Ewig lockt die Lottofee
WIRTSCHAFT | RECHENSCHIEBER (15.05.2008)
Von Albrecht Beutelspacher | |
Jede Woche machen es Millionen Menschen. Die meisten sind Wiederholungstäter. Viele sogar Serientäter. Allerdings: erfolgreich sind ihre Aktionen nicht. Na ja, einmal einen kleinen Erfolg, vielleicht auch zwei Mal. Aber das deckt kaum den Aufwand. Ist der Mensch lernfähig? Lernen wir aus Misserfolgen? Bilden unsere Erfahrungen eine Basis für unser Handeln? Das Großexperiment "Lotto" gibt darauf jede Woche eine eindeutige Antwort. Klar, wer Lotto spielt, möchte gewinnen. Das Ziel ist, die Zahlen, die samstags um 19.55 Uhr von der Lottofee gezogen werden, vorherzusehen und die entsprechenden Kreuzchen zu machen. Das wären sechs Richtige. Und in den meisten Fällen ein Millionengewinn und das Ende aller finanziellen Sorgen. (c) Ansgar Lorenz Dazu überlegen wir uns die Anzahl aller möglichen Tippreihen. Die erste Kugel, die aus der rotierenden Glaskugel entnommen wird und in das erste Glasrohr fällt, ist eine von 49. Für die zweite gibt es noch 48 Möglichkeiten, für die dritte 47 und so weiter bis zur sechsten Kugel, für die es noch 44 Möglichkeiten zur Auswahl gibt. Insgesamt ergeben sich für die Ziehung der sechs Kugeln 49×48×47×46×45×44 Möglichkeiten. Das ist die Anzahl der möglichen Lottoreihen, wie sie unmittelbar nach der Ziehung vor der Lottofee in den Röhrchen liegen. Anschließend werden die Zahlen noch der Größe nach geordnet. Mit anderen Worten: Zahlenfolgen, die sich nur in ihrer Reihenfolge unterscheiden, werden identifiziert. Wenn man das berücksichtigt, ergibt sich eine riesige Zahl, nämlich 13.983.816, in Worten: dreizehn Millionen neunhundertdreiundachtzigtausend und achthundertsechzehn von möglichen Lottoreihen. Die Botschaft ist klar: Die Chance, dass die von Ihnen getippte Reihe die richtige ist, ist eins geteilt durch knapp 14 Millionen. Mit anderen Worten: Ihre Chance ist weniger als 0,00001 Prozent. Sorry! Sie könnten jetzt sagen: "Diese Berechnungen interessieren mich überhaupt nicht. Für mich stellt sich Lottospielen ganz einfach dar: Es gibt zwei Möglichkeiten: Sechs Richtige zu haben, oder eben nicht. Ich kann zwar verlieren, ich kann aber auch gewinnen." Schon richtig. Aber die Chancenverteilung ist nicht mal annähernd fifty-fifty, sondern eins zu vierzehn Millionen! Einen Sechser im Lotto zu gewinnen, ist viel weniger wahrscheinlich als die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Die rationale Konsequenz ist unausweichlich: Als Methode, Geld zu verdienen, taugt Lottospielen definitiv nicht. Jedes popelige Sparkonto bietet eine um ein Vielfaches höhere Rendite. Wenn Sie Lotto spielen, dann denken Sie daran: Es ist nur ein Spiel! Sie können gewinnen oder verlieren - und wenn Sie verlieren, machen sie sich nichts draus! Sie könnten aber auch sagen: "In jeder Woche gewinnt doch einer. Fast immer gibt es einen oder mehrere Gewinner. Der könnte doch auch ich sein." Auch das ist - im Prinzip - richtig argumentiert, aber es nützt Ihnen nichts. Dass in der Regel irgendjemand die richtigen Zahlen getippt hat, liegt aber schlicht daran, dass so wahnsinnig viele Menschen tippen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Tipp der richtige ist, wird dadurch überhaupt nicht erhöht! Übrigens: Wenn Sie tippen, dann stellen Sie sich Ihren möglichen Gewinn vor, natürlich. Und Sie sollten Vorsorge treffen für den - äußerst unwahrscheinlichen - Fall, dass Ihre Tippreihe tatsächlich gezogen wird. Dann wollen Sie nämlich Ihren Gewinn mit möglichst wenigen anderen Lottospielern teilen. Also müssen Sie Ihre Kreuzchen so machen wie kein anderer. Das ist leichter als Sie denken! Machen Sie keine Muster, tippen Sie keine Geburtstage, keine Glückszahlen, nicht die Zahlen vom vergangenen Wochenende und so weiter. Kurz: tippen Sie nichts "Schönes". Im Gegenteil: Je hässlicher Ihre Tippreihe aussieht, desto größer ist die Chance, dass kein anderer dieselbe Reihe getippt hat! (c) privat Dieser Text ist im Mai auch schon in der Frankfurter Rundschau erschienen. |