Im Namen Gottes - Wie man Terroristen erschafft
GESELLSCHAFT | ZUR DEBATTE (15.02.2007)
Von Martina Hempel | |
"Der Kampf der Kulturen ist immer der Kampf der Religionen. Und den Kampf der Religionen haben die Religionen längst verloren - jede für sich." (Hagen Rether) Nicht erst seit dem 11. September 2001 gibt es Menschen, die überzeugt sind, dass Religionen eine Hauptursache von gewaltsamen Auseinandersetzungen sind und dass ohne sie die Welt viel friedlicher aussehe. Religiös motivierter Terrorismus ist ein neues Lieblingsthema in den Medien geworden, wobei speziell "islamische Fundamentalisten" eine Hauptrolle spielen und als besonders gefährlich dargestellt werden. Aber nicht jeder religiöse Mensch wird Terrorist. Wie also kommt es zu religiös motiviertem Terrorismus? Terrorismus definiert In der Diskussion um Terrorismus wird oft mit unfairen Mitteln gekämpft. Da ist der Freiheitskämpfer des einen der Terrorist des anderen. Definitionen des Begriffs Terrorismus gibt es viele. Die meisten sind subjektiv geprägt und verschieden interpretierbar. Ich möchte versuchen, mich der Bedeutung von Terrorismus auf möglichst neutrale Weise zu nähern und Wertungen auszublenden. Terrorismus umfasst sowohl die Anwendung von als auch die Drohung mit der Anwendung von Gewalt, wobei die Drohung von einem vorausgehenden Akt der Gewalt begleitet sein muss, damit sie glaubhaft ist. Die Form, die Terrorismus annehmen kann, ist relativ beliebig. Sie reicht von Bombendrohungen, über Entführungen bis hin zu Sprengstoff- und Giftgasanschlägen. Terrorismus unterscheidet sich von kriegerischen Handlungen in Motivation und Ziel. In kriegerischen Handlungen sind Ziel und Opfer identisch. Man greift ein militärisches Ziel des Gegners an, um ihn zu schwächen und die eigene Position zu verbessern, womit häufig Gebietsgewinne verbunden sind - vorausgesetzt man hält sich an die Genfer Konventionen, die Angriffe auf Zivilisten verbieten, und lässt so genannte "Kollateralschäden" außer Acht. Die Opfer von Terrorismus sind nicht die Ziele der Terroristen. Terrorismus gegen "Unschuldige" dient als Kommunikationsmittel, mit dem Ziel, seine (politischen) Forderungen zu unterstreichen. Durch Anschläge soll Angst und Schrecken verbreitet, aber auch Sympathie und Bestätigung für die Ziele der Terroristen gewonnen werden. Die Rolle der Medien ist dabei nicht zu unterschätzen, da sie bestimmen, welchen Bekanntheitsgrad eine terroristische Vereinigung erhält, und indirekt dazu beiträgt, die Furcht in der Bevölkerung zu schüren. This is a graffiti from downtown Houston. (c) EDgAr H. (flickr.com) Religion als Motiv und Begründung für terroristische Taten lässt sich in vielen Kulturkreisen finden. Man könnte meinen, dass einige Religionen von ihrem Grundverständnis her friedlicher sind als andere (z.B. Buddhismus), doch diese Frage soll nicht Gegenstand dieses Textes sein. Religionen leben von den Menschen, die sie ausüben und weitergeben, dabei wird die Religion verändert. Immer wieder finden sich Menschen, die die heiligen Überlieferungen neu interpretieren und ihnen ihren eigenen Stempel aufdrücken. Fundamentalismus ist eine Strömung, die versucht, sich auf die Ursprünge der Religion zu besinnen und sie so auszuüben, wie es von Gott gedacht und von den Begründern der Religion überliefert wurde. Dabei setzt man auf eine Neuordnung der Welt nach dem Vorbild vergangener Zeiten, die allerdings konträr zu den real existierenden Bedingungen stehen. Die Verbreitung der neuen/alten Lehre erfolgt mittels Propaganda, mit