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Die Partei der Nichtwähler wächst
POLITIK | BEMERKT (22.09.2009)
Von Katharina Nocun
Die Wahlen rücken immer näher und näher. Beim täglichen Fußweg durch die Stadt blicken uns die Kandidaten flehend an. Die öffentlichen Debatten gewinnen an Fahrt, die Fronten verhärten sich. Doch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger lässt das eher kalt.

Wir befinden uns inmitten der Hochburg einer der größten Parteien Deutschlands. Einer Partei, die über Probleme wie Mitgliederschwund und Politikverdrossenheit nur lachen kann: Die Partei der Nichtwähler. Was in der öffentlichen Debatte oft mit dem Stichwort Politikverdrossenheit gelabelt wird, zieht weite Kreise durch unsere Gesellschaft. Statt sich aktiv an der Abstimmung über die personelle Besetzung der Machtstrukturen innerhalb der politischen Führung von Land, Bund oder gar Kommune zu begeistern, frönen die Wahlberechtigten lieber anderweitigen Aktivitäten - und bleiben zu Hause anstatt ins Wahllokal zu schlendern.

Bei der Bundestagswahl 2005 hatten 77,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Ein Tiefstwert - ein Wert aber, von dem Wahlleiter auf Landes- und Kommunalebene noch träumen können. In Niedersachsen dieses Jahr zur Landtagswahl bequemten sich lediglich 57 Prozent zu den Wahlurnen. Eine interessante Beobachtung ist, dass mit zunehmendem Alter die prozentuale Wahlbeteiligung steigt.

Identifikation mit alteingesessenen Parteien fällt schwerer

http://www.flickr.com/photos/spanier/3910411907/

Und alle so: Yeaahh (c) http://www.flickr.com/photos/spanier/3910411907/

Die Verankerung der Parteien in der Gesellschaft schwindet zusehends. Um die Nichtwähler der Bundestagswahl 2005 bereinigt, hatten statt 35,2 nur 27,4 Prozent die Union und statt 34,2 nur rund 26,6 Prozent der Wahlberechtigten die SPD gewählt. Demnach hatten statt 69,4 nur 53,9 Prozent der Wähler der Großen Koalition ihre Stimme gegeben. Die Summe der Wechselwähler und bis kurz vor dem Wahlgang unentschiedenen steigt. Die Identifikation einzelner Bevölkerungsschichten mit einer bestimmten Partei erscheint heute altbacken. Vor wenig Jahrzehnten schien es noch so klar, dass man als Arbeiter die SPD und als Unternehmer die FDP zu wählen hatte, um seine Interessen angemessen vertreten zu wissen.
Auch wenn sich gewisse Parteien ab und zu doch ganz gerne als „Die Arbeiterpartei“ oder „Die Mitte“ darzustellen versuchen, ist doch unbestritten, dass die Unterschiede immer mehr verwischen. So ist auch die gängige Meinung des Bundesbürgers, dass die großen Parteien ideologisch gar nicht allzu weit von einander entfernt sein können, wo sie sich doch beide stets in „Der Mitte“ der politischen Landschaft wähnen. Inhaltlich sind sich die Parteien in den letzten Jahrzehnten allemal näher gekommen, bei dem Versuch sich die Stimmen der Unentschlossenen und Ungebundenen zu sichern.

Demokratie geht stets davon aus, dass die Bevölkerung bereit und auch willens ist, an dieser mitzuwirken. Die Wahl stellt eine Möglichkeit der Partizipation dar, die Parteimitgliedschaft eine noch viel stärkere - mag man denken. In Parteien wird neben der klassischen Mobilisierungsarbeit in Phasen von Wahlkämpfen auch inhaltlich diskutiert, wie es weitergehen sollte – aus Sicht der Partei, versteht sich. Inwiefern die erarbeiteten Positionen auf höhere Hierarchieebenen innerhalb des Partei-Apparates übertragen werden, ist dabei jedoch stets offen.
Fakt dagegen ist: Immer weniger Bundesbürger sind offizielles Mitglied einer Partei. Gründe für einen Austritt oder einen erst gar nicht stattfindenden Eintritt sind vielfältig.
Eine der Hauptursachen ist der Tod, die Parteien sind vom Aussterben bedroht, da ihnen die Mitglieder wegsterben. Denn während in den älteren Bevölkerungsschichten eine Parteimitgliedschaft noch Tradition hatte, stellt sich die Rekrutierung von Nachwuchs durchaus schwierig dar. Neben privaten Beweggründen spielen dabei oft auch die recht änderungsresistenten Machtstrukturen innerhalb der Parteiorganisation sowie langwierige und daher als schwerfällig wahrgenommene Prozesse der Willensbildung eine Rolle. Wer erwartet, in kurzer Zeit viel bewegen zu können, tritt meist schnell wieder aus. Demokratisch funktionierende Großorganisationen, wie Parteien es sind, sind nicht so agil und wendig, wie es kleine Gruppen mit wenigen Mitgliedern oftmals sein können. Die Wahl jedoch ist und bleibt das am wenigsten zeitaufwendigste Mittel, sich in die politische Entscheidungsfindung mit einzubinden. Daher sollten wir sie nicht ungenutzt verstreichen lassen und der Nichtwählerpartei damit ihren Nachwuchs entziehen.
   






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