Die zwei Gesichter des Exils
POLITIK | LAOTEN IN DEN USA (15.06.2007)
Von Oliver Tappe | |
Die einen Exilanten sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, einen Putsch in Laos geplant zu haben. Dafür müssen sie jetzt in den USA vor Gericht. Andere Exil-Hmong und -Lao hielten im US-Bundesstaat Arizona eine Konferenz mit Vertretern des Westens und der Laotischen Demokratischen Volksrepublik ab. Eine Nachwirkung der kommunistischen Revolution in Laos im Jahre 1975 war die Flucht von unzähligen Lao und Hmong, eine der größten ethnischen Minderheiten von Laos, über den Mekong nach Thailand und schließlich nach Europa und in die USA. Es wird geschätzt, dass ungefähr ein Zehntel der laotischen Bevölkerung - darunter ein Großteil der Bildungselite, der Beamten- und Facharbeiterschaft - aus Laos geflohen ist und sich im Exil niedergelassen hat. Gerade in den USA, dem damaligen Hauptfeind der kommunistischen Bewegung in Südostasien, suchten viele Royalisten und Konservative Zuflucht und betreiben teilweise bis heute Lobbyarbeit gegen die in Laos regierende Laotische Revolutionäre Volkspartei. Gleichzeitig beginnt sich eine jüngere Generation von Exil-Laoten von den früheren Ressentiments zu lösen und sich offen mit der Heimat ihrer Eltern und Großeltern zu befassen. Wirtschaftliche Investitionen und wissenschaftliche Projekte in Laos werden zunehmend aus dem Exil initiiert, der "Bambusvorhang" scheint allmählich zu verschwinden. Dennoch befindet sich ein Teil der Hmong, die einst vom CIA als anti-kommunistische "Geheimarmee" gegründet wurde, noch immer im offenen Widerstand gegen die laotische Regierung, welche ihrerseits diversen Berichten zufolge die Überbleibsel jener Gruppen im Hochland von Laos aggressiv verfolgt. Laos und seine Exilanten stehen noch immer in einer angespannten Beziehung, Neigungen zur Wiederannäherung stehen dabei alten Antagonismen gegenüber. Jüngste Beispiele für diese gegenläufigen Tendenzen waren eine Laos-Konferenz in Tempe im Bundesstaat Arizona und ein im kalifornischen Sacramento vereitelter Putsch-Plan des greisen Hmong-Generals Vang Pao. Beide Ereignisse sind im Kontext der als weitgehend normalisiert geltenden politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Washington und Vientiane zu sehen. Eine Laos-Konferenz in den USA Organisiert wurde die "2. International Conference on Lao Studies" (3.-6. Mai 2007) von der Arizona State University gemeinsam mit dem Center for Lao Studies, einer laotisch-amerikanischen Organisation, die sich der Forschung und Vermittlung der Kultur der Lao und der vielen anderen in Laos (und im Exil) lebenden ethnischen Gruppen verschreibt. Auch andere Exil-Organisationen wie die Lao Heritage Foundation und das Center for Hmong Studies der Universität Saint Paul, daneben europäische und amerikanische Wissenschaftler, waren vertreten, um sich in Diskussionsgruppen zu laotischer Kunst und Kultur, Entwicklungszusammenarbeit, Linguistik, Geschichte etc. auszutauschen. Auch viele Studierende und Graduierte laotischer Abstammung präsentierten ihre Forschungen und demonstrierten damit großes Interesse und Offenheit gegenüber der Heimat ihrer Eltern, die für sie bis vor kurzem noch ein fremdes, isoliertes Land war. Laotische Traditionen anlässlich der Konferenz im Land des einst verhassten Feindes: den Vereinigten Staaten von Amerika. (c) Oliver Tappe Generell fiel auf, dass allzu kontroverse Themen in den Konferenzpanels