Listen. Listen sind klasse. Listen sind überall um uns herum. Sie durchädern den Kosmos. Vielleicht hat Gott selbst die Konzeption der Schöpfung als Liste angelegt. Es liest sich zumindest so: Punkt eins: Am ersten Tag Himmel und Erde. Punkt zwei: Es werde Licht. Punkt drei: Wasser von Land scheiden. Punkt vier: Pflanzen erschaffen. Punkt fünf: usw. Auch der Alltag ist voll von Listen. Einkaufslisten, Wäschelisten, Bestellisten, Mannschaftslisten beim Sport, Anwesenheitsliste in der Schule, Zutatenliste beim Kochen. Und in den Medien: Überall Listen! Die zwanzig wunderschönsten Models Deutschlands hier, die zehn bestverdiensten Hollywoodschauspier dort, die beliebtesten Bundestagsabgeordneten, absteigend nach Gewicht geordnet.

Unser ganzes Lebens ist, genau genommen, nichts weiter als eine ziemlich lange Liste von Stationen, die wir im Laufe einer fest definierten Zeistpanne nacheinander passieren. Es mag schließlich seinen Grund haben, das Lebensläufe die Meilensteine unserer Reise durchs Diesseits in der Regel tabellarisch und nicht in Kreisform aufführen. Jeder ist zudem im Besitz einer inneren Liste, in die er in chronolischer Anordnung die wichtigen Ereignisse seines Lebens einschreibt. Fast ist man versucht, diese Überlegung noch weiter ins Abstrakte zu treiben, die Thematik gleich direkt an der Wurzel des Seins zu packen und mit mystisch verhauchter Stimme zu behaupten: Jeder Mensch ist eine Liste, sorgsam gelocht und eingeheftet in den Ringbuchordner des Daseins.

Wenn das so ist, wirft es eine ganze Reihe ontologischer Fragen auf. Wer ist der Autor unserer Liste? Sind wir eine lange oder eine kurze Liste? Sind wir eine Bestsellerliste oder eine Abschussliste? Sind wir eine Liste aller Dinge, die so wertvoll sind, dass man sie nicht einmal mit Geld kaufen kann, oder sind wir nur eine geschmacklose Aufzählung aller hässlichen Frauen, die irgendwann mal als Komparsen in einem Otto-Walkes-Spielfilm mitgwirkt haben? Hängen wir an einem gut sichtbar platzierten Reisbrett, oder wurden wir unachtsam in einen speckigen Ledergeldbeutel gestopft? Dürfen wir jetzt nur noch Musik von Franz Liszt hören? Ist die Arglist vielleicht zu Unrecht in Verruf geraten? Sollten wir ab jetzt immer Urlaub in Listauen machen? Ist Franz Beckenbauer wirklich die Listgestalt des deutschen Fussballs? Sehen wir jemals das List am Ende des Tunnels? Höchstwahrscheinlist. Aber wer kann es schon wirklich wissen? Überall um uns herum sind Listen.