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Der manipulierte Mensch - der Mensch manipuliert
GESELLSCHAFT | ZUR DISKUSSION (15.06.2005)
Von Jörg Zielonka
Vor nun inzwischen zehn Jahren erblickten zwei lebensfähige Lämmer, Megan und Morag, das Licht der Welt, die nach Ansicht vieler Fachleute ein neues Zeitalter für die Biologie und Medizin ankündigten.

Yorgos Nikas, Hammersmith Hospital, London

Diese geöffnete Blastocyste ist ein Mehrzellstadium aus dem embryonale Stammzellen gewonnen werden. (c) Yorgos Nikas, Hammersmith Hospital, London

Die Schafe waren nicht auf dem natürlichen Weg durch die übliche Vereinigung von Ei- und Samenzelle hervorgegangen, sondern durch die Methode des sogenannten Kerntransfers entstanden. Das genetische Material für den Transfer stammte aus einem neun Tage alten Schafembryo. Die Tiere waren demzufolge genetische Kopien - Klone - dieses Embryos.
Es dauerte zwei Jahre bis im Februar 1997 ein neuer wissenschaftlicher Erfolg auf dem Gebiet des Klonens bekannt gegeben wurde. Wiederum war es der Arbeitsgruppe um Ian Wilmut vom Roslin-Institut bei Edinburgh gelungen, ein Schaf zu klonen. Diesmal stammte das Erbmaterial jedoch nicht von einem Embryo. Dolly war der erste Klon eines erwachsenen Säugetiers.

Das Klon-Schaf Dolly fand damals in den Medien ein gewaltiges Echo - wohl, weil die Aufmerksamkeit auf die theoretische Möglichkeit gelenkt wurde, bereits geborene Menschen zu klonen. Spätestens von diesem Zeitpunkt an war das Klonen für seine Verfechter und Gegner von besonderem Interesse und stand im Mittelpunkt zahlreicher Ethikdebatten.
Die Erzeugung geklonter Säugetiere wird von Wissenschaftlern nunmehr seit etlichen Jahren praktiziert. Als Empfänger für das Erbmaterial dient heute meist eine unbefruchtete Eizelle, die einem weiblichen Tier kurz nach dem Eisprung entnommen wird. Mittels einer Mikropipette werden die Chromosomen aus der Eizelle entfernt. Statt einen Ersatzkern zu injizieren, fusioniert man die Eizelle einfach mit einer kompletten Spenderzelle eines erwachsenen Tieres. Die Spenderzelle wird unter die gelatinöse Schutzhülle des Eies transferiert und durch einen Stromimpuls die Fusion der beiden Zellen herbeigeführt. Im Anschluss erfolgt die Implantation der Eizelle in die Gebärmutter eines scheinträchtigen Ersatzmuttertieres.

Der Aufwand für diese Art des Klonens ist jedoch enorm. So wurden zum Beispiel für Dolly mehr als 400 Eizellen von hormonell stimulierten weiblichen Schafen entnommen und mit Euterzellen als Kernspendern verschmolzen. Von den 277 entstandenen Embryonen entwickelten sich in den ersten Wochen nur zehn Prozent programmgemäß weiter. Diese wurden in dreizehn Ersatzmütter verpflanzt, wobei nur ein einziges lebensfähiges Lamm geboren wurde.
Nach den bisherigen Erfahrungen an Nutztieren, Mäusen und Kaninchen bleiben nur wenige Prozent der ursprünglich erzeugten Klon-Embryonen bis zur Geburt am Leben. Viele der geklonten Tiere sind übergroß oder weisen starke körperliche Schäden auf. Ihre Todesrate kurz vor oder nach der Geburt liegt zwischen 40 und 75 Prozent.

