Wer ist Testsieger?
KULTUR | LIVE (15.04.2005)
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Über ein Konzert zu schreiben, das keiner erlebt und ein jeder für gut befunden hat, ist wie von einer Frau zu schwärmen, von der man nicht mehr weiß als ihren Namen. Dabei ist sie nur ganze zwei Tanzschritte entfernt und dreht sich zur Musik, die jeden zweiten Donnerstag in der Luna Bar in Münster läuft. Ihre schmalen Schultern habe ich schon einmal berührt, in meinen Träumen. Ich komme herein und höre den Mann an der Tür, der da alle 14 Tage steht, etwas sagen. "Testsieger? Das ist doch mal ein guter Name", reagiert ein Kollege darauf und verschwindet in der roten Bar. Doch auch er ist spät dran. Junge Männer mit Brillen auf den Nasen bauen ihr Set ab. Einer von ihnen hievt schweres Kabelgewirr. Während ich die Situation beobachte, wird mir gewahr, dass ich über Testsieger bereits irgendwo etwas gelesen habe. Also frage ich herum und stelle fest, dass ich beiweitem nicht der einzige bin, der dieses Konzert verpasst hat. "Hab's nicht gesehen, aber soll gut gewesen sein", sagt eine sie und kramt vergebens nach einem Feuerstarter. "Elektronisch", so eine weitere Spur. Ich gehe ihr nach und treffe auf jemanden, dem das Schlagzeugspiel gefiel. Er hat die letzten beiden Stücke gehört und wirkt begeistert. Die Luna Bar ist heiß und die Leute feiern längst zum all-zwei-wöchtlichen Rauf- und Runter-Geklopfe. Seit Monaten das gleiche Programm. Auch die Frau im funkelnd roten Oberteil tanzt. Bei ihr ist das was anderes. Ich setz mich zu meinen Freunden, lege eine Compact-Disc auf den Tisch. Sie unterhalten sich. Ich lese den Titel der Scheibe: Gold. Plötzlich stürmt langes blondes Haar auf uns zu und eine weibliche Stimme fragt: "Seid Ihr die Jungs von der Band?" Jörg Wockenfuß, Roland Wiegner und Jan Beyer sind immer noch damit beschäftigt, die Instrumente zu verstauen. "Jau, setz Dich Kleine." Von wegen. Wir verweisen auf die drei und ich schau mir wieder das Album von Testsieger an. Eine Rakete startet auf dem Cover durch und es steht geschrieben: "20 Volltreffer". Am nächsten Morgen ärgere ich mich, dass ich Pianist Wockenfuß nicht gefragt habe, was das zu bedeuten hat. Denn meine Vermutung, es beziehe sich auf die Titelanzahl, ist falsch. 16 Volltreffer sind es auf der Doppel-CD. Zählt man die Bandmitglieder hinzu, fehlt immer noch einer. Meine Freunde sind verschwunden. Testsieger sind verschwunden. Mein Glas ist leer. Die Tanzfläche ist voll. Sie steht da und quatscht mit ihren Freundinnen. Die sind immer zusammen hier, denke ich und gehe. Zum Ausgang, um zu fragen. Und frage. "Hast Du ne Ahnung, ob die Band schon abgehauen ist?" Bevor das Kassenmädchen antworten kann, sagt der neben mir: "Ja, ja, ich bin hier." Es ist Jörg Wockenfuß. Er schreibt gerade Zahlen auf einen Notizzettel. Es ist eine Gleichung, die nicht zu seinen Gunsten aufgehen wird. Der Abend war ein Flop. Er spricht von zwölf zahlenden Gästen. Bei der Release-Party fünf Tage zuvor in Oldenburg waren es rund 400. Ganz klarer Heimvorteil. In der Geburtsstadt des Trios kennt man Testsieger. Anders in Münster. Hier wären Plakate und Flyer angebracht gewesen. Livegespielte Triphop- und Breakbeats hätten sie beispielsweise ankündigen können. Am Morgen danach singt jemand. "Hey Disco hey." Trashiger 80er Jahre Sound blechert aus den Lautsprechern. Im Inneren meines CD-Players kreist die brandneue Platte. Ich denke kurz an Kraftwerk. "Superdisco" tönt und schallt es. Das sind sie also, die Jungs, die niemand gehört hat, geht es mir durch den Kopf. Haben auf Lehramt studiert, abgebrochen und machen sieben Tage die Woche Musik. "Neulich in der Disco", geht's weiter im Text. Seine Stimme klingt ironisch. Da muss ich, wen wundert's, an die vergangene Nacht denken. Bis fünf Uhr bin ich geblieben. Die Frau in rot übrigens auch. Wie schon vor zwei Wochen bis zum bitteren Ende. Mein Testergebnis: Luna Bar hat diesmal nicht bestanden. Daumen hoch für Testsieger. |