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Der Senat ist eine wahre Begebenheit
KULTUR | KURZGESCHICHTE (15.04.2005)
Von Frank Lennartz
Geschichten liegen ja quasi auf der Straße, lauern hinter jeder Ecke. Mal sieht man sie ganz offensichtlich, mal sind sie winzig klein.

Die kleinste Geschichte, die ich kenne, war so winzig, dass sie Platz in einem Spalt meiner Diele hatte. Ich war gerade dabei, den Dielenboden meines Zimmers zu wischen als ich hinten in der Ecke einen Spalt bemerkte, der vielleicht an die zwei Zentimeter lang und einen Zentimeter breit war. Nichts von wert wirst du jetzt sagen, ich übrigens auch, wenn da nicht dieser Schein wäre. Ja ein Schein, ein ganz blasser, aber ein Schein. Aber wo sollte denn da Licht herkommen? Ich legte den Wischmopp beiseite und kniete mich vor das Loch, ein warmer Windzug. Wenn man das Gesicht über das Loch hielt, spürte man ihn. Und da waren auch Geräusche zu hören, wie ein Summen, als wären 1000 Insekten dort unten versammelt. Vorsichtig lugte ich durch die Öffnung. Ich glaubte meinen Augen kaum zu trauen, denn was ich dort sah war höher als all meine Phantasien es erwartet hätten. Ich sah direkt in einen Kuppelraum, in dem sich Tausende winzige Figürchen drängelten. Es sah aus wie ein winziger Senat, die Anordnung der Sitze war eine Rundform, in deren Mitte sich eine Art Pult befand. Das ganze mochte nicht größer sein als eine Schüssel zumindest das, was ich durch mein, das Sichtfeld erheblich begrenzende Loch, sehen konnte. Ein Trubel herrschte dort. Es war ein einziges Durcheinander. Ich lauschte nun genauer hin und nahm wahr, dass diese winzigen Wesen meine Sprache sprachen, nur eben viel leiser und höher. Es schien mir, als stritten zwei Parteien, die nahezu gleich stark waren. Dazwischen waren auch kleinere Grüppchen, vielleicht eine Art Opposition. Ich sprang auf stellte das Radio ab, kniete mich abermals vor das Loch und lauschte. Es ging um irgendeinen Umbau oder Abriss. Es ging um Arbeitsplätze und Aufbaukosten. Wovon reden die? Ich verstand von allem nur Bahnhof. Kein Zweifel, dass waren Politiker. Die Art wie sie debattierten, winzige Nebensächlichkeiten zerredeten, einfach alles erweckte den Eindruck, dass ich hier irgendeine Regierung unter meinen Dielen hatte. Ob das schlimm ist, fragte ich mich insgeheim. Ach diese süßen kleinen Wesen haben mich bisher nie gestört und werden es auch weiterhin nicht tun. Ich kehrte etwas von dem zusammengekehrtem dort rein, nur um zu sehen, wie sie reagierten. Süß, sie rannten wie die Doofen. Oops, einige sind auch liegengeblieben. Na ja, kann man nix machen. Höhere Gewalt. Ich legte den Teppich über die Öffnung und beließ es dabei. Morgen würde ich erneut nachsehen.
Nachts wurde ich von einem ohrenbetäubenden Lärm geweckt. Ich war sofort hellwach, machte Licht und lauschte: Krach, da war es schon wieder. Ich stand auf, ging durch die Wohnung. Wohnzimmer schien OK, zumindest sah man nichts. Krach, das kam aus der Küche. Ich öffnete die Tür und traute meinen Augen kaum. Die Hälfte des Bodens war weggerissen und in dem neuentstandenem Krater buddelten winzige Bulldozer. Meine Spüle war auf einer Seite mit filigransten Gerüsten gegen das Umfallen gesichert worden. Überall arbeiteten eifrig diese kleinen Wesen im Bestreben, meinen Küchenfußboden abzutragen. Am Rand stand eine Gruppe von Männchen, die den Eindruck machten, als hätten sie was zu sagen. Ich beugte mich herunter um zu hören, was sie sagten. Das einzige was ich zwischen dem Baulärm wirklich vernahm, war "Wir habens jetzt durchbekommen. Wenn gestern nicht der Einsturz im Senat gewesen wäre, hätten wir noch zehn Jahre kämpfen müssen" Ende
   




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