Aufklären, Ziel erfassen - und ausschalten
WIRTSCHAFT | UNBEMANNTE FLUGSYSTEME (11.09.2011)
Von Michael Billig | |
US-Drohne tötet Aufständische - so lauteten in diesem Jahr mehrfach Meldungen aus Afghanistan. Die sogenannten unbemannten fliegenden Systeme erleben in Zeiten des Krieges einen regelrechten Boom. Auch die Bundeswehr setzt zunehmend auf unbemannte Luftunterstützung. Die Anzahl aller Formen von unbemannten Systeme (UMS) – ob auf dem Land, zu Wasser oder in der Luft – steigt rapide an. Im Jahr 2000 verfügten etwa die US-Streitkräfte über weniger als 50 UMS. Acht Jahre und einige Kriege später waren es mehr als 6000. Das geht aus einem noch unveröffentlichen Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag (TAB) hervor. Der fast 300 Seiten starke Bericht über "Stand und Perspektiven der militärischen Nutzung unbemannter Systeme" liegt iley vor. Der Titel klingt nüchtern, der Inhalt hat es in sich. So reiche das Spektrum pilotenloser Fluggeräte von libellengroßen Aufklärern wie dem "PD-100 Black" bis hin zu Aufklärungssystemen mit einer Spannweite von fast 40 Metern wie dem "Global Hawk". Auch an 200 Meter langen und bis zu 40.000 Kilo schweren Luftschiffen, die in der Stratosphäre als Aufklärungsplattformen und Relaisstationen schweben sollen, werde geforscht. Die Verfasser der TAB-Studie führen das solarbetriebene Schiff "Solitair", das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt wird, als ein Beispiel aus Deutschland an. "Mikado", "Aladin" und Co. verstärken deutsche Soldaten Die Bundeswehr verfügt bereits über unbemannte fliegende Systeme für Aufklärungs- und Überwachungsmissionen. Das kleinste nennt sich "Mikado". Mindestens 20 Exemplare befinden sich im Besitz des Heeres, sieben davon sind am Hindukusch stationiert. Das Gewicht einer "Mikado"-Drohne beträgt gerade einmal ein Kilo, die Flughöhe 100 Meter und die Flugdauer 20 Minuten. Mit diesen Werten ist sie vor allem für urbanes Terrain geeignet. Mittels Farb- und hochempfindlicher Schwarz-Weiß-Kameras überträgt sie Bilder in Echtzeit. Etwas höher, länger und weiter operiert "Aladin". Dabei handelt es sich um ein System, das per Handwurf gestartet wird. Die Bundeswehr hat sich bis Anfang 2009 mit 115 Aladin-Systemen ausgerüstet. In Afghanistan sind 31 im Einsatz. Als wesentlicher Träger von Bundeswehr-Missionen gilt das "Luna"-System. Aus einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern kann es Aufklärungsdaten an die Kontrollstation am Boden schicken. Die Flugdauer reicht drei bis fünf Stunden. Die Missionsführung kann sowohl vollautomatisch erfolgen als auch ferngesteuert. Flugprogramme und somit Flugrouten können während des Fluges geändert werden. "Luna" war bereits im Jahr 2000 im Kosovo im Einsatz. Über Afghanistan patroullieren 27 dieser Systeme. Damit nicht genug: Das sogenannte KZO-System macht die Ziele ausfindig, die die Artillerie ins Visier nehmen soll. Eines dieser Systeme besteht aus jeweils zehn Fluggeräten, zwei Bodenkontrollstationen, Start-, Werkstatt-, Antennen- und Bergefahrzeugen. Mithilfe hochauflösender Infrarotkameras können diese pilotenlosen Fluggeräte aus einer Höhe von bis zu 4000 Metern georeferenzierte Daten liefern. Ihre Reichweite liegt bei 65 Kilometern. Allein für das Jahr 2009 zählt die Bundeswehr 500 KZO-Einsätze in Afghanistan. Predator und Reaper mit Waffen bestückt Außerdem hat das Bundesverteidigungsministerium fünf Systeme des Typs "Heron 1" geleast. Drei kreisen bis zu 24 Stunden täglich über afghanischen Territorium. Sie haben eine Reichweite Nicht mehr nur ein Modell, sondern in Afghanistan längst im Einsatz: die Tarnkappendrohne "RQ-170 Sentinel" - auch "Beast of Kandahar" genannt. (c) Wikipedia Als "spektakulär" bezeichnen die Verfasser der TAB-Studie die Tarnkappendrohne "RQ-170 Sentinel", die von den US-Streitkräften für verdeckte Operationen in Afghanistan genutzt werde. Dieses Geheimprojekt, auch "Beast of Kandahar" genannt, unterstütze kämpfende Einheiten mit Aufklärung und Überwachung. Das US-Verteidigungsministerium erwarte noch in diesem Jahrzehnt "leistungsstarke bewaffnete Systeme", heißt es weiter in der Studie. Doch Drohnen dieser Art gibt es schon heute, wie die Verfasser wissen. Sie führen die Beispiele "MQ-1 Predator" und "MQ-9 Reaper" an, zwei Systeme, die mit Lenk-Flugkörpern beziehungsweise präzisionsgelenkten Bomben sowie "Hellfire"-Raketen bestückt werden können. Stark umstritten ist, ob diese Systeme künftig in die Lage versetzt werden sollen, ohne menschliche Handlung, völlig autonom von einer Waffe Gebrauch zu machen. Noch ist die Technik nicht so weit. Noch drückt jemand in einer weit entfernten Kontrollstation auf einen Knopf und löst somit den Angriff aus. Doch die Forschung schreitet voran, auch in Deutschland. Drohnen-Forschung an der Uni Die Hersteller dieser unbemannten Flugsysteme sind größtenteils Rüstungskonzerne aus den USA. Doch auch in Deutschland sind Firmen ansässig, die sich auf Drohnen spezialisiert haben. Das Institut für Echtzeit Lernsysteme an der Uni Siegen kooperiert etwa mit dem vor Ort ansässigen Unternehmen Microdrones. Gemeinsam arbeiten Forscher und Entwickler an einem autonomen Flugroboter. Der Prototyp trägt den Namen "Psyche". Er basiert auf dem "Quadrokopter" von Microdrones. Die Firma ist im Geschäft mit Überwachungsdrohnen aktiv. Ihre Drohnen finden nach eigenen Angaben in den Bereichen Fotografie, Archäologie, Inspektion, Feuerwehr, Rettungsdienste, Grenzschutz, Polizei, Armee und "Sondereinheiten" Anwendung. Als Kooperationspartner weist die Firma auf ihrer Internetseite außerdem die TU Dortmund und die RWTH Aachen aus. Glaubt man den Verfassern der TAB-Studie, dann gehört unbemannten Systemen der Himmel. Dort würden auch ihre zivilen Einsatzmöglichkeiten wachsen, vor allem in der Sicherheitsbranche, zur Überwachung von Energie- und Verkehrsstrukturen sowie bei Einsätzen von Polizei und Feuerwehr. Das Militär wird den Markt für unbemannte Luftsysteme vorerst aber weiter dominieren. Völkerrechtliche und ethische Fragen wurden dazu bislang kaum diskutiert. |