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'Kanzlerkandidatin' Helga Zepp-LaRouche
POLITIK | AUS DEM POLITZIRKUS (26.09.2009)
Von Jan Falk
Im Vergleich zur ihr sind die etablierten Parteien eine ernstzunehmende Option: "Kanzlerkandidatin" Helga Zepp-LaRouche und ihre Bürgerrechtsbewegung Solidarität fordert die Wiedereinführung der D-Mark und die Rückkehr zur Atomenergie. Wenn das alles wäre ...

Nichtwählen ist jetzt en vogue. Heißt es. Denn die Parteien seien eh alle verlogen und hörten nicht mehr aufs Volk. Unser politisches Spitzenpersonal sei langweilig. Es seien keine erkennbaren politischen Positionen mehr auszumachen. Wenn man nun die Wahl insgesamt boykottiere, könne man den Politikern mal so richtig die Meinung sagen.
BüSo

Ohne Worte (c) BüSo

Dieses und ähnliches hört man in den letzten Wochen vor der Wahl immer öfter im Freundeskreis. Und auch die Süddeutsche Zeitung weiß zu berichten von politisch interessierten, hoch gebildeten Nichtwählern, die nun wirklich genug haben vom Politzirkus in Berlin.

Von korrupten Verbrechern regiert

Doch wer wirklich glaubt, Deutschland sei politisch bankrott und von korrupten Verbrechern regiert, der muss nicht gleich zum Nichtwähler werden. Es gibt doch die BüSo - die "Bürgerrechtsbewegung Solidarität" mit der sympathischen und kompetenten "Kanzlerkandidatin" Helga Zepp-LaRouche. Auch sie ist der Meinung, wie man der BüSo-Extra entnehmen kann, dass Deutschland "unter die Räuber gefallen ist, und die Bürger das Gefühl haben, dass es eigentlich niemanden gibt, an den sie sich wenden können." Wenn das nicht die richtige Partei ist für alle unseren reflektierten und gebildeten Nichtwähler!

"Wir haben das Patentrezept" heißt es auf den Plakaten der BüSo, die zumindest in Dortmund von jeder zweiten Laterne grüßen. Das ist schon mal ein Riesenvorteil gegenüber den anderen Parteien, oder? Doch schauen wir uns das Programm mal genauer an. Ein wichtiger Punkt ist die Wiedereinführung der D-Mark, denn die europäische Wirtschaftspolitik folge ausschließlich dem englischen Empire. Dieses scheint ohnehin eine viel größere Bedeutung für Vorgänge auf der ganzen Welt zu haben als gemeinhin angenommen, denn Obamas
Gesundheitsreform sei nach Vorbild des britischen NICE Systems entworfen, das wiederrum Hitlers Euthanasie-Programme zum Vorbild habe. Achso.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kulturpolitik. "Woher soll Veränderung kommen", fragt Zepp-LaRouche, "wenn die Politiker untertänig, die Manager Korrupt, die ‚Künstler‘ der Gegenwartskultur voller Drogen und die Massen verwildert sind?" Die BüSo ist überzeugt, dass nur eine "Veredelung des Einzelnen" weiterhilft. Klassische Musik und klassische Dichtung sollen die Menschen wieder mit ihrem Inneren in Übereinstimmung bringen. Denn - Piratenpartei aufgepasst! - "Genien entstehen nicht beim Videospiel [oder] im Chat-Room".
Ein anderes Ziel ist die vollständige Rückkehr zur Atomkraft. Klassische Klimapolitik ist übrigens eh sinnlos - es geht einzig und alleine um die Erhöhung der "Energieflußdichte, die mit der jeweiligen technischen Stufe verbunden ist pro Kopf und pro Quadratkilometer auf dem jeweils bewohnten Territorium". Die "fortgesetzte Existenz der menschlichen Gattung" sei nur durch neue Hochtemperaturreaktoren sicherzustellen.

Geteilte Weltanschauung

Soweit einige der Forderungen der Büso. Ausgemachter Blödsinn, den die da von sich geben? Verschwörungstheorien und weltanschauliches Gestrüpp? Sicher. Worauf ich hier natürlich hinauswill ist eine fairere Wahrnehmung unserer "großen" Parteien. Diese haben nämlich den Vorteil, dass ihre Politik auf einer geteilten Weltanschauung beruht. Weltanschauung nicht im Sinne von politischer Ideologie, denn die Parteien unterscheiden sich in ihren Programmen teils erheblich - sondern als Konsens darüber, worüber man redet.
Die FAZ stellte nach dem Dreierduell zwischen Westerwelle, Lafontaine und Trittin verwundert fest, dass "Westerwelle [.] die marktentscheidenden Unterschiede zwischen Liberalen und Sozialisten erklären [durfte], ohne dass Lafontaine wesentlich widersprochen hätte." Unsere Parteien kommen ohne Verschwörungstheorien aus und ohne eine grob verzerrte Wahrnehmung der Welt, wie dies bei der BüSo scheinbar der Fall ist. Dies ist ein Kennzeichen einer gesunden politischen Kultur - und nicht eines Systems, das eigentlich gar keine Demokratie ist, wie jüngst 33 Prozent der 18-35 Jährigen in einer Stern-Studie angaben.

Dass sich die Parteien in den letzten Jahren einander angenähert haben stimmt zwar teilweise. Aberselbst dies hat nicht nur Nachteile. Denn vielleicht sollten wir froh sein, dass die CDU nicht mehr der katholische und oft leicht unangenehm nationalistische bis ausländerfeindliche Verein ist, der sie bis vor kurzem noch war. Oder dass die Grünen nicht mehr darauf bestehen, Deutschland direkt zu deindustrialisieren. Oder dass die SPD eingesehen hat, dass ein ausgeglichener Haushalt durchaus ein schönes Ziel sein kann.

Unsere Politik ist zurzeit nicht sehr unterhaltsam. Aber sie ist bei weitem besser als ihr Ruf. Wer sich unterhalten möchte, soll ins Theater gehen.
   




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