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'Spitzensportförderung ist Werteerziehung'
SPORT | IM INTERVIEW (01.03.2010)
Von Michael Billig
Den Gebrauch von Doping einem Sportler nachzuweisen, ist eine Sache. Ihn soweit zu bringen, dass er erst gar nicht zu unerlaubten Mittelchen greift, eine andere. Olympische Erziehung könne dabei eine Hilfe sein, sagt der Sportwissenschaftler Helmut Altenberger.

privat

Helmut Altenberger (c) privat

Herr Altenberger, in Zeiten eines dopingverseuchten Spitzensports und der Jagd nach Rekorden – taugt Olympia noch als ein vorbildliches Ereignis, um Jugendlichen Werte wie Fairness und gegenseitige Achtung zu vermitteln?

Altenberger: Diese Entwicklungen sind im höchsten Maße verwerflich und juristisch zu ahnden. Aber man kann sie gerade auch zum Anlass nehmen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, bereits im frühen Jugendalter sich mit solchen Fragen auseinander zu setzen. Und zwar nicht nur so nebenbei, sondern das Ganze sollte systematisch an junge Menschen herangetragen werden. Damit meine ich auch eine Klarstellung, dass der einzelne Athlet befähigt werden sollte, sich in solchen Situationen verantwortungsvoll zu verhalten. Olympische Erziehung kann dabei eine Stütze sein.

Was genau kann eine Olympische Erziehung zu mehr Fairness beitragen?

Altenberger: Die Fairness-Erziehung ist eines der klassischen Themen, mit denen sich die Olympische Erziehung befasst. Das Fairness-Gebot stellt etwas ganz Fundamentales dar, im Breiten- und Freizeitsport genauso wie im Spitzensport. Nur der Spitzensport findet unter wesentlich mehr Öffentlichkeit statt und dort sind natürlich Mechanismen emotional höchst zugespitzt. Von daher finde ich es ganz wichtig, dass man sich nicht nur mit der Nachweisproblematik von Doping befasst, sondern mindestens im gleichen Maße die Wertefrage in den Vordergrund stellt. Bei der Missachtung von Fairness-Geboten geht es um elementare Werte. Das muss ins Bewusstsein gebracht werden. Dabei ist es ganz wichtig, dass alle in dem komplexen System des Hochleistungssport an einem Strang ziehen. Spitzensportförderung kann nicht nur darin bestehen, optimale Trainings- und Wettkampfbedingungen zu schaffen, sondern es muss auch deutlich mehr an Wissensvermittlung, Bewusstseinsarbeit und Werteerziehung geleistet werden.

Der Deutsche Olympische Sportbund möchte nicht nur die Leistungssportler und Eliteschulen des Sports erreichen. Welche Verbreitung findet die Idee von der Olympischen Erziehung an anderen Bildungsstätten?

Altenberger: Es gibt eine ganze Reihe von Universitäten, wo das Thema Gegenstand von Lehre und Forschung ist. Bei uns an der Uni Augsburg haben wir die Olympische Erziehung in die Lehrerbildung eingebettet. An der didaktischen Umsetzung von Olympischer Erziehung arbeiten wir sehr eng mit Schulen zusammen. Außerdem sind Sportvereine in ihrer Breitenarbeit von großer Bedeutung.

Aber nicht alle teilen die Begeisterung für eine Erziehung im olympischen Sinne. Doping und Kommerz sehen Kritiker eher als einen Grund an, sich von Olympia zu distanzieren. Können Sie die Bedenkenträger verstehen?

Altenberger: Sehr gut. Es wäre auch ein einseitiges Bild, würde sich die Olympische Erziehung nur mit den schönen und positiven Seiten des Sports auseinandersetzen. Es muss auch eine Auseinandersetzung mit Pervertierungserscheinungen stattfinden. Da sind wir auch als Universitäten aufgerufen. Wegschauen, mich gar nicht mehr damit befassen – das kann allerdings keine Lösung sein und keine Weiterentwicklung in Gang bringen.

Im August dieses Jahres feiern die „Olympic Youth Games“ ihre Premiere. Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren aus aller Welt kommen in Singapur zusammen. Welche Idee steckt dahinter?

Altenberger: Man möchte sehr viel stärker den Aspekt der interkulturellen Erziehung mit dem Wettkampfprogramm in Verbindung bringen. Was bei Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Idee, eine Rolle spielt, nämlich Friedenserziehung und Völkerverständigung, soll jetzt in einem eigenen Programmteil zum Tragen kommen. Die Organisatoren in Singapur schaffen extra dafür Veranstaltungs- und Begegnungsformen, beispielsweise mit Schulen und Jugendlichen vor Ort. Dabei wird es auch sehr stark darauf ankommen, wie gut das Betreuungspersonal vorbereitet wird.

Begegnungscharakter haben auch die Spiele in Vancouver. Besteht nicht die Gefahr, dass durch die Jugendspiele all die negativen Begleiterscheinungen von Olympia viel direkter auf den Nachwuchs übertragen werden?

Altenberger: Das wird natürlich ganz stark von den Beteiligten abhängen, welche Chance sie der neuen Idee geben. Die Gefahr ist gegeben und Bedenken in dieser Richtung werden sehr ernst genommen. Ich hoffe, dass wir aus den aktuellen Erfahrungen gelernt haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Der Sportwissenschaftler Helmut Altenberger ist Professor für Sportpädagogik an der Universität Augsburg. Außerdem gehört er dem Vorstand der Deutschen Olympischen Akademie an.

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