Wer wird schon gern zwangsumgesiedelt?
GESELLSCHAFT | LÄNDERPUNKT SÜDAFRIKA (15.01.2008)
Von iley Redaktion | |
Es ist die Geschichte von etwa 20.000 Slumbewohnern entlang des N2-Highways außerhalb von Cape Town (Kapstadt). Eine Geschichte, wie sie noch so vielen anderen Menschen mehr hier wiederfahren wird. In den vergangenen 15 Jahren hat sich, an den N2-Highway gequetscht, ein so genanntes informal settlement, ein illegaler Slum entwickelt, in welchem besagte 20.000 Menschen leben. Diese Gemeinde ist bekannt unter dem Namen Joe-Slovo-Park, benannt nach einem berühmten Menschenrechts- und Freiheitskämpfer gegen das Apartheid-Regime. Nun ist dieser Slum nicht zuletzt für die 2010 bevorstehende Fußballweltmeisterschaft ein weiterer Schandfleck auf einer ohnehin besudelten Weste. "Das sieht aber nicht schön aus", dachten sich Mitglieder der Provinzregierung des westlichen Kaps und der Stadt Cape Town und handelten mit den Bewohnern von "Joe-Slovo" aus, dass es doch nun an der Zeit sei, das konstitutionelle Recht auf adäquate Behausung und die damit einhergehende Verpflichtung der Regierung nicht weiter zu ignorieren. Vom Slum zum Neubau Alle Willigen sollten sich auf den housing lists registrieren lassen, um der Zuteilung einer noch zu bauenden Wohnungseinheit zu harren. Die Regierung versprach im Gegenzug bis Mitte des Jahres 2006, 22.000 Wohneinheiten zur Verfügung zu stellen. Davon sind nach Abschluss der ersten Bauphase ganze 705 entstanden. Da sich die Kosten von vormals geplanten R80.000 (etwa 8000 Euro) pro Einheit nun auf etwa R130.000 belaufen, müssen die Mehrkosten wieder reingeholt werden. Es ist klar wie: Mietanstieg. Das bedeutet, dass der Großteil der Bewohner jetzt schon weiß, dass allein die zukünftige Miete zwischen R500 und R1500, oftmals mehr als ein ganzes Monatsgehalt ausmachen wird. Wie das bezahlt werden soll, oder ob den Menschen zur unerschwinglichen Wohnung auch noch der unerreichbare Job, der die Miete einbringen könnte, angeboten werden wird, bleibt unklar. Darüber hinaus geben jetzt auch Verantwortliche eines Banken finanzierten Bauunternehmens an, sich in einem Memorandum mit der Provinzregierung und der Stadt Cape Town über die Aneignung des betroffenen Gebiets geeinigt zu haben, angeblich, um dort Billighäuser zu errichten. Gummigeschosse treffen auf tanzende Demo Die Bauunternehmer versuchen nun seit geraumer Zeit wiederholt den Slum zwangsweise zu räumen, kräftig unterstützt von der Provinzregierung sowie von der Bürgermeisterin von Cape Town, was zuletzt im September in einem Slumuprising gipfelte. Mit Gummigeschossen und Tränengas wurde die Menge, die aus Protest einen Teil des Highways blockiert hatte, von der Polizei auseinandergetrieben. Die Gegenseite hat eine ganz andere Sicht des Sachverhalts. Das Wohnungsministerium lässt verlauten, es handele sich doch nur um eine temporäre Umsiedlung. Die Bewohner sollen in die Cape Flats, eine Gegend, welche mehrere Townships umfasst, und bekannt ist für Gewalt, Kriminalität und aus Versehen in Schiessereien geratene Passanten. Die Bewohner, so das Wohnungsministerium, könnten nach Beendigung des Bauvorhabens zurück. Es liegt sogar schon der Zeitplan für die Zwangsumsiedlung auf den Tischen der Verantwortlichen. Gegen die Zwangsumsiedlung: wie zu Apartheidszeiten sind Bewohner strategisch ungünstig gelegener Slums von Zwangsumsiedlungen bedroht (c) abahlali.org Darüber hinaus handele es sich nach Angaben der verantwortlichen Stellen ohnehin nur um den Versuch, jahrhundertealtes Unrecht wieder gut zu machen. Wie das durch Zwangsumsiedlung und Slumverschiebung geschehen soll, ist jedoch unverständlich. Nun beschäftigt sich der Cape High Court mit dem Fall, da die Bewohner sich nicht nur untereinander, sondern auch mit der Anti-Eviction-Campaign hier in Cape Town zusammen getan haben, um, vertreten von einem Human-Rights-Anwalt, für ihr Bleiberecht und eine Verbesserung der Wohnsituation zu kämpfen. Und das tun sie nicht nur mit Highwayblockaden und Anwälten, sondern auch mit Toi-Tois in den Straßen und vor dem Gerichtsgebäude. Toi-Tois sind das südafrikanische Äquivalent zu einer Demonstration, wobei die Masse sich jedoch trommelnd, singend und tanzend fortbewegt. Berater des Wohnungsministeriums sagen, dies sei das erste Mal, dass sich ein Gericht mit der Umsiedlung einer ganzen Gemeinde beschäftigen muss, und fast hat die Bemerkung den Unterton der unausgesprochenen Frage, ob dies denn wirklich nötig sei. Recht und Gerechtigkeit nicht eins Es ist meines Wissens das erste Mal, dass sich ein Gericht in einem demokratischen Cape Town damit auseinandersetzen muss, weil sich tatsächlich Menschen gegen geplante Zwangsumsiedlungen, temporärer oder welcher Art auch immer, zur Wehr setzen. Unabhängig vom beschämenden Fakt, dass die südafrikanische Regierung mehr Geld für den Fußball und den Bau von Stadien als für die Buerger und den Bau geeigneter, menschenwürdiger Behausungen auszugeben bereit ist, geht mein Herz, meine ganze Unterstützung an diese 20.000 Menschen, die direkt vor unserer Türschwelle leben. Ich weiß, ich weiß, Recht und Gerechtigkeit sind nicht eins. Doch mir ist es egal, ob die Regierung und die Bauunternehmer im Recht sein könnten, was sie machen wollen ist eine Ungerechtigkeit. Rückblick Einige der Joe-Slovo-Bewohner können sich noch gut daran erinnern, was es bedeutet, zum eigenen Wohl umgesiedelt zu werden. Beim Land Act von 1913 wurden 87 Prozent des Landes der weißen Minderheit zugesprochen. Der Asian Land Tenure Act von 1946 schränkte die Bewegungsfreiheit aller Inder weiter ein, ihr Recht zu handeln, zu wohnen und Land zu erwerben, wurde auf bestimmte Gegenden festlegt. Berüchtigt ist auch der Group Areas Act von 1950. Einer der Grundpfeiler des Konzeptes der Apartheid besagte, dass nur die jeweiligen Rassen zusammen in ihnen speziell zugewiesenen Gegenden leben könnten. Ausblick Am 13. Dezember 2007 hat das Gericht die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zwangsumsiedlung zunächst verschoben. Irgendwann innerhalb der nächsten Tage soll ein Beschluss ergehen. Die Tatsache allerdings, dass sich die Bewohner von Joe-Slovo seit nun mehr als anderthalb Jahren mit der Regierung streiten, ohne dass diese ihre Zwangsumsiedlung durchsetzen konnte, lässt hoffen. Viele warten gespannt, ob das Gericht Jahrhunderte altes Unrecht wirklich gutmachen oder bestehende Ungerechtigkeit legitimieren wird. |