verheißungsvollen Versprechen und Drohungen. Natürlich werden nicht alle Fundamentalisten zwangsläufig gewalttätig. Es gibt religiöse Fundamentalisten, deren Dogma uneingeschränkte Friedfertigkeit ist. Allerdings trägt Fundamentalismus immer die Gefahr in sich, durch die Absolutstellung der eigenen Religion Toleranz und Friedfertigkeit gegenüber Andersdenkenden einzubüßen und den eigenen Glauben mit Gewalt zu verteidigen. Instrumentalisierung von Frustration All das erklärt aber immer noch nicht, warum einzelne Menschen so weit gehen, ihr Leben und das vieler anderer Menschen gewaltsam zu beenden. Terrorist wird man selten von heute auf morgen. Und ich wage zu behaupten, dass Religion nicht die Ursache von Terrorismus ist, sondern nur das Mittel zum Zweck derer, die die Drahtzieher von Terrorismus sind. Der wahre Grund ist meiner Meinung nach ein hoher Grad an Wut und Frustration, das Gefühl der Ohnmacht, eigene Ziele nicht erreichen zu können. Das kann unterschiedliche Ursachen haben: Arbeitslosigkeit, Unzufriedenheit mit der politischen Situation im Land, Armut in der Bevölkerung, tief empfundene Ungerechtigkeit oder Rachegelüste, zum Beispiel durch den gewaltsamen Tod eines Angehörigen. Diese Frustration wird von einflussreichen Personen aufgegriffen und zu Nutze gemacht. Die wahren Beweggründe dieser Personen sind dabei nicht immer leicht zu erkennen. Dass es weniger um religiöse Visionen, sondern vordergründig um Macht und Einfluss geht, lässt sich erahnen. Diese Strippenzieher bieten eine Erklärung, wie die Welt sein sollte, warum sie so schlecht ist und vor allen Dingen einen Schuldigen für die Misere. Ein Feind wird kreiert, auf den die gesammelte Frustration kanalisiert und abgelassen werden kann. Gruppenidentität vs. Entmenschlichung Zwei Prozesse werden in Gang gesetzt. Einerseits wird ein Identifikationspunkt geschaffen, in diesem Fall die gemeinsame Religion, deren besondere Art der Ausübung eine Gruppe von Menschen stärker zusammenschweißt. Die Mitglieder sind "Auserwählte" - "gleicher als die Anderen". Innerhalb der Gemeinschaft wird das gemeinsame Weltbild gelebt und glorifiziert. Man bestärkt sich gegenseitig, in dem was man tut, erfährt Anerkennung, Geborgenheit und Freundschaft. Es entsteht ein starkes zwischenmenschliches Netz, aus dem es kaum einen Weg hinaus gibt. Auf der anderen Seite wird das Feindbild geschaffen, Opfer, die es zu rächen und Täter, die es zu bestrafen gilt. Die Entmenschlichung des Täters, also den Gegner nicht mehr als ebenso empfindsames Wesen wahrzunehmen, wie man selber eines ist, hilft, die Hemmschwelle zur Gewalttätigkeit zu senken. Zur Rechtfertigung werden die heiligen Schriften herangezogen. Die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten alter Überlieferungen sind den Anstiftern und Demagogen von Vorteil. Sie können sie für ihre Ziele zweckentfremden. Der Konflikt wird auf ein transzendentes Level gehoben und die Menschen durch himmlische Versprechen gelockt. Widersprüche oder Einwände in den heiligen Schriften, die beispielsweise Gewaltanwendung nur im Verteidigungsfall zulassen, werden durch einfache Umkehrung der Täter-Opfer-Verhältnisse entschärft. Terrorismus im Namen Gottes geht von fundamentalistischen Ideen aus. Aber Religion ist nicht notwendigerweise und selten die einzige Motivation für einen terroristischen Anschlag. Demagogen geben vor, den Willen Gottes zu kennen. Die religiöse Rechtfertigung ist für sie ein nützliches Konzept, um Menschen für ihre Sache zu gewinnen und zu verheizen. |