Unser Trip nach Lhasa - Teil 2
REISE | REISETAGEBUCH (15.02.2007)
Von Jan Hinnerk Voß | |
Im Schutze der Nacht setzten die drei Gefährten ihre Reise fort - nachdem sie zuvor schon Mal tibetische Luft atmen durften, gemischt mit dieser typischen Würze chinesischer Polizeipräsenz. Den Wecker auf drei Uhr gestellt, nach einem Kaffee, schleichend (in dunkler Kleidung natürlich) ließen wir das Städtchen hinter uns. Als wir uns in Sicherheit wogen, setzten wir uns an die Straße und warteten auf einen Tramp. Alsbald kam ein Truck. Wir dachten, vielleicht könne man uns ja einfach hinten unter die Plane stecken und über die Grenze bringen. Er hält, sieht wohl, was wir wollen, öffnet die Plane, und heraus schauen mehrere Köpfe tibetischer Reisegefährten! Aber der Preis war gesalzen, und nach zähen Verhandlungen beschlossen wir, den "nö, nehm ich nicht" Trick zu probieren, und luden wieder ab. Aber der Kerl fuhr einfach weg! Da standen wir, froren wie die Hunde, bis die Sonne über den Berg in die Schlucht schaute und sofort alles um uns, und uns auf ca. hundert Grad zu erhitzen drohte. Das war also die tibetische Hochsonne! Wir warteten Stunde um Stunde an der Straße. Bei jedem Autogeräusch voll Hoffnung - und Angst vor der Polizei, und spielten Skat. Axel wurde langsam aber sicher besser. Mein alter 80-Rupien-Indien-Regenschirm schützte mich zwar vor direkter Sonneneinstrahlung, doch war mein Hirn bald gar gekocht. Nach Ewigkeiten kamen drei Trucks, die uns für das selbe Geld mitnahmen, wie die Mitfahrgelegenheit am Morgen. Wir handelten nicht allzu viel. Erschreckender Weise wies man uns an, sich auf die drei Trucks zu verteilen, und in der Fahrerkabine Platz zu nehmen. Wir hatten noch eine halbe Sekunde Zeit, uns Glück zu wünschen, die Motoren röhrten schon wieder, und wir hofften, uns wieder zu sehen, und wenigstens nicht allein in der chinesischen Gefängniszelle zu sitzen. Nach kurzer Fahrt kam auch bald der Yangtse River. Der Nebenfluss, den wir entlanggefahren waren, war erfüllt von einem hellen, klaren Blau. Er mischte sich langsam mit dem Yangtse, bis er in dem braunen Strom unterging. Wir fuhren über die Grenzbrücke, und ich versuchte, mein Cappy ins Gesicht zu ziehen, damit man meine große weiße Nase nicht entdecke. Ich lauschte meinem Herzklopfen. Wir hielten nach der Brücke an einem Grenzbalken, wurden nur kurz beäugt und: fuhren weiter! Ich saß in dem vordersten Truck, Axel im zweiten und Steve machte das Schlusslicht. Alle kamen durch. Nach harter und langer Fahrt kamen wir am Abend an einem Truckstop an. Man versicherte uns - soweit wir verstanden - wir seien in Sicherheit und sollten in Ruhe Platz nehmen. Wir waren hier! Das ist immer mein Reisemantra: Ich bin hier. Ich -Bin- Hier. Das muss man sich manchmal klar machen. Ob man in Berlin, Eckernvoerde, oder Tibet ist. Beim Abendessen ging ein ungeheures Gezeche los. Wie in Russland, dachte ich. Der Klare ging Runde um Runde rum, und es war klar, dass wir weder verschmähen noch langsam trinken durften. Wir machten uns auf alles gefasst, und ich sah halb mit Sorge, halb mit Spaß zu, wie vor allem Steve eine besonders dicke Freundschaft angeboten zu bekommen schien. Ich aß möglichst viel und trank möglichst wenig. Einer der jüngeren Fahrer hatte wohl Geburtstag. Dann standen plötzlich alle auf und gingen anscheinend ins Bett. Wir dachten noch, wir könnten den Abend schön ausklingen lassen, aber sicherten uns dann doch lieber einen Schlafplatz. Einige der Gefährten schliefen sogleich, aber im Nebenzimmer ging noch lange ein heftiges Gespräch unter wohl merklich stark angetrunkenen Chinesen vor. Wir überlegten noch, ob es sich um ein Thema vergleichbar mit Fußball oder der Frau des anderen handle. Chinesen reden grundsätzlich