Sportliches Wettrüsten in Ost und West
SPORT | AUSSTELLUNG: 'Wir gegen uns' (23.02.2010)
Von Michael Billig | |
Der Wettkampf zwischen Sportlern der DDR und der BRD war immer auch ein Kräftemessen zwischen zwei politischen Systemen. Den Kontrahenten war beinah jedes Mittel recht. Ihr sportliches Wettrüsten brachte nicht nur Medaillengewinner, sondern auch Opfer hervor. In der Leipziger Ausstellung "Wir gegen uns" lebt die Rivalität von einst noch einmal auf. Mehr als 1000 Bild- und Tondokumente zeugen von der Entwicklung des Sports in beiden deutschen Staaten - und von prestigegeladenen Duellen. Das einzige Fußball-Länderspiel zwischen der BRD und der DDR (0:1) darf da genauso wenig fehlen wie der Triumph der westdeutschen Leichtathletinnen über 4x100 Meter bei Olympia 1972 in München. Sie hatten die favorisierten Sprinterinnen aus dem Osten auf Platz zwei verwiesen. Für die politische Führung der DDR muss das eine schmerzhafte Niederlage gewesen sein. Denn, wie der Besucher der Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum erfährt, waren Goldmedaillen sogar Staatsziel gewesen. Meistens hatten die Athleten aus dem sozialistischen Lager auch die Nase vorn. Bei den Winterspielen 1984 in Sarajevo landeten die DDR-Olympioniken im Medaillenspiegel erstmals auf Platz eins, hatten damit auch den Großen Bruder Sowjetunion übertroffen. Oral-Turinabol war das am häufigsten verwendete Doping-Mittel im DDR-Leistungssport. (c) Punctum/Bertram Kober Der Erfolg kam nicht von ungefähr. Nachwuchssportler im Arbeiter- und Bauernstaat wurden nicht nur vom Staat gefördert, sie wurden auch systematisch gedopt - oft schon im Kindesalter. Wer sich verweigerte, dem drohte der Ausschluss aus staatlichen Förderprogrammen. Doping, verordnet von Funktionären und Trainern, verabreicht von angesehenen Medizinern und jahrzehntelang vertuscht von allen Beteiligten, ist das heraus stechende Thema in der Leipziger Ausstellung. Ein Raum ist eigens dafür als Arztzimmer mit Liege, Medizinschrank und Analysegeräten hergerichtet. Die Wände erzählen von Menschen wie dem Bahnradfahrer Uwe Trömer. Als Mitglied der DDR-Junioren-Nationalmannschaft durfte er auf Erfolge hoffen, doch noch vor dem großen Durchbruch habe er seinen Sport aufgeben müssen. Trömer sei ohne seines Wissens mit Doping vollgepumpt worden und habe in der Folge schwere gesundheitliche Schäden erlitten. 102 Medikamente im Körper Vergleichbare Fälle hat es auch auf der anderen Seite der innerdeutschen Grenze gegeben. Der Unterschied zur Doping-Praxis im Osten: Während dort Sportler schon in jungen Jahren für Ruhm und Ehre des sozialistischen Vaterslandes systematisch missbraucht worden waren, waren im Westen Einzeltäter am Werk. Mit 17 Jahren hat etwa die Aachener Schwimmerin Christel Justen bei der Europameisterschaft 1974 in Weltrekordzeit die geballte DDR-Konkurrenz hinter sich gelassen. Auch das kein Zufall, wie sich herausstellen sollte. Sie habe das Dopingmittel Dianabol von ihrem Trainer bekommen, gestand Justen später ein. Für ein Aufschrecken hatte 1987 der Tod von Birgit Dressel gesorgt. Die Mainzer Mehrkämpferin war an einem toxisch-allergischen Schock gestorben. Bei der Obduktion waren in ihrem Körper 102 Medikamente gefunden worden, darunter Anabolika. Mit Blick auf heutige Sünder ist mehr als fraglich, ob Funktionäre, Trainer und Athleten die richtigen Konsequenzen gezogen haben. Es sieht vielmehr so aus, dass sich unter den Bedingungen des Kalten Krieges Doping im Leistungssport unbehelligt etablieren konnte. update: Die Ausstellung "Wir gegen uns: Sport im geteilten Deutschland" ist mittlerweile von Leipzig nach Bonn gewandert. Dort ist sie bis zum 10. Oktober 2010 im Haus der Geschichte zu sehen. |