weitgehend ausgespart wurden, und sich Diskussionen lediglich an altbekannten Themen wie der Problematik von Staudämmen entzündeten. Fragen von Menschenrechtsverletzungen in Laos, der komplizierten Beziehung von Exil-Lao und ihren in Laos gebliebenen Verwandten, der Situation ethnischer Minoritäten kamen, wenn überhaupt, nur in informellen Gesprächen am Rande zutage. Angenehm zu verzeichnen war andererseits das Fehlen von reflexhaftem "Kommunisten-Bashing", das so viele Websites revanchistischer Exil-Gruppen kennzeichnet. Bedauerlich war hingegen die geringe Präsenz von laotischen Wissenschaftlern aus der Volksrepublik, die in erster Linie dem Desinteresse der Regierung geschuldet war. Die seit 1975 allein regierende Laotische Revolutionäre Volkspartei steht einem solchen offenen Diskussionsforum offenbar noch immer misstrauisch gegenüber - zumal sicherlich neutralere Ausrichtungsorte als die USA vorstellbar sind. Gleichzeitig würde eine Konferenz in der Volksrepublik für viele Exilanten ein Problem bedeuten: Es herrscht bisweilen noch Furcht vor jenem Regime, vor dem sie einst über den Mekong flüchteten, und Skepsis bezüglich der dortigen Meinungsfreiheit. Wichtiger ist jedoch, dass erste Schritte in die richtige Richtung getan sind und für die nächste Laos-Konferenz eine engere Kooperation mit der Nationalen Universität von Laos geplant ist. Zwar wird die Konferenz 2010 in der thailändischen Stadt Khon Khaen stattfinden - und damit erneut von einem ehemaligen "Klassenfeind" organisiert - wo dann aber mehr Teilnehmer aus Laos zu erwarten sind. Ohnehin leben im thailändischen Nordosten geschätzte 4/5 der weltweit zirka 25 Millionen Lao. Damit bestehen berechtigte Hoffnungen, dass die Konferenz zum wichtigsten Forum der grenzübergreifenden Lao-Studien werden - mit dem Fokus auf die gemeinsame Kultur, nicht auf politischen Differenzen. Die amerikanischen Hmong Bleibt die Frage der Menschenrechte in Laos, vor allem im Hinblick auf die Situation der Hmong, die auch hinsichtlich des Verhältnisses zu Thailand und den USA von Bedeutung ist. Vorweg: Laos hat geschätzte 40-50 verschiedene ethnische Gruppen, von denen aber nur wenige einen solchen Bekanntheitsgrad wie die Hmong haben und mit ihren durchaus vorhandenen spezifischen Problemen international oft unbeachtet bleiben. Die Hmong jedoch haben sich während des 2. Indochinakrieges den Ruf eines kriegerischen Volkes erworben, als ein Teil von ihnen sich der kommunistischen Guerilla anschloss, derweil eine andere Gruppe unter dem berüchtigten General Vang Pao vom CIA zu einer Art "Geheimarmee" der Amerikaner aufgebaut wurde. Das Versprechen der USA lautete: Entweder Sieg über die Kommunisten und ein eigener Staat für die Hmong, oder im Falle der Niederlage die Evakuierung des Volkes in die Staaten. Dieses Versprechen wurde nach der Revolution 1975 nur zum Teil eingelöst, als Tausende Hmong in die USA flüchteten, andere hingegen den bewaffneten Widerstand gegen das neue Regime aufnahmen. Bis heute predigte Vang Pao im amerikanischen Exil seinen Mitflüchtlingen den zukünftigen Sturz des Regimes und die Rückkehr in die Heimat, und hielt die finanzielle und ideelle Unterstützung für den innerlaotischen Widerstand aufrecht. Genau genommen bis zum 4. Juni 2007, als ausgerechnet amerikanische Geheimdienstler den mittlerweile 77-jährigen mit einer Wagenladung schwerer Waffen festsetzten, die angeblich für einen Putsch in Laos gedacht waren. Was