nicht, sie schreien. Flüstern kennt man wohl gar nicht. Also waren bald auch die anderen recht angenervt und hießen die anderen eindeutig "jetzt endlich die Fresse halten". Der erste Morgen in Tibet Am nächsten Morgen röhrten schon wieder die Motoren, wir waren kaum wach. Ich dachte, vielleicht wollen sie schon mal den Motor vorwärmen. Aber wir mussten uns sputen, noch schnell aufzuspringen, denn es ging sofort, wirklich sofort, los. Am folgenden Tage überquerten wir einen sich langziehenden Pass, und auf den Hängen sah ich die ersten Nomadenzelte als kleine schwarze Punkte in der Weite stehen. Weit darüber waren noch kleinere schwarze Punkte zu sehen, eine Yakherde. Gegen Mittag wartete ich mit meinen Leuten eine ganze Weile auf die anderen. Axel hatte wohl eine Panne. Wusste ich natürlich nicht, konnte ich mir nur denken. Wir standen in einem langen Tal, durch den sich ein kleiner Strom schlängelte. Die Sonne stand klar und ruhig über uns. Wir gingen zu dem Bach, und zu meinem Erstaunen fischte einer der Chinesen mit der Hand einige große Exemplare von prächtigen Fischen aus dem Wasser. Er lag bäuchlings an einer Stromkurve und musste nur unter die Grasmatte greifen, wo sich die Tiere anscheinend sicher fühlten und ausruhten. Beeindruckt von diesem Kerl und der einfallsreichen Natur, die hier oben ein paar Fische in diesen kleinen Bach legt, stand ich bei den begeisterten Fahrern. Dann kam einer der anderen Typen, und hatte wirklich und wahrhaftig so was wie kleine Handgranaten dabei und bevorzugte nun auf diese Weise zu fischen. Es tat einen Schlag, und man musste nur noch die Leichen aus dem Wasser sammeln. Es war eisig kalt. Alle hatten ihren Spaß, als der Kerl das Spiel noch ein paar mal wiederholte, bis der Eimer voll war, nur ich war wohl der einzige, der das Alles merkwürdig, vielleicht sogar bedenklich fand. Die romantische Methode von dem kleinen Kerl gefiel mir auf jeden Fall besser. Die (viel zu vielen) Fische verspeisten wir mittags in einem Dorf, das nur aus einem Truckstop, einem Restaurant und ein paar Prostituierten bestand. Und weiter - im Schutze der Dunkelheit Die weitere Fahrt war geprägt von schlechten Straßen, und ewig weiten Hängen und Bergrücken. Ich erinnere mich an eine besonders beeindruckende Formation, eine Felskette, die sich wie ein Rückgrad über die Höhe zog, und die wir in weitem Bogen umfuhren. Abends kamen wir in der ersten größeren Stadt auf dem Nordost - "Highway" an: Chamdo. Wieder ergriff uns Panik und Ratlosigkeit wegen der uniformierten Typen beim Ausstieg, nur machten sie keine besonderen Anstalten, uns zu kontrollieren. Wir verdrückten uns im Schlafzimmer, und hofften, es möge nicht an der Türe klopfen. Müde waren wir, sehr müde. Ich weiß noch, dass ich überlegt habe, ich wolle doch auf jeden Fall noch essen vor der Nacht. Aber so weit ich mich entsinne, hat keiner mehr gegessen. Mönche in Lhasa, unter ständiger Observierung der Polizei. (c) Axel Schmidt So fuhren wir sieben Tage lang durch Ebenen, Täler, beängstigende Schluchten und Pässe. Wir ließen alle Wachposten und uniformierten Chinesen hinter uns, indem wir mit einer Mischung aus Dreistigkeit, und der klaren Ausstrahlung eines legalen und legitimen Reisenden an ihnen vorbeispazierten. Bis heute wissen wir nicht, ob wir nur Glück hatten, und was passiert wäre, wenn wir wirklich verhaftet worden wären. Endlich in Lhasa Als wir endlich die lang ersehnte Stadt Lhasa erreichten, erreichte mich eine ausgedehnte Diarrhö. Drei Tage lang wagte ich nicht, mich mehr als zwanzig Meter von der nächsten Toilette zu entfernen. Dann endlich konnte auch ich um den Jokhang, den heiligsten Tempel Tibets, und das Zentrum des Landes, pilgern, so wie es hunderte von Tibetern jeden Tag machen. |