohn nicht wegen Steuerhinterziehung verfolgt und möglicherweise auch verurteilt werden könnten. Am 10. August wurde der Steuerhinterziehungsprozess unter Aufmerksamkeit des chilenischen Volkes eröffnet. Es geht um Pinochets geheime Konten im Ausland. Es geht um 20 Millionen Dollar. Pinochets Privatvermögen wird auf nahezu 17 bis 35 Millionen Dollar geschätzt. Woher dieses Geld kommt, weiß angeblich niemand. Und es gibt Gewalt in Chile. Während der diesjährigen Gedenkfeier zeugen die stattgefundenen Ausschreitungen von einer immer noch mit dem Echo der grausamen Militärdiktatur belasteten chilenischen Gesellschaft. Sechs Polizisten wurden verletzt, 49 Demonstranten wurden festgenommen (FAZ vom 13. September 2005). Proteste schlugen in Gewalt um. Proteste, die sich hauptsächlich gegen Gesetzesvorschläge der rechten Opposition richteten, die im Ergebnis eine Strafreduzierung für Militärs vorsehen, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Ebenso richteten die Demonstranten scharfe Worte gegen den amtierenden Präsidenten Ricardo Lagos, der vor kurzem einen Militär begnadigte, der an der Tötung eines Gewerkschaftsführers beteiligt war. Und Pinochet? Der frühere Diktator Augusto Pinochet lud zum Jahrestag seines erfolgreichen Putsches eine Reihe von Freunden in sein Häuschen ein. Der Putsch in Chile steht heute aufgrund seines Datums im Schatten der Attentate auf das World Trade Center und das Pentagon. Im Schatten keiner Türme. Grund genug die chilenische Vergangenheit etwas näher zu beleuchten. Deshalb soll in den zukünftigen iley-Ausgaben ein Mann in den Vordergrund gerückt werden, der meist, bei den chilenischen Freiheitskämpfern an dritter Stelle neben Salvador Allende und Pablo Neruda genannt wird, aber in europäischen Landen einen kaum nennenswerten Bekanntheitsgrad erreicht hat. In einer dreiteiligen Reihe wird an dieser Stelle das Leben des chilenischen Liedermachers Victor Jara beschrieben werden und so ein Teil der Vergangenheit Chiles und die Leiden unter der Militärdiktatur. Und es soll eine These untermauert werden die da lautet: Vielleicht können Gitarren die Welt nicht verändern. Aber sie verändern die Persönlichkeit des Einzelnen. Sie können Aufklärung leisten und zeigen, warum die Welt ist, wie sie ist. Auch vermögen sie das Bedürfnis zu wecken, herauszufinden, was jeder einzelne wirklich dazu beitragen kann, um Menschen in schrecklichen Lebenslagen zu helfen. Ziel wird es sein zu beweisen, dass die Erweckung einer helfenden Mentalität im Einzelnen möglich ist. Und da die Welt in ihrer Gesamtheit aus Einzelnen besteht? Gerne sei nun ein Zitat von Joan Jara, Victor Jaras Witwe aufgeführt, die schrieb: "Seine Mörder hatten die Macht seiner Lieder unterschätzt." |