Gaudi, Geld und Gloria
SPORT | MIT ÜBERSICHT (15.05.2006)
Von Torsten Wieland | |
Die Faszination, die vom Fußball ausgeht, ist ungebrochen. Millionen in immer mehr Teilen der Welt jagen dem runden Leder nach, auch immer mehr Mädchen und Frauen. Medien- und werbegetrieben werden immer neue Zuschauer- und Konsumentengruppen erreicht. Alle vier Jahre, kurz vor der Weltmeisterschaft, nähert sich das Fußballfieber seinem Höhepunkt. Und viele Fragen tauchen vor der Fußball-WM, vor allem in den Austragungsstädten auf. Eine Bestandsaufnahme des Fußballs und der Stimmung in der Republik vor der WM hatte sich das Regionalbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Leipzig am 24. April in den Räumlichkeiten der altehrwürdigen Nikolaischule "auf die Fahne geschrieben". Eine bunte Mischung aus Fußballkennern und Liebhabern des Runden-Leder-Sports war zur Podiumsdiskussion geladen: der ehemaliger DDR-Nationalspieler und FIFA WM-Botschafter Rene Müller, der Journalist Christoph Dieckmann, Theaterintendant Jürgen Zielinski und Frank Dannhauer, Leiter des WM-Büros in Leipzig. Nachdem zur Einführung ein kurzes Feature über das Legendäre WM-Spiel zwischen der DDR und der BRD, mit dem legendären Tor durch Jürgen Sparwasser verklungen war, wurde tacheles geredet. Die Erfolgsaussichten für die, die den Adler tragen, wie 1974 den Titel im eigenen Land zu holen, wurde von allen Anwesenden eher realistisch eingeschätzt: einig war man sich, dass das Überstehen der Vorrunde fast schon Pflicht ist. Alle weiteren Siege könnten dann als Kür angesehen werden. Christoph Dieckmann (Die Zeit) mahnte in diesem Zusammenhang seine Journalistenkollegen, auf dem Teppich der Tatsachen zu bleiben. Übertriebene Euphorie wäre genauso verfehlt, wie unentwegte "Schwarzmalerei". Der ehemalige Torhüter der DDR-Nationalmannschaft und heutige Trainer des Halleschen FC, Rene Müller, schürte ein wenig Hoffnung, als er die Stärken der Deutschen als Turniermannschaft beschwor: "Wenn sie sich als Mannschaft zusammenraufen, dann können sie auch den Mut aufbringen über sich hinaus zu wachsen." Frank Dannhauer betonte, dass Siege der Deutschen nicht nur aus sportlicher Perspektive wichtig erscheinen, sondern sich durchaus auch für den gewerblichen Mittelstand positiv auswirken könnten. Aus seiner Sicht seien Siege der Deutschen Mannschaft auch wichtig für die Stimmung im Land und das Selbstvertrauen der Menschen. Auf die Frage, ob Leipzig für die anstehenden Spiele gerüstet sei, wies Frank Dannhauer auf die gelungene Generalprobe, den Confederations-Cup, hin und betonte das vorbildliche Sicherheitskonzept des Leipziger Stadions. Jürgen Zielinski, der die Spiele in den Stadien nur als einen Teil der Fußball-WM betrachtet, erwartet vor allem ein Fußballfest außerhalb der Stadien: "Ein Fest der Fans mit dem freundlichen und friedvollen Aufeinandertreffen der verschiedensten Nationen". Vorrausetzung dafür, erklärt er, sei eine große Portion Neugier aufeinander und viel Toleranz! Und genau dies vermisse er manchmal bei seinen Theaterbesuchern, hoffe aber auf den vielgerühmten Ruf der Leipziger als gute Gastgeber. Auch Rene Müller kennt das Problem der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit aus seiner Arbeit als Trainer in der Oberliga. "Es gibt immer Menschen, die die öffentliche Bühne für ihre Absichten benutzen und missbrauchen. " Der Fußball sei nun einmal ein Breitensport und "das Stadion die größte Psychologencouch der Welt". Bedenklich findet Rene Müller, das nur zu Großveranstaltungen über Sicherheitskonzepte nachgedacht wird, während sich in den unteren Fußball-Ligen Deutschlands die Hooliganszene in und um die Stadien austoben kann. "Die Leittragenden dabei sind der Sport und die wahren Fans", sagt er. Aus seiner reichhaltigen Erfahrung wähnt er die Gefahr für Intoleranz während der WM weniger in den Stadien als davor. Christoph Dieckmann sieht den Fußball als Spiegel der Gesellschaft. Eine Minderheit würde ihre psychischen und sozialen Probleme mit ins Stadion tragen und auf den Sport projizieren - das Resultat seien Gewalttätigkeiten oder Rassismus. Die Mehrheit aber wolle sich einfach nur am Fußball erfreuen. Die meisten Menschen wüssten das Fußball nur ein Spiel ist, wenn auch ein sehr emotionales. Konsens herrschte auf dem Podium zu dem Problem, dass der Fußball durch eine zunehmende Kommerzialisierung seine Faszination als Breiten- und Publikumssport verliert. Vor allem die Kinder- und Jugendarbeit leide darunter, betonte Rene Müller. "Den Straßenfußballer gibt es heut leider nicht mehr in Deutschland!" Vielleicht aber trägt eine so medienwirksame und mitreißende Veranstaltung wie die Fußball-WM im eigenen Land dazu bei, dass die Bolzplätze wieder Belebung finden und eine neue Generation von Straßenfußballern heranwächst. Und vielleicht tragen auch die Spieler der Deutsche Nationalmannschaft mit überzeugenden Leistungen dazu bei, dass der eine oder andere Juniorkicker wieder einem Vorbild nacheifern kann. Zum Schluss gaben alle Podiumsteilnehmer ihrer Hoffnung und Überzeugung Ausdruck, dass Deutschland weltoffen und tolerant genug sei um die Fußballweltmeisterschaft zu einem Event zu machen, bei dem "Die Welt zu Gast bei Freunden" ist. |