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Über die Forschung an menschlichen Embryonen
GESELLSCHAFT | THEOLOGIE UND BIOMEDIZIN (15.05.2007)
Von Martin Wißmann
Nicht nur mit Blick auf die Bundestagsanhörung im Mai ist die Diskussion, ob der Mensch regenerierbar sein sollte, eine aktuelle und sehr brisante. "Wunderwaffe Stammzellen?" Unter dieser provozierenden Leitfrage stand ein Ärztetreffen in Münster. Antworten aus theologischer und biomedizinischer Sicht:

Aike Arndt

(c) Aike Arndt

Gemeint waren vor allem Stammzellen von menschlichen Emybronen. Dr. Reinhard Lettmann, Bischof vom Bistum Münster, hob hervor, dass die zurzeit gültige, restriktive gesetzliche Regelung zur Arbeit mit embryonalen Stammzellen seinerzeit von Forschern gewollt und deshalb beschlossen worden war. "Nun fordern dieselben Wissenschaftler die Aufhebung der Stichtagsregelung", sagte er. Das derzeit gültige Gesetz schreibt vor, dass in Deutschland nur mit solchen embryonalen Stammzellen geforscht werden darf, die vor dem 1.1.2002 im Ausland entstanden sind, um zu verhindern, dass Embryonen speziell für Forschungszwecke erzeugt werden. Vor dem Hintergrund dieser Kehrtwende der Forscher stelle sich die Frage, inwieweit mit der Öffentlichkeit gespielt und manipuliert werde, so Lettmann. Ein ethisch ehrlicher und wissenschaftlicher Diskurs sei notwendig.

Ein wesentlicher Aspekt war die Frage, welche Chancen sich künftig möglicherweise für Patienten böten, wenn die Stammzellforschung tatsächlich Heilungsansätze bringe. "Reproduktionsmedizin möchte Gebrechen des Alters und Krankheiten lindern", sagte Professor Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin dazu. Auf Nachfrage musste er einräumen, dass die Möglichkeiten ihn zwar überzeugen würden, man heute aber nichts versprechen dürfe. Dennoch: "Wer nicht auslotet, kann auch nichts herausfinden." Wenn man es schaffen würde, werde die Therapie am wahrscheinlichsten bei zellbasierten Krankheiten helfen, also "eher bei Parkinson als bei Alzheimer". Sichere Hoffnung könne er jedoch nicht wecken: "Wir sind noch in der Phase, wo wir verstehen wollen."
Der emeritierte Moraltheologe Prof. Klaus Demmer, der früher an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom lehrte, äußerte in diesem Kontext, dass Ergebnis von Forschung eben auch der Misserfolg sein könne. Im Übrigen habe derjenige die Rechtfertigungspflicht, der mit embryonalen Stammzellen forsche, nicht derjenige, der solche Forschungen hinterfrage.

Embryonale Stammzellen sind "Alleskönner"

Schöler nannte das Wort "Alleskönner" für embryonale Stammzellen, während er adulte (ausgewachsene) Stammzellen aus dem Fruchtwasser, aus der Nabelschnur oder aus dem Knochenmark als "Spezialisten" bezeichnete. Erstere könnten tatsächlich Körperzellen jeder Art bilden, während letztere tendenziell auf wenige Organe beschränkt seien und außerdem nur risikobehaftet umgewandelt werden könnten. Aus der Bauchspeicheldrüse beispielsweise könne man auch gar keine adulten Stammzellen entnehmen. Den Forschungsansatz des therapeutischen Klonens, wobei Körperzellkerne künstlich mit Eizellen verschmolzen würden, nannte Schöler eine Sackgasse - zumal dabei viele Eizellen verbraucht würden, was einen "extrem zweifelhaften Markt für Eizellspenderinnen" entstehen ließe. Mehr Chancen sah der Genforscher von Weltrang in der so genannten Zell-Reprogrammierung, wobei adulte Stammzellen etwa aus Nabelschnurblut mit embryonalen Stammzellen verschmolzen würden.
Adulte und embryonale Stammzellen müssten erforscht werden. Deshalb forderte der Wissenschaftler, dass es deutschen Forschern künftig erlaubt sein solle, auch frische embryonale Stammzellen einzuführen - was außer den Deutschen und Italienern derzeit alle dürften.

Umgang mit Ebryonen in Deutschland

In dem Zusammenhang zeigte Schöler Widersprüche in Gesetzen auf: Nach Abtreibungen würden in Deutschland Föten von zehn Zentimeter Größe legal am Weiterleben gehindert, während es den Wissenschaftlern verboten sei, Embryos von einem oder zwei Zehntel Millimeter für die Forschung zu verwenden. Zudem würden überzählige Embryonen, die als Nebenprodukt von Retortenbabys entstünden, zu Hunderttausenden in Deutschland zu biologischem Abfall. "Da wird man doch fragen dürfen, warum Stammzellforscher nicht mit solchen Embryonen arbeiten dürfen", sagte Schöler.

Aus Sicht des Moraltheologen Demmer stellte sich dies anders dar: "Der Mensch entwickelt sich nicht zur Person, sondern als Person. Kein Embryo darf geopfert oder instrumentalisiert werden." Er warf die Frage auf, ob überhaupt jemand das Recht habe, über Embryonen zu bestimmen: etwa die Eltern, der Arzt, die Forschungsgemeinschaft oder ein ethisches Komitee - was er kategorisch verneinte. In seiner kritischen Haltung ging er noch einen Schritt weiter: "Was macht den Unterschied zwischen todgeweihten Embryonen und todgeweihten älteren Menschen?" Nur die Forschung an adulten Stammzellen sei ethisch gesehen ebenso unkritisch wie Ansätze, bei denen "Artefakte" (vom Menschen erzeugte Zellhaufen, die keine lebensfähigen Individuen sind) verwendet würden.

Wann beginnt menschliches Leben?

So stellte sich auch die Frage, wann das humane Leben überhaupt beginnt. Laut Prof. Schöler sei die Antwort im Gesetz, nach der dieser Zeitpunkt mit der Verschmelzung von männlicher Samen- und weiblicher Eizelle gegeben sei, falsch: "Mit dem Eindringen des Spermiums handelt es sich bereits biologisch gesehen um einen Embryo." Anderseits wies er darauf hin, dass bei Befruchtung in der Petrischale sich ohne Einpflanzung des Embryos in eine Gebärmutter kein Mensch entwickle. Demmer warnte vor einem Dammbrucheffekt: "Jede Grenzziehung, wo das Leben beginnt, ist willkürlich. Der Entwicklungsprozess ist kontinuierlich." Auch kein Kleinkind überlebe auf sich allein gestellt, ebenso wenig viele Kranke, Gebrechliche und Alte.

Wie der Stammzellenforscher Prof. Hans Schöler tatsächlich mit solchen Fragen umgeht, wenn es hart auf hart kommt, zeige sich möglicherweise dann, wenn ein ihm nahe stehender sterbenskrank würde: "Wenn ich dann eine Chance sehe, durch Forschung mit embryonalen Zellen zu helfen, würde ich zur Not auch ins Ausland gehen." Und der Moraltheologe Prof. Klaus Demmer offenbarte: "Wir enden immer in einem Dilemma, es gibt keine Lösung ohne ethisches Fragezeichen. Alles andere ist Utopie."
   





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