Ohne Wald geht es nicht
UMWELT | STANDPUNKT (23.11.2009)
Von Bernd Hansjürgens | |
Eine wichtige Frage für die Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen besteht darin, ob und inwieweit die Wälder in ein neues Klimaabkommen einbezogen werden können. Noch im Kyoto-Protokoll spielte der Wald keine Rolle - hier fokussierten die Maßnahmen für den Klimaschutz allein auf die Emissionen aus den fossilen Energieträgern wie Öl, Kohle oder Gas - und dies vor allem mit Blick auf die Industrieländer. Erst seit der Klimafolgekonferenz in Montreal 2005 gelangte das Thema Wald auf die Agenda der Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen. Unter der Überschrift "Reducing Emissions from Deforestation and Degradation" (REDD) wurde gefordert, einen Mechanismus zu entwickeln, um den Wald in ein internationales Klimaregime einzubinden. CO2-Emissionen wegen Abholzung und Rodung Der Wald spielt für die globale Situation der Treibhausgase eine zentrale Rolle. Wald bindet Kohlendioxid. Zugleich steht der Wald, wenn er abgeholzt wird, nicht mehr als Senke für die Wald im deutschen Herbst (c) iley.de 20 Prozent - das sind weltweit immerhin genauso viele Emissionen wie aus dem gesamten Transportsektor! Die hierdurch verlorenen Flächen sind gewaltig und betreffen - bis auf Europa - alle Kontinente (siehe Anhang). Einigen wenigen Ländern mit Waldbestand kommt dabei eine besondere Bedeutung zu - im Vordergrund stehen hier die Länder mit tropischem Regenwald wie Indonesien, Myanmar, Kongo, Sambia oder Brasilien, aber auch die Länder mit borealem Waldbestand wie Kanada, die USA oder Russland. Drei gute Gründe für Erhalt des Waldes Es sind vor allem drei Gründe, die aus meiner Sicht eine Einbeziehung von Wald in die Klimaverhandlungen von Kopenhagen unabdingbar machen: 1. Die Weltengemeinschaft kann es sich einfach nicht leisten, 20 Prozent der Treibhausgase aus den Klimaverhandlungen auszuklammern. 2. Die Reduktion von CO2-Emissionen durch die Vermeidung von Abholzung ist eine sehr kostengünstige Vermeidungsalternative - die Schätzungen reichen je nach Lage und gegenwärtiger Nutzung von wenigen Cent bis zu 15 Euro pro vermiedener Tonne CO2. Vergleicht man dies z.B. mit der Speicherung von CO2 im Untergrund oder der Solarenergie, bei denen die Kosten bis zu 70 Euro pro Tonne reichen, so wird deutlich, dass erhebliche volkswirtschaftliche Kosten eingespart werden, wenn die Vernichtung von Wald gestoppt und CO2 auf diese Weise vermieden wird. 3. Hinzu kommt: Bäume sind nicht nur "Stöcke aus Kohlenstoff". Den Wald zu schützen, bringt viele weitere Vorteile: Der Wald ist Nahrungsgrundlage und sichert das Überleben für die lokale Bevölkerung; er trägt zur Regulierung der regionalen Wasserkreisläufe bei; und er ist wichtig im globalen Zusammenhang, z.B. für die Erhaltung der Biodiversität. Ökonomischer Wert Die TEEB-Studie führt im jüngsten Bericht einige Beispiele dafür auf, welchen ökonomischen Wert diese Ökosystemdienstleistungen haben: So wurde für einen tropischen Regenwald in Kamerun der Nutzen als Flutschutz auf 24, der Nutzen als Wasserspeicher sogar jährlich auf bis 270 US-Dollar pro Hektar geschätzt. Der Wert der Bestäuberfunktion im Wald lebender Tiere, etwa für benachbarte Kaffeeplantagen und andere landwirtschaftliche Produkte, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Für einen Wald auf der indonesischen Insel Sulawesi wurde dieser auf 46 Euro pro Hektar geschätzt. Die Idee von REDD ist dabei denkbar einfach: Die Länder mit hohen Waldbeständen und hoher Abholzung verzichten auf Waldvernichtung und erhalten dafür Zahlungen. Diese Zahlungen können für Überwachungs- und Schutzmaßnahmen eingesetzt werden, aber auch als Ausgleich für die lokale Bevölkerung, um den Verzicht auf Waldnutzung zu kompensieren und alternative Einkommensmöglichkeiten zu schaffen. Hoffnung für den Wald Und die Chancen für ein Waldabkommen scheinen nicht so schlecht zu stehen. Wenn auch Viele ein Scheitern der Verhandlungen in Kopenhagen mittlerweile für wahrscheinlich halten, beim Thema Wald scheint ein Durchbruch möglich: Zahlreiche Länder haben sich für die Etablierung von REDD ausgesprochen. Brasilien mag als prominentestes Beispiel dienen. In den "Climate Talks in Bangkok", einer der Gesprächsrunden vor der Klimakonferenz in Kopenhagen, wurde bereits ein weit reichender Vertragsentwurf erarbeitet, in dem in vielen Bereichen Einigkeit erzielt wurde. So wurden z.B. Zielwerte fixiert. Auch, dass man heute allgemein von REDD Plus spricht, das erweiterte Maßnahmen zur Wiederaufforstung und zum Erhalt der Biodiversität explizit mit einbezieht, ist ein solches Ergebnis. Es ist zudem auffällig, dass hier die Entwicklungsländer das Tempo und die Inhalte bestimmen - und nicht die Industrieländer. Zentrale Fragen noch nicht geklärt Und dennoch: Der Teufel steckt bei vielen Fragen wie so oft im Detail. Bei der Finanzierung ist unklar, ob es zu einer Fondslösung kommt oder eine marktorientierte Lösung gefunden wird. Im letzteren Fall würde der Wald Teil eines globalen Kohlenstoffmarktes werden. Dies könnte aber auch bedeuten, dass die Finanzierung waldbezogener Maßnahmen großen Schwankungen unterliegt. Gleichzeitig würden fallende CO2-Preise den Druck mindern, kohlenstoffarme Technologien zu entwickeln. Auch zentrale Fragen der Überwachung der Waldbestände, der Überprüfbarkeit und des Berichtswesens sind nicht geklärt. Auch muss gesichert sein, dass die Kompensationszahlungen in den Ländern angemessen an Beteiligte verteilt werden - und nicht allein beim Staat landen. Besonders umstritten ist die Frage, ob die REDD-Bestimmungen Regelungen gegen die Umwandlung von naturnahen Wäldern in Plantagen enthalten sollen - Länder wie z.B. die Demokratische Republik Kongo wehren sich dagegen. Aus ökologischer Sicht sind hier aber klare Regelungen dringend geboten. Es ist sehr schwierig, die Interessen von mehr als 100 beteiligten Staaten unter einen Hut zu bringen. Dies zeigt sich darin, dass viele Paragraphen des Vertragsentwurfs in Klammern gesetzt sind und mehrere Optionen enthalten. Immerhin hat eine sehr einflussreiche Studie unter Beteiligung Norwegens gezeigt, wie in einem phasenweisen Prozess die strittigen Fragen schrittweise geklärt werden können. Dies gibt in einem Umfeld, in dem zurzeit eher pessimistische Äußerungen zu hören sind, Anlass zu ein wenig Optimismus. (c) André Künzelmann/UFZ |