Aus Angst vor einer Kartoffel
WIRTSCHAFT | VOR ORT in Mecklenburg-Vorpommern (06.08.2010)
Von Michael Billig | |
Sie legen sich mit dem Chemieriesen BASF an, zerstören fremdes Eigentum, narren Polizei und Security, landen dennoch auf dem Polizeirevier - und schließlich vor Gericht. Sie selbst nennen sich "Feldbefreier". "Wir stehen für eine bäuerliche, zukunftsfähige Landwirtschaft und nicht für eine industrielle Landwirtschaft, die auf Gentechnik setzt", erklärt Jochen Fritz den versammelten Medien. Fritz ist Sprecher einer Gruppe von Menschen, die nun in weißen Schutzanzügen, vereinzelt barfüßig um ihn herum stehen. Ein halbes Dutzend ihrer Mitstreiter hat sich zu diesem Zeitpunkt längst in umliegenden Büschen und Feldern verschanzt. Von dort aus wollen sie an Polizei und Sicherheitsmännern vorbei den Acker stürmen, auf dem die Amflora. Kartoffel gedeiht. Diese Kartoffel ist eine Erfindung der Firma BASF Plant Science. Die Pflanze ist gentechnisch verändert. Sie kann mehr Stärke produzieren als herkömmliche Kartoffeln. Das 20 Hektar große Feld in der Gemeinde Zepkow, Mecklenburg-Vorpommern, ist das einzige in Deutschland, auf dem die Amflora angebaut wird. Die Aktivisten wollen sie am liebsten aus dem Boden reißen. Das haben sie auf einer Internetseite öffentlich angekündigt. Fernsehen, Radio, Presse und iley sind gekommen, um von der Aktion zu berichten. Außerdem hat BASF für eine kleine Gegendemo mit Luftballons und Häppchen 30 Mitarbeiter heran gekarrt. "BASF – The Chemical Company" steht auf den Cappys, die sie alle tragen. "Wir machen keine Feldzerstörung, wir machen eine Feldbefreiung", geht Fritz auf Fragen der Journalisten ein und rattert die Argumente der Amflora-Gegner herunter: - Es gebe keinerlei Studien zu Gesundheitsrisiken und Umweltauswirkungen. - Obwohl die Amflora nur für die Industrie gedacht ist, sei eine Verunreinigung von Futter- und Lebensmitteln zu befürchten. - Die Amflora sei eine patentierte Kartoffel, also Eigentum der BASF. Sie zerstöre bäuerliche Existenzen. - Sie enthalte eine Antibiotikaresistenz. "Diese Kartoffel gehört in den Sondermüll und nicht aufs Feld", rundet Fritz seine Worte ab. Darf man sie ihm glauben? "Unwissenschaftlich", "maßlos", "pauschal" sind die Worte, mit denen Susanne Benner darauf reagiert. Benner ist "Head of Communication" bei BASF. Sie sagt: "Ich habe von keinem einzigen Fall gehört, wo es einen Schaden durch Amflora gegeben hat." Während beide Seiten vor laufenden Kameras miteinander diskutieren, schreiten zwei "Feldbefreier" zur Tat. Ein paar hundert Meter von der Meute enfernt rupfen sie Kartoffelpflanzen raus und stopfen sie in blaue Müllsäcke. Polizisten springen ins Feld und stürzen sich auf die Täter. Dieses Spielchen zieht sich rund eine Stunde hin, bis sich alle Aktivisten aus ihrem Versteck getraut und zugeschlagen haben. Endstation ihrer "Feldbefreiung" ist das Polizeirevier in Röbel, einer benachbarten Kleinstadt. Großen Schaden angerichtet haben sie nicht. Die Aktion hat für sie aber symbolischen Wert. Ihr Kampf gegen BASF und die Genkartoffel geht weiter, demnächst vor Gericht. Die ganze Aktion hat sich am 29. Juli 2010 am Rande einer buckeligen Piste in Mecklenburg-Vorpommern zwischen den beiden Dörfern Bütow und Zepkow abgespielt. |