Weimar brennt
GESELLSCHAFT | KULTURSTADT (15.01.2005)
Von Marcus Häußler † | |
Nicht nur aus der Tonne vor dem Theater lodern die Flammen. Die Gemüter in der Kulturstadt erhitzen sich vor allem an der diktatorischen Sparpolitik der Landesregierung. Jugendliche demonstrieren gegen die Budgetkürzungen des Landes. Sie treffen die Sparmaßnahmen am härtesten. (c) Maik Schuck | www.maikschuck.de In der ersten Januarwoche überschwemmten mehrere Hundert Flugblätter die Fassaden der gesamten Innenstadt. Mit dicken Lettern weist das Papier darauf hin, dass alle Weimarer Jungend- und Sozialeinrichtungen geschlossen sind. Mit dem Grußwort ?Vielen Dank Herr Dieter Althaus, Vielen Dank CDU!' endet das Schreiben ohne Bekenner. Pünktlich zur Klausurtagung der Bundes SPD am 9. Januar und dem Besuch des Kanzlers Schröder waren die störenden Aushänge jedoch verschwunden. Zu verdanken war das der örtlichen Polizei, welche die Druckschriften entfernte. Jeglichen Zusammenhang mit der Visite der Spitzenpolitiker wies die Polizeiinspektion der Residenzstadt auf Anfrage von sich. Die Plakate kanalisieren dabei den Ärger vieler Bürgerinnen und Bürger der Kulturstadt. Sie sehen ihre Kinder in Zukunft auf der Straße spielen. Etwa 50 Arbeitsplätze allein im Weimarer Stadtgebiet sind direkt von den Einsparungen betroffen. Leidtragende sind ebenso Museen, Schlösser und Vereine in ganz Thüringen. Helfen könnten die Stadtväter mit dem Griff zum Tafelsilber. Dies ist auch etwa zehn Millionen Euro wert, aber für den Brandschutz aller Schulen im Stadtgebiet vorgesehen. Die Hilfe für die durch einen Brand zerstörte Anna-Amalia Bibliothek bricht indes nicht ab. Weltweite Spenden u.a. aus den USA, Japan und Australien gewährleisten, dass die Restaurierungsarbeiten voraussichtlich 2007 abgeschlossen werden können. Zum Jahreswechsel hat das Spendenvolumen für die historische Büchersammlung die 20-Millionen-Euro-Marke überschritten. Am Abend des 3. September wurden dennoch 50 000 Werke unwiederbringlich zerstört und über 60 000 zum Teil stark beschädigt. Mehr als das Dreifache der bislang gespendeten Geldern wird benötigt, die durch den Brand verursachten Schäden zu beheben. "Wenn wir ab 2005 die Schäden einzelner Bücher aufgenommen haben, hoffen wir auf viele Paten", so der Präsident der Stiftung Weimarer Klassik, Helmut Seemann. Künftig versucht die Stiftung durch Bücherpatenschaften, den Erhalt der begehrten Schriften zu sichern. Mit der Ausstellung "Nach dem Brand" im Weimarer Schloss machen die Kunstsammlungen erstmals Restaurationsarbeiten zum Gegenstand der Schau. Schillers zerbrochene Totenmaske, Notenfragmente der Maria Pawlona und Bilder der Brandnacht sind hinter Glas noch bis zum 20. Februar im Schlossmuseum zu besichtigen. Der Eintritt beträgt 4,50?, ermäßigt 3,50?. Ihre Spende am Ende des Rundgangs wird auch nicht abgelehnt. |