Der Kaffee aus dem Wald
UMWELT | ACH, ÄTHIOPIEN (15.01.2006)
Von Ulrike Marx | |
Kaffee regt zwar an, ist selbst jedoch von eher friedlichem Gemüt. Brav lässt er sich in Reih und Glied auf Plantagen einpferchen, fristet dort ein monotones Leben, um sich schon bald widerstandslos weit unter seinem Wert verkaufen zu lassen. Wie an jedem Morgen durchstreift Ngomu das urtümliche Verbreitungsgebiet des Hochlandkaffees Coffea Arabica . Er klettert in den südwestlichen Gebirgswäldern Äthiopiens umher und hält Ausschau nach wild gewachsenen Kaffeebäumen, von denen er mühevoll die leuchtend roten Bohnen absammelt, um seine Familie von dem Erlös zu ernähren. Die äthiopische Regierung berechtigt die lokale Bevölkerung dazu, auf den verbliebenen drei Prozent der ursprünglichen Fläche die weltweit letzten natürlich vorkommenden Bestände zu beernten. Als bescheidene Gegenleistung verantworten sich Ngomu und seine Nachbarn für den Erhalt des Regenwaldes, verzichten auf Vieheintrieb in den Wald und Baumeinschlag. Seit 1997 ist der globale Kaffeemarkt absolut überversorgt und so bestimmt immer der billigste Anbieter den Preis. Ngomu sieht sich in seiner Existenz bedroht und wird bald gezwungen sein, auf andere Einnahmequellen umzusteigen. Vom Kaffeesammeln allein kann seine Familie auf Dauer nicht leben. Ngomus Freund Ghiday arbeitet auf einer Plantage. Mit 70prozentiger Beteiligung am Kaffee- Weltmarkt ist der Hochlandkaffee die bevorzugte Gattung und wird heute in fast allen tropischen Ländern großflächig kultiviert. Noch bis in 1960er Jahre hinein wurde traditionell unter einem mehr oder minder dichten Stockwerk aus Bäumen angepflanzt. Und das machte durchaus Sinn, weist Kaffee doch alle physiologischen Eigenschaften einer Schattenpflanze auf und gedeiht deswegen unter schützenden Baumkronen am besten. Ein großer Anteil wird auch aus sogenannten "Semi- Forest- Feldern oder aus Kaffee-Gärten erzielt. Dort wachsen die Kaffeesträucher als "Unterholz" im Wald oder stehen als Nebenkultur mit anderen Nutzpflanzen. Mit Blick auf eine üppige Ertragssteigerung werden diese bewährten Methoden jedoch zunehmend verdrängt, da auf Plantagen natürlich größere Dichten an Kaffeepflanzen zu erreichen sind. Von früh bis spät schuftet Ghiday für einen Hungerlohn auf der Plantage und setzt sich dabei täglich giftigen Agrochemikalien aus, die für das Wachstum der Kaffeepflanzen nötig sind, da Schattenbäume als natürliche Nährstofflieferanten und Stickstoff-Fixierer fehlen. Wächst Kaffee unter Schatten, so reifen die Kaffeebohnen gleichmäßiger, werden kräftiger und gehaltvoller. Das Blätterdach bricht den Wind, reflektiert allzu intensive Sonneneinstrahlung und schützt den Boden vor Austrocknung. So wird ein ganz eigenes, gemäßigtes Mikroklima im System erzeugt. Die Kaffeepflanzen werden robuster und widerstandsfähiger. Chemische Düngemittel können durch natürliche Stickstoff-Fixierung und Nährstoffzufuhr vermieden werden, der Boden wird durch die Verwurzelung vor Erosion bewahrt. Ngomu entdeckt auf seinen Streifzügen durch den Wald viele Insekten, Kleinsäuger und Vögel, die hier ihren Lebensraum finden. In den Wipfeln erspäht er ein Bienennest. Diese wild vorkommende Art Apis mellifera greift den Honigbienen auch bei der Kaffeebestäubung tatkräftig unter die Flügel. Worin besteht nun der Unterschied zur anfangs erwähnten trüben Tasse? Zugegeben scheint es ökonomisch rentabler, viele Kaffeesträucher dicht an dicht zu pflanzen. Doch auf Grund höherer Qualität, die der "Schatten-Kaffee" aufweist, kann dieser zunächst als Nachteil empfundene geringere Ertrag zum Teil ausgeglichen werden, wenn der Kaffee zu angemessenen Preisen verkauft wird. Im fairen Handel darf der Kaffeepreis einen gewissen Mindestwert nicht unterschreiten. Die direkte Vermarktung ohne geldverzehrende Zwischenhändler verschafft den Bauern ein geregeltes Einkommen, wenn der Kaffeetrinker bloß auf den Geschmack käme. Nur auf diesem Wege wird es den Bauern erst ermöglicht, umweltverträgliche und existenzsichernde Anbaumethoden zu praktizieren, was letztendlich auch dem Verbraucher zugute kommt. Stattdessen stößt er jeden Morgen auf den selben sonnengegerbten, verbitterten Typ. Milch und Zucker? |