Sonden erkunden Geheimnisse des Götterboten Merkur
UMWELT | PLANETENFORSCHUNG (14.05.2009)
Von Michael Billig | |
Noch tüfteln Wissenschaftler und Ingenieure der Deutschen Luft- und Raumfahrt (DLR) an der Feinjustierung ihres Messinstruments. Doch bald schon soll es sich dem Planeten Merkur bis auf 400 Kilometer nähern und seine Oberfläche untersuchen. Bald heißt in diesem Fall 2020. Derweil hat eine andere Mission neue Bilder von Merkur zur Erde gefunkt. Die Merkur-Oberfläche ist mit Kratern übersät. (c) ESA Vulkankrater auf dem Planeten Ein großes Geheimnis, das Wissenschaftler umtreibt, ist der Planetenkern von Merkur. Sein Radius macht zwei Drittel des Planetenradius’ aus. “Ein zweiter Himmelskörper könnte eingeschlagen sein und Teile von Merkurs Mantel abgesprengt haben”, sagt Prof. Harald Hiesinger, Planeteloge an der Uni Münster. Aber das ist nur eine Theorie, wie Hiesinger einräumt. Überhaupt beruht vieles von dem, was wir heute über Merkur wissen, auf Theorien. Die bisherige Annahmen, der Planet verfüge über keinen Vulkanismus, musste beispielsweise jüngst revidiert werden. “Das ist ein Paradigmenwechsel”, schwärmt der Planetologe. Die neue Annahme basiert auf frischem Datenmaterial, das die Songe Messenger bei einem so genannten Swingby-Manöver im Januar vergangenes Jahres lieferte. Ein zweiter Vorbeiflug der Sonde am 6. Oktober 2008 bestätigt: Auf Merkur hat es vulkanische Aktivitäten gegeben. Bislang weitgehend unerforscht Die Erforschung des innersten Planeten unseres Sonnensystems ist ein schwieriges Unterfangen. Vom Standpunkt Erde bieten sich an ganz wenigen Tagen im Jahr Beobachtungsmöglichkeiten, für Hobby-Astronomen zuletzt im April dieses Jahres. Da hatte der Planet seinen größten Abstand zur Sonne errreicht. Ansonsten macht es die Nähe zur Sonne beinah unmöglich, ihn am Himmel zu erspähen. Im August 1998 waren US-Astronomen am Mount Wilson Observatorium, Kalifornien, tausende Aufnahmen von Merkur geglückt. Neue Erkenntnisse förderten sie aber nicht zu Tage. Dennoch verzichtet die NASA darauf, mit ihrem Weltraum-Teleskop Hubble, einen Blick auf Merkur zu riskieren. Zu groß wäre die Gefahr, dass die geladenen Teilchen des Sonnenwinds Linsen und Sensoren beschädigen. So bleibt der Planet weitgehend unerforscht. Messenger soll ihn auf seiner Erkundungstour durchs Weltall noch einmal passieren, ehe die Sonde im März 2011 erstmals in seine Umlaufbahn einschwenken und ihn aus der Nähe unter die Lupe nehmen wird. Messenger ist erst die zweite Sonde, die Merkur zum Ziel hat. Die erste war Mariner 10, die Mitte der 1970er Jahre bei insgesamt drei Vorbeiflügen das Caloris-Becken und etliche tiefe Krater entdeckt sowie den verhältnismäßig großen Kern des Planeten bestimmt hatte. Die Flugbahn für Mariner 10 hatte ein gewisser Giuseppe “Bepi” Colombo berechnet, seines Zeichens Mathematiker und Raumfahrtingenieur. "BepiColombo"-Mission Der 1986 verstorbene Italiener ist Namensgeber einer dritten Expedition zu Merkur: Die Europäische Raumfahrtorganisation ESA schickt mit der “BepiColombo”-Mission zwei Sonden und eine ganze Palette von Experimenten auf die Reise. Der Startschuss für die Trägerrakete soll am 21. Juli 2014 fallen.Geschätzte Ankunftszeit: 21. Mai 2020. An Bord soll dann auch das Messinstrument namens Mertis (Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer) sein, das von den Wissenschaftlern in Münster und Berlin entworfen und am DLR-Institut für Robotik und Mechatronik montiert wurde. Sein Miniaturformat lässt es recht unspektakulär erscheinen, machen es aber zugleich außergewöhnlich. Das würfelförmige Gehäuse hat eine Kantenlänge von gerade mal 13 Zentimetern. Es beherbergt Elektronik und Optik. “Es verbraucht weniger Energie als eine normale Glühbirne”, behauptet der Planetologe Hiesinger über Mertis. Mit 3,3 Kilogramm fällt das Instrument kaum ins Gewicht. Die Gesamtmasse, mit der die Trägerrakete Ariane 5 der “BepiColombo”-Mission von der Erde abheben soll, beträgt mehr als das Tausendfache. Extreme Bedingungen In einem Kalibrationslabor unterziehen Ingenieure das Messinstrument weiteren Tests. In ihrer Nachbarschaft versucht Dr. Jörn Helbert Parameter zu ermitteln, an denen Mertis sich auf der Suche nach Gesteinsformen und -arten orientieren soll. “Wir arbeiten mit Materialien, die wir auf Merkur vermuten”, sagt der Forscher. Dazu gehörten unterschiedliche Feldspat-Mineralien. Für seine Studien muss Helbert in einer Vakuumbox “reale” Bedingungen erschaffen. Mit anderen Worten: extreme Bedingungen. Denn die Temperaturen auf der Oberfläche des Planeten schwanken zwischen nachts minus 193 Grad und tagsüber plus 427 Grad. “Wir erhoffen uns Rückschlüsse auf die viereinhalb Milliarden Jahre alte Entstehungsgeschichte des Merkurs”, sagte Harald Hiesinger, als er Mertis vor knapp einem Monat in Münster erstmals der Öffentlichkeit vorstellte. Anlass war die Bekanntgabe der DLR, das Projekt mit 11, 4 Millionen Euro zu fördern. Während Messenger nur die nördliche Hemisphäre des Planeten in hoher Auflösung aufzeichnet, solle Mertis die gesamte Oberfläche mineralogisch kartieren. Eine Jahr lang werde dazu die Sonde Merkur umkreisen. Bis dahin vergeht aber noch ein bisschen Zeit. Allein die Reise zum Götterboten dauert sechs Erdenjahre. |