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Krugmans ABC der Krisenlösung
WIRTSCHAFT | HINTERGRUND II (11.08.2012)
Von Frank Fehlberg
In der Analyse der schweren wirtschaftlichen Flaute weicht Paul Krugman von den meisten Fachkollegen ab. Mit der Forderung nach dem direkten Aufpäppeln der Nachfrage-Seite durch staatliche Maßnahmen distanziert er sich von der weit verbreiteten Sparwut.

Yunioshi / photocase.com

Sparen, Sparen, Sparen - Krugman fordert das Gegenteil.
(c) Yunioshi / photocase.com


Das Hauptproblem der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sieht Krugman in der fehlenden Nachfrage. Für ihre Stimulation gibt es unterschiedliche Maßnahmen. Die Instrumente der Monetaristen - etwa die Erhöhung der Geldmenge durch Zentralbanken zur Lösung von Kreditklemmen und damit zur Erleichterung von Investitionen - sind Krugman gut vertraut. Verlaufe die Entwicklung der Wirtschaft einigermaßen stabil und werde diese maximal von einer "Wald-und-Wiesen-Rezession" getroffen, würde diese expansive Geldpolitik seiner Meinung nach auch ausreichen. Doch mittlerweile seien - nicht zuletzt durch ausufernde Spekulation und riesige Verschuldungshebel innerhalb des Finanzwesens - andere Maßnahmen gefragt, um den Rückgang der Wirtschaftstätigkeit und dessen soziale Folgen zu bekämpfen.

Versagen der monetaristischen Geldpolitik


So habe die US-Notenbank durch die Senkung des Leitzinses, zu dem sich Privatbanken bei ihr Geld leihen können, in der Krise für eine Verdreifachung der Geldmenge gesorgt: ohne nennenswerten Effekt in der Realwirtschaft von Produktion und Handel. Der Leitzins liegt mittlerweile nahe null und nichts passiere. Die Vertreter der angebotsorientierten Geldpolitik seien damit in die "Liquiditätsfalle" getappt - die Banken refinanzieren ihre eigenen Schulden oder spekulieren weiter, es werden keine Aufträge in der Realwirtschaft generiert, die Nachfrage bleibt im Keller. Eine ähnliche Leitzinsentwicklung besiegelt schon länger das Ende einer wirkungsvollen Geldpolitik in Japan, das seit den 1990er Jahren starke wirtschaftliche Probleme zu bewältigen hat.
Das Phänomen ließ sich auch bei der "Leitzinssonderaktion" der Europäischen Zentralbank (EZB) Ende letzten Jahres erahnen, als diese für 1 % Zinsen knapp 500 Milliarden Euro an die Banken ausgab. Inzwischen liegt der Leitzins in Euroland bei 0,75 %. Die Nachfrage liegt weiter am Boden.

Frisches Geld in die Wirtschaft - aber nicht durch die Notenbanken


Für Krugman liegt die Änderung dieser zerstörerischen Lage allein in der Art der Verfügungstellung von frischem Geld. Wenn die Theorien der Monetaristen nicht mehr fruchteten, so müsste der Keynesianismus wieder hervorgeholt werden. Die Reanimierung der Wirtschaft durch staatliche Investitionsprogramme helfe dem Einzelnen, den Unternehmen und schließlich dem Staat sehr viel wirkungsvoller, da sie das simple Einnahme-Ausgabe-Prinzip zu seinem Recht kommen lasse. Unsinnige ideologische Krisendogmen - etwa: Staat und Bürger müssen den Gürtel enger schnallen - übersehen den einfachen Zusammenhang, dass dort, wo keine Einnahmen sind, auch keine Ausgaben getätigt werden können und umgekehrt.
Wenn es für den einzelnen Haushalt oder den einzelnen Betrieb kurzfristig eine sinnvolle Strategie sein kann, mehr einzunehmen als auszugeben, so führt doch diese rein betriebswirtschaftliche Logik letztlich zum Einsturz des ganzen Systems. Erst recht, wenn der Staat eine solche schwäbische Haushaltsführung betreibt. Die eklatante Schieflage von Einnahmen und Ausgaben macht Krugman am Beispiel der Einkünfte der Spitzenverdiener der Finanzbranche fest, "[…] es gibt gute Gründe anzunehmen, dass ihre Einkommen oft in keinem Verhältnis zu ihren tatsächlichen Leistungen stehen." Der Spruch der Occupy-Bewegung, "Wir sind die 99 Prozent", trifft es folglich nach Meinung des Wirtschaftsnobelpreisträgers ziemlich genau.

Justierung des Homo oeconomicus


Die mathematische Modellierung einer sinnvolleren mikroökonomischen Auffassung von den Gesetzmäßigkeiten des Marktes liegt für Krugman, so kann man aus seinen Äußerungen schließen, im "Nash-Gleichgewicht". "Es mag zwar sein, dass ein einzelner Arbeiter bessere Aussichten hat, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn er einen niedrigeren Lohn akzeptiert […]. Aber wenn alle weniger verdienen, ändert sich nur eines: Alle verdienen weniger, aber die Schulden bleiben dieselben. Eine Flexibilisierung der Löhne […] verschlimmert die Situation daher nur."
War nach dem Begründer der Nationalökonomie, Adam Smith (1723-1790), die Grundlage für die Erschaffung von Wohlstand die Nutzenmaximierung des einzelnen Akteurs, so setzt Krugman im Grunde mit dem spieltheoretischen Lösungskonzept des Mathematikers John F. Nash darauf, dass der Akteur nicht nur das Beste für sich, sondern auch das Beste für alle anderen Akteure anstreben muss. Der Akteur, der jetzt entgegen dem Trend der allgemeinen Ausgabeträgheit und damit der Wirtschaftslähmung handeln müsse, könne allerdings allein der Staat sein.
   





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