auf den ersten Blick sehr bizarr anmutete - mit einem Kombi voller Waffen unterwegs zum Putsch, dann ausgerechnet die "Rettung" der Kommunisten durch die USA -, war für Kenner der Szene keine große Überraschung. Genau genommen war es ein offenes Geheimnis, dass Vang Pao in den letzten Jahrzehnte den bewaffneten Widerstand der Hmong unterstützte und dabei Rückendeckung von rechtskonservativen amerikanischen Gruppen erhielt (unter den Verhafteten war auch ein amerikanischer Vietnam-Veteran). Überraschend war vielmehr, dass die USA dies nun nicht mehr dulden und stattdessen die Stabilität der nunmehr befreundeten Staaten im ASEAN-Raum zu gewährleisten suchen [1]. Die Reaktion der Hmong in den USA reichte von Solidaritätsbekundungen und Demonstrationen für Vang Pao bis hin zu offener Antipathie gegenüber dem General. Gerade die dritte Generation der Exilanten, die wie auch die jungen Lao in den Staaten vielfach kein Bedürfnis nach Rückkehr in eine imaginäre "Heimat" haben und sich in den USA zuhause fühlen, sehen durch diese Aktion das Image der Hmong in den Staaten gefährdet. Ohnehin stehen einige Hmong den aggressiven Fundraising-Kampagnen Vang Paos, dessen Versprechen auf die Rückkehr in ein "freies" Laos gerade die älteren Flüchtlinge ihr mühsam Erspartes opferten, äußerst ablehnend gegenüber. [2] Entsprechend reichen in den Kommentaren der Zeitungsleser die Bezeichnungen von "Held" bis "Terrorist". Auch der Vergleich mit Osama bin Laden als einstmals verlängerter Arm der Amerikaner kommt vor - sowohl negativ als auch positiv gemeint. Auch wenn nun letztlich nichts Spektakuläres passiert ist, sind die Folgen dieser Geschichte noch nicht abzusehen. Es besteht die Gefahr eines Generalverdachts gegenüber den Hmong, die wie erwähnt nicht alle antikommunistisch eingestellt sind. Mit Pani Yathotu sitzt sogar eine Hmong-Frau im Politbüro der Laotischen Revolutionären Volkspartei. Möglicherweise liefert Vang Pao der laotischen Regierung endgültig die Bestätigung, die versprengten Widerstandsgruppen der Hmong als "Terroristen" zu verfolgen. Die Unterstützung der Vietnamesen, die ihren laotischen Genossen im Kampf gegen innere Feinde regelmäßig militärisch zur Seite standen, kann für Vientiane als gesichert gelten. In Thailand herrscht derweil die Hauptsorge vor weiteren Flüchtlingsströmen, und die Regierung Bangkoks würde am liebsten alle noch in thailändischen Flüchtlingslagern lebenden Hmong zurückführen. Kurz nach Bekanntwerden der Putschpläne schickte Thailand 160 Hmong-Flüchtlinge unter dem Vorwurf der illegalen Migration nach Laos zurück (The Nation, 9.6.07). Die Vientiane Times (11.6.07) berichtete daraufhin, die laotische Regierung habe die Rückkehrer mit offenen Armen empfangen und verspreche nun mehr in die Bildung der Hmong zu investieren, damit sie nicht erneut "Opfer von Schlepperbanden" werden. Es ist definitiv an der Zeit, eine angemessene und menschenwürdige Lösung für die Hmong in Laos und Thailand zu finden. Washington hat mit der Verhaftung Vang Paos Entgegenkommen demonstriert, auch Bangkok signalisiert Kooperationsbereitschaft mit Vientiane. Nun ist die laotische Regierung gefragt, ihrerseits konkrete Schritte zum Frieden, vor allem aber zu nachhaltiger Politik zugunsten der Minoritäten zu machen. Im Jahre 2010, wenn die nächste "Conference on Lao Studies" wieder Lao, Hmong und anderer Gruppen aus Laos und seiner Diaspora empfängt, könnte Bilanz gezogen werden. |