Neben den Kinderkrankheiten, die jedes neue Verfahren mit sich bringt, sollte man den möglichen Nutzen des Klonens nicht außer Acht lassen. Gerade das sogenannte therapeutische Klonen gewinnt als Methode zur Produktion von embryonalen Stammzellen immer mehr an Bedeutung. Beim therapeutischen Klonen wird ebenfalls ein Kerntransfer nach der Dolly-Methode durchgeführt. Für die Wissenschaftler ist hier jedoch nicht die weitere Entwicklung des Embryos von Interesse, sondern ein sehr frühes Entwicklungsstadium, die sogenannte Blastocyste. Die innere Zellmasse der Blastocyste enthält pluripotente Stammzellen, die fast alle Zelltypen hervorbringen können. Unter geeigneten Kulturbedingungen, so erhofft man sich, sollten die entnommenen embryonalen Stammzellen sich weiter vermehren und gezielt in die gewünschte Zell- oder Gewebeart umwandeln lassen. Das Verfahren hätte den Vorteil, dass die Zellen eines solchen Transplantats vom Körper nicht als fremd erkannt und deshalb nicht abgestoßen würden. In Zukunft ist es denkbar, dass Stammzellen als Spenderquelle für Transplantationen dienen, wenn körpereigene Zellen durch akute oder chronische Erkrankungen verloren gehen. Die Entwicklung der Stammzelltherapie richtet sich derzeit insbesondere auf Gehirn und Rückenmark, da sich diese komplexen Systeme von selbst kaum regenerieren können. Unter den neurologischen Krankheiten sind Multiple Sklerose und Morbus Parkinson die aussichtsreichsten Kandidaten für eine Therapie durch embryonale Stammzellen.

Einen bedeutenden Forschungserfolg in Richtung des therapeutischen Klonens konnte das südkoreanische Forscherteam um Woo Suk Hwang am Anfang dieses Jahres erzielen. Bereits im Februar 2004 hatte Hwang weltweit für Aufsehen gesorgt. Seinem Team war es gelungen, eine Eizelle mit dem Erbmaterial einer normalen Hautzelle zu "befruchten". Dies geschah wie im Tierexperiment durch einen Kerntransfer, der erstmals in der Geschichte zu einem geklonten menschlichen Embryo führte. Das Experiment wurde nach dem Erreichen eines Mehrzellstadiums, der Blastocyste, abgebrochen.
Durch die Verfeinerung ihrer im vergangenen Jahr etablierten Technik konnten die Forscher von der Nationalen Universität in Seoul Stammzelllinien für elf Patienten gewinnen, die im Prinzip für eine Stammzelltransplantation zur Verfügung stünden. Neun der Zelllinien stammen von Patienten mit traumatischen Rückenmarksverletzungen, die beiden anderen leiden an einer kongenitalen Hypogammaglobulinämie oder juvenilem Diabetes mellitus. Bei diesen Erkrankungen wird zurzeit die Möglichkeit einer Stammzelltherapie erwogen.

Trotz der Euphorie werden noch Jahre in der Grundlagenforschung nötig sein, bis erste klinische Versuche beginnen können. Zudem sehen Kritiker die Gefahr, dass die wissenschaftliche Klonforschung Rezepte für reproduktives Klonen durch Sekten und verantwortungslose Reproduktionsmediziner liefern könnte. Die Horrorvorstellung uneingeschränkt lebensfähige Menschen zu klonen liegt nach Ansicht renommierter Wissenschaftler noch in ferner Zukunft. Heute ist reproduktives Klonen von Menschen völlig abwegig, das Risiko von Fehlbildungen und -geburten derzeit noch viel zu hoch. Ein solches Vorhaben scheitert allein an der Beantwortung folgender Fragen: Wie soll man hunderte Leihmütter verpflichten, die man für vielleicht ein einziges lebend geborenes Klon-Kind braucht, weil die anderen schon vor Ende der Schwangerschaft verloren gehen? Was soll aus all den Kinder werden, die mit schwersten Defekten zur Welt kommen? Wer soll für die Pflege aufkommen oder sollte man dies der Allgemeinheit anlasten?
Ob jedoch sicheres reproduktives Klonen nicht auch eine Alternative zur bisherigen Form der Fortpflanzung sein könnte, wird uns die Zukunft zeigen. Bislang sind wir in der Lage, die Hälfte des Erbguts für unsere Nachkommen durch die Wahl unseres Partners zu bestimmen. Durch reproduktives Klonen wäre es möglich, über das gesamte Erbgut mittels der gewählten Kernspenderzelle entscheiden zu können. Der Einfluss, den wir auf die genetische Ausstattung unserer Kinder nehmen können, vergrößert sich. In welchem Maße dies als moralisch oder unmoralisch zu rechtfertigen ist, muss auch im Kontext der Menschheitsgeschichte gesehen werden. Seit Jahrtausenden schon wird die Fortpflanzung anderer Lebewesen durch den Menschen bestimmt, um sie nach seinem Willen zu formen